Ivo Wachter

frusttag

gestern war wirklich nicht mein tag.
Schon mit dem aufstehen merkte ich : ich bin einfach unzufrieden.
Gibt keinen auslöser dafür, keinen grund. Es ist einfach so.
an solchen tagen halt ich abstand zu mir selber.
Und mute mich anderen auch nur im notfall zu.
kommunikation reduziere ich auf das allernotwendigste.
vergrabe mich in mir selber.

am abend ging ich meinen freund besuchen.
wie so oft in den letzten zwei monaten.
wir kennen uns seit über 30 jahren.
doch so oft wie die letzten wochen haben wir einander lang nicht mehr getroffen.

ich seh sein lächeln. nicht nur der mund lächelt.
er strahlt über das ganze gesicht.
ich weiss warum ich hier bin : mein tagesballast fällt langsam in sich zusammen.
und ich kann ihn in den kiesigen boden stampfen und be-graben hier.

ich erinner mich an alte zeiten.
mensch, was haben wir nicht alles durchgestanden.
da war schon einiges.
weisst du noch ? damals, in der schule.
die wienwoche. als wir "ertappt" wurden von unseren mitschülerinnen, als wir aus dem pornokino kamen.
eigentlich peinlich, aber unseren größten spaß zogen wir eigentlich gerade daraus.
wir hatten schon immer freude an den reaktionen von anderen.
und mit humor trugen wir auch mal das los des fettnäpfchen und lachten mit.
wir lachten viel gemeinsam.
und teilen ein ganzes leben schon miteinander.

die letzten jahre waren mühsamer für unsre freundschaft.
unsre familien wollten umsorgt und umhegt sein.
die kinder wachsen, gedeihen, bringen freude und sorgen und fordern uns täglich neu.
der job tut ein übriges.
beide haben wir unsren so unterschiedlichen weg bestens gemeistert wie ich glaube.
jeder hat auf seine art großen erfolg und das erreicht, was er sich gewünscht hat.
es gibt neue bekanntschaften, freundschaften.
über die kinder und den beruf kommt auch soviel neues herein.

die wege kreuzen sich weniger.
doch in gedanken sind wir immer und immer die allerbesten freunde.
kein wölkchen trübt sie, kein noch so winziges wirft einen schatten.
und sind wir zusammen, machen und reden wir unsinn wie früher.
jedes jahr zumindest einmal klingelt während der arbeit das telefon und du bist dran :
 - hast was vor ?
 - wie, jetzt ? ich sitz halt an der arbeit und hab massig zu tun
 - aha, gehts gut ?
 - ja, aber was wolltest denn ? weisst, die arbeit ist morgen auch noch da

eine stunde später sitzen wir im auto und steuern einen golfplatz an. es ist schon 17 uhr.
ich spiel eigentlich nur einmal im jahr. und das mit meinem freund. wenn er anruft.
auch heut eine halbe runde. 9 löcher.
dann gehen wir essen. und dann bauen wir mitten auf dem golfplatz neben einer alten hütte das zelt auf. mitternacht ist es schon und keiner da, der uns beobachten könnt.
reden die ganze nacht durch, stehn um 5 auf, packen zusammen, beginnen noch im ersten schimmer des tages, spielen unsre 18 löcher und um 12 uhr mittags sitz ich wieder an meiner arbeit.

ich lächle und schau dir ins gesicht.
die letzten zwei monate hab ich dich mehr und öfter getroffen als die letzten 10 jahre zusammengezählt.
ich erkenn deinem strahlenden lächeln an, dass du schon ein wenig gezeichnet bist.
von der vielen sonne ist dein bild schon etwas ausgebleicht.
ich schätz das foto ist etwa vor einem jahr gemacht worden.

du lächelst von deinem grabkreuz mich an.

ich werd dich nie mehr hören mein freund.
nie mehr werd ich deinen viel zu festen händedruck spüren können.
wir werden nie mehr gemeinsam eine eiskalte und originale - nur das orignal ist das orignal - coca-cola trinken.
nie mehr zusammen von vergangenen und künftigen abenteuern erzählen und träumen.
nie mehr gemeinsam lachen.

so steh ich hier und mir wird es bewusst.
vor 14 monaten wussten wir noch gar nichts.
vor 14 monaten war die welt noch in ordnung
da wussten wir noch gar nichts von krebs, ahnten nichts von tod,
da warst du so lebendig wie ich

wir blödelten und hatten die welt vor augen und alle türen waren offen.
ein ganzes leben lag vor uns.

und nun
liegst du vor mir
zwei meter unter der erde
ich spür dich,
 mich kribbelt es, wenn ich vor dir steh,
es schaudert mich
und ich  fühl mich dir ganz nah
ganz nah

durch nichts getrennt

und doch

deine stimme werd ich nicht mehr hören
du fehlst mir mein freund
so sehr


 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.10.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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