Leopold Reuters

Blue Scholar


The
Feeling
Die
Straßenbahn stinkt. Häuser ziehen vorbei. Grau und hoch. Wäre es
nicht schöner wären sie grün, blau, rot. Verschwommen sieht er die
Welt. Verträumt, so wie er sich sie wünscht. Was soll man machen
wenn man von Dreck umgeben ist. Dreck und Gewalt. Schmerz und Armut.
Die Straßenbahn stinkt und ist leer. Fast leer, bis auf ein
Obdachloser am anderen Ende des Wagons. Heute ist ein schöner Tag.
Die Sonne scheint und Tom hat frei. Eigentlich hat er immer frei,
immer wenn er will. Keiner kümmert sich darum wenn einer fehlt. Fast
keiner. An der Centralstation steigt Tom aus.
Tom
Scholars Vater ist Schwarz. Er hat ihn nicht wirklich kennen gelernt.
Schon früh ist er gegangen. Seine Mutter hat er noch. Sie ist weiße
und arm. Zusammen wohnen sie in einem der Ghettos am Rande der
Großstadt. Sie kümmert sich nicht viel um ihn. Sie mag ihn, ist
aber zu gleichgültig um ihm größere Beachtung zu geben.
Die
Menschen hasten über die Straße. Mit Aktenkoffern und
Instantcoffees in ihren Händen. Die Welt steht still. Wie in
Zeitlupe hasten sie und rennen. Völlig gleich wohin es geht, keinen
interessiertes. Ersetztbar und eintönig, komisch dass es ihnen nicht
selbst auffällt. Müssen sie nicht jeden Tag deprimiert in ihren
Büros sitzen und sich fragen wozu das ganze gut ist ? Zu Hause
wartet vielleicht ihrer Familie, möglicherweise waren sie ihr Leben
auch zu beschäftigt um eine zu gründen. Tom will das nicht, für
ihn steht die Zeit still. Er bewegt sich über den Massen, durch die
Massen. Willkürlich und Zufällig, macht das was ihm gefällt.
Wurzeln ranken sich durch die Straßen bis hoch hinaus über die
Dächer bis hin zu den Wolken. Schwarze Wurzeln die alles
durchziehen, alles vernetzten. Überall wo er hin geht begleiten sie
ihn. Es ist seine Hinterlassenschaft an seine Umwelt.
Tom
hat die Schule dieses Jahr beendet.
Weiter
mit der Ubahn, raus aus der Stadt. Nicht weit von der Station ist ein
verrotteter Park in dem man sich Nachts lieber nicht begeben sollte.
Ein Hügel erhebt sich in der Steppe. Man sieht es. Das Graue zieht
sich langsam dem Horizont und Himmel entgegen. Doch Tom ist nicht
mehr da. Hier nicht. Hier ist er wirklich außerhalb I'm Feeling Blue
beschreibt Tom ziemlich gut.




Hey
Tom
Aline
und Scott haben Tom gesehen. Sie sitzen auf dem Felsen. „Hey man
wie geht’s, wo warst du, noch in der Stadt ?“ fragt Scott. „Hey
Aline“, Tom gibt ihr einen Kuss auf die Wange, „Hey alles klar
man, ja ich war noch in der Stadt“ und er gibt ihm einen Kuss auf
die Wange. Nein. Aline ist verträumt und Scott eher der aufgeweckte
Typ. Das war er schon immer. Konnt gut reden, aber nicht so dass er
gern zu den coolen leuten gehörte. Die waren meistens in Gangs und
Kriminell aber Scott verstand hatte keine Probleme mit ihnen. „Was
macht ihr so, seit ihr schon lange hier ?“ fragt Tom, er ist noch
nicht ganz wach. Aline schaut ihn an als hätte er irgend etwas in
seinem Gesicht verborgen. Dann antwortet sie „Nein, ein wenig.
Vielleicht eine Stunde“. Generell machen sie nicht viel. Scott „Ist
euch mal aufgefallen, na ist euch mal aufgefallen dass wir heute
einen verdammt schönen Tag haben? Ich meine die Sonne scheint, kein
Stress und wir haben frei“. Scott grinst erleichtert „Ja Scott,
wir sind frei“. Scotts Eltern sind auch Schwarz/Weiß, so wie sie
es sagen. Nur Alines nicht. Aline kommt aus bessern Verhältnissen.
Sie ist nicht reich, aber sie muss nicht im Ghetto wohnen. Scott
wohnt am andern Ende des Ghettos Es ist noch ein paar Ubahn
Stationen bis zu Tom. Generell machen sie nicht viel. Sie reden, sie
denken nach und Philosophieren und Träumen. Zusammen haben sie die
Schule abgeschlossen, nicht schlecht. Tom war immer der beste und hat
Scott oft mal was erklärt, aber nicht das Scott Probleme hatte, sie
wollten es einfach zusammen machen. Was jetzt, nach der Schule kommt?
Sie hatten keinen genauen Plan. Zusammen irgendwohin in eine kleine
Wohnung. Studieren vielleicht. Scott wollte eine Ausbildung machen.
Tom und Aline an die Universität, was genau weiß keiner. Nur dass
sie nicht alleine seien wollen. Tagsüber hängen sie oft an diesem
Felsen rum. Dann ist es nicht gefährlich, nur bevor's dunkel wird
gehen sie. Meistens zum FatSlap Fastfood-In. Der Parkplatz ist
beleuchtet und Abends ist nicht viel los dort, man hat seine Ruhe.
Nur eine Laterne über der Bank in der Nähe der Theke.



Getting
Lost
Der
Himmel ist Schwarz, der Parkplatz dunkel nur eben diese Laterne
brennt über ihnen. Außer der vorbeifahrenden Autos und der vom
fettigen Fritösendunst vergilbten Sparlichtröhre die vor sich hin
surrt ist nichts zu hören. Scott mampft einen Cheeseburger. Aline
hatte kein Geld dabei, Tom hat ihr etwas geliehen. Drei Cheeseburger
für drei Pechvögel. „Hallo meine kleine Domina, pack mal deine
Peitsche aus“. Aline zieht perplex die Augenbrauen hoch. Scott und
Tom schauen überrascht zur Frittentheke von wo der Spruch kam. Vier
Schwarze mit weiten Hosen und grünen Tüchern um ihre Oberarme
gebunden kommen grinsen sie überlegen an. „Hey so was nicht an
meiner Theke, verstanden ?!!“ Schreit der dicke Fastfood-Wirt der
bisher ruhig Zeitung liest und jetzt Empört von seinem Hocker
aufgesprungen ist. Sein Unterhemd ist befleckt und verschwitzt, es
war wohl mal weiß aber jetzt ist es dunkel Grau Gelb und hat einen
Hauch von Grün unter den Achseln... Grün. „Fresse halten!“
schreit einer der vier Jungs mit dem Ausdruck im Gesicht wie ein
wütender Dobermann, einer von den Bösen großen muskulösen. Er
wendet sich den drei auf der Bank zu und seine Mimik lockert sich
wieder zu dem gehässigen Grinsen. „Na du kleine Schlampe, heute
schon gefickt?“ In einem ekelhaften Ton den man am besten mit einem
bösen Lustonkel beschreibt „Naja ist mir auch egal mein Schwanz
muss gerade mal ordentlich geblasen werden. Und du kleine Fotze
kommst mir gerade recht“. „Hey man verpisst euch, was soll die
Scheiße!“ Scott ist aufgesprungen. Tom schaut ihn an, entsetzt. Oh
nein was macht er das. Scheiße, scheiße, scheiße !! Verdammt Scott
setzt dich sofort wieder hin du dummer Vollidiot. Zu spät, Tom steht
selbst. Oh Gott was tue ich da, denkt er sich. Die vier fangen an
unglaublich Muskulös und angsteinflösend zu wirken. Noch
angsteinflösender als zuvor. Aber das blöde ist, es wäre egal wie
muskulös sie wären denn in jeder einzelnen ihrer Arschtaschen
befindet sicherlich eine Pistole oder irgendwas anderes gefährliches.
Reifen Quietschen Hinter Tom, er kann sich nicht umdrehen, er ist
starr. Vor ihm ist die Bedrohung zu groß um sich um zu drehen. Eine
Explosion. Ein Fetzen hinter ihm. Ein Fetzen vor ihm. Ein Kopf
weniger. Wer ? Aline fällt hin, nein fliegt nach hinten. Jedenfalls
ein teil von ihr. Ein anderer Teil spritzt in sein Gesicht. Alines
Kopf in seinem Gesicht. Oh Gott was hat er dort zu suchen ?! Ein
weiteres Fetzen und zischen an seinem Gesicht entlang, weiter und
weiter. Unaufhörlich. Tom ist starr und steht. Steht immer weiter
während es neben ihm zischt und er beobachtet. Wie die Leute in der
Stadt die umher hetzten, hetzten die Kugeln um ihn. In Zeitlupe
fallen Körper und spritzt Blut. Auf die Straße, auf seine Kleidung.
Menschen auf seinem Körper. Scott hält sich die linke Hand ans
Herz. Die Vier rennen. Diejenigen die es noch können. Zwei liegen
auf dem Boden und können nicht mehr als Bluten und sterben. Scott
legt sich dazu. Er darf nicht mehr leben. Tom. Dreh dich um.
Das
Auto fährt weg. Eine andere Farbe als Grün. Blaue Bänder um den
Kopf der Insassen. Blaue Bänder, grüne Bänder, rotes Blut. Die
Stadt ist Bunt. Scott bewegt sich nicht mehr und Aline...
Aline
auch nicht
Tom
bückt sich zu Scott und fühlt seinen Puls, er fehlt ihm. Tränen
aus Toms Augen laufen über seine Wangen. Alles ist verschwommen.
Mehr als je zuvor. Schweiß und Blut läuft seinen Körper entlang
bis in seine Hosenbeine. Vielleicht ist es auch Urin, das weiß er
nicht. Tom läuft steif zur surrenden verfetteten Lampe. Der
verfettete fette Wirt hatte sich unter der Theke versteckt, ist
wieder aufgestanden und starrt nun auf Tom ein. „Ist... ist alles
okay mit dir ? Bist du verletzt?“ Tom starrt zurück mit leeren
Augen die Brauen hochgezogen die Pupillen klein. Dann rennt er. Wo
hin das weiß er nicht. Tom rennt, in die Dunkelheit Dort wo es nicht
ist, das böse. Das was passiert ist verschwindet hinter ihm. Eine
dunkle Straße nach der anderen. Ziellos wandert er durch die Stadt.
Lichter flackern auf und erlöschen wieder. Menschen reden mit ihm,
wollen ihm helfen, doch das hört er nicht. Er hört es nicht. Er
will zum licht, fühlt sich wie ein Insekt. Immer weiter. In die
Zivilisation, unter Leute, dort wo ihm nichts passieren kann und er
sicher ist.


Clear
Thoughts
Die
ersten Leute fahren mit dem Bus zur Arbeit. Langsam füllen sich die
Straßen und das Sonnenlicht versucht die graue Wolkendecke zu
durchstoßen. Die Stadt ist Bunt. Tom ist bunt.
Wer
verdient es zu leben und wer muss sterben ? Alleine sein ist nicht
schön. Tom lehnt seinen Kopf an das Fenster und beobachtet die
Straßen wie er es immer tut. Er weiß nicht genau was es war, aber
etwas hat seine Sicht der Dinge verändert. Der Busbahnhof, eine
Station an dem viele Leute Einsteigen und viele Leute Aussteigen. Ein
Dreh- und Angelpunkt der Gesellschaft wie Tom findet. Sie lachen ihn
an und nicken ihm ermutigend zu. Hier ist es schön, hier will er
bleiben. Er war schon immer alleine, irgendwie. Aber Tom ist froh.
Jetzt kann er, jetzt darf er, ja jetzt hat er die Erlaubnis alles
seien zu lassen wie es ist. Nun ist es vorbei mit dem verträumten
aus dem Fenster starren und dem die Dinge an sich vorbeiziehen
lassen. Tom steigt aus, schaut sich um und geht links munter entlang
der Straße. Ihm ist beinahe danach zu hüpfen vor Freude. Hüpfen
wie ein kleines Mädchen im Roggenfeld, so ganz ohne Sorgen und einem
Strauß voll Blumen in der Hand. Oh ja jetzt ist es gut, so hat er
sich das Ganze vorgestellt. Ein Schritt nach links und er ist da.


Frank
ist Busfahrer und das schon seit Jahren. Doch Hirn hatte er bestimmt
noch nie an seiner Scheibe.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.10.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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