David Harlander

Seelenlos

Gedankenverloren strich sich Kapitän Harrison über die Oberlippe. Ein stoppeliger, dunkler Bart zeugte von tagelanger Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse, blutunterlaufene Augen taten ihres Gleichen zu diesem Eindruck. Soeben hatte er das OK seines letzten Wissenschaftlers bekommen. Nun lag es ganz an ihm. Und das gefiel ihm gar nicht. Auch wenn er der Kapitän dieses Schiffes war und täglich Endscheidungen zu treffen hatte war er ihm Grunde doch ein durch und durch konservativer Menschen mit einem Hang zu Pazifismus. Nicht gerade ideale Voraussetzungen für einen Kapitän. Nicht einmal für einen Soldaten. Und doch hatte er diese Position inne, und in diesem Moment fragte er sich welcher Teufel ihn geritten hatte als er zum Militär gegangen war und sich als Taktiker einen Namen gemacht hatte. Wie er schlussendlich der Kommandant eines Schiffes werden konnte war ihm ein Rätsel, noch dazu auf einem derart einzigartigen und wichtigen wie diesem. Innerlich war er zerrissen und hatte nicht den Hauch einer Ahnung was er jetzt tun sollte. Es stand in seiner Macht die ganze Aktion abzublasen, doch würden die Konsequenzen auf ihn zurückfallen und schlussendlich auch seinen Vater treffen dem er es zweifellos dank seiner makellosen Beziehungen in die Politik zu verdanken hatte überhaupt in diese Situation geraten zu sein. Er besaß einfach nicht die Gabe sein Wohl und das anderer, in diesem Fall seines Vaters und den Politiker die ihm zu dieser Position verholfen hatten aufs Spiel zu setzen nur um einer misslichen Lage zu entfliehen. Diese Art der Rücksichtslosigkeit entsprach nicht seiner Art, Voraussicht und  Planung, nicht um sonst war er einer der besten Taktiker der Armee. Wieder begann er zu grübeln, doch es gab nur eine optimale  Lösung, und es war die die ihm am wenigsten gefiel. Er wusste nicht wieso, doch es wiederstrebte ihm das Experiment zu starten. Es war nicht der Pazifist ihn ihm der verhindern wollte das solch grausame Macht erschlossen wurde noch der Konservative der den Beginn eines neuen Zeitalters fürchtete, nein, es war, wurde ihm schlagartig bewusst, seine Menschlichkeit die nicht begreifen konnte wie jemand so etwas teuflisches zu denken und zu konstruieren vermag. Doch er wusste auch dass er es nicht verhindern konnte, dass jemand anderes den Befehl geben würde. Im Grunde war er nur eine Marionette des Fortschrittes, man brauchte ihn nicht. Wissenschaftler brauchte man um etwas zu entdecken und zu begreifen, Ingenieure um etwas zu konstruieren, Techniker um es zu bauen und Geldgeber die das ganze finanzierten. Versagte einer konnte dieser Ablauf nicht stattfinden, doch versagte er konnte man ihn schneller austauschen als ihm lieb war. So kam er zu dem Schluss dass die einzig akzeptable Möglichkeit war es einfach durch zu ziehen und zu beten den Zorn Gottes nicht zu erregen. Er schloss die Augen und holte tief Luft. Auch wenn er kein Wissenschaftler oder Techniker war wusste er grob wie die Waffe funktioniert und was sie anzurichten vermag. Als Taktiker wollte und musste er zu jeder Zeit über alle seine Kapazitäten und Möglichkeiten und deren Wirkung Bescheid wissen. So wusste er auch dass die Waffe es schafft einen Strahl zu erzeugen, der sogenannte Valenzelektronen simuliert und alle Atome, auf die er trifft, dazu bewegt die Bindung zum nächsten Atom aufzugeben. Die Hitze, die die Reibung der künstlichen Elektronen zueinander erzeugt dient als Katalysator für den Elektronenaustausch. Im Grunde bedeutet das dass alle Materie, die vom Strahl getroffen wurde zu einem Pulver zerfällt bei dem jedes Korn die Größe eines Atoms hat. Wie der Strahl genau erzeugt wurde und was diese simulierten Elektronen eigentlich waren wurde ihm nicht gesagt, ein weiterer Beweis für seine Nutzlosigkeit. Im Grunde war er nur dazu da eventuelle Schuld auf sich abladen zu lassen, sollte trotz mehrmaliger Berechnungen und Simulationen doch etwas schief gehen. Mit schwerem Blick richtete er sich auf. Er warf einen Blick auf die Monitore. Das Weltall war in seiner stillen und unberührten Schönheit ein Ort der Verlorenheit. Dunkel und träge lag er da, doch das würde sich ändern. Der kleine Asteroid, eine dunkle Masse, die es kaum vermochte sich vom Hintergrund hervor zu heben schrieb eben seine letzten Sekunden. Ein letztes Mal warf er einen Blick auf den Gesteinsbrocken. Jetzt wollte er es schnell hinter sich bringen. Am liebsten hätte er einen knappen Befehl geben und das Ergebnis seines Kommandos wortlos betrachtet, doch Befehle wie „Feuer“ oder auch „Test starten“ passte nicht in seine Zeit der Überwachung. So setzte er sich in seinen Sessel, ein schwarzer weich gepolsterter Stuhl der mitten auf der Brücke stand, Übersicht und Macht simulierend. Ohne eine Geste des Zögerns drückte er einen seelenlosen Knopf der die seelenlose Waffe startete und diesen seelenlosen Gesteinsbrocken zerstörte. Die seelenlosen Geldgeber waren zufrieden.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.10.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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