- 3 -
Der Weg durch den magischen Übergang war für alle eine erstaunliche Erfahrung. Es kam ihnen vor, als würden sie in Wasser eintauchen, ohne naß zu werden. Nach einigen wenigen Schritten erreichten sie die andere Seite und fanden sich plötzlich auf einem windumtosten Felsplateau wieder. Sprachlos blieben sie stehen.
Unter ihnen erstreckte sich ein gewaltiger Talkessel, der ringsherum von steilen Felswänden umgeben war. Beherrscht wurde er von einer schwarzen Felsnadel nebst Burganlage in seiner Mitte, die selbst auf diese Entfernung einen furchteinflößenden Anblick bot. Rings um den Felsen war die Vegetation völlig verödet, als würde ein Pesthauch von der Anlage ausgehen, der alles Leben vernichtet. Dean fuhr ein Schauder über den Rücken. Unwillkürlich mußte er an Bram Stokers Dracula denken. Er konnte sich gut vorstellen, welche Gutenachtgeschichte Tom heute Abend für den armen Wirdnix parat haben würde. Der meldete sich wie aufs Stichwort.
„Nichts wie weg hier“, klagte er und sprach damit aus, was alle anderen dachten. Selbst Myrana sah zum ersten Mal ein wenig ängstlich aus.
„Sind Sie sicher, dass wir hier richtig sind?“, fragte sie zögernd, doch Meister Reno vi´Eren war nicht ansprechbar.
„Was ist hier bloß passiert?“, murmelte er leise vor sich hin.
„Wahrscheinlich war Wirdnix schon mal hier“, mutmaßte Gart finster. Ihm gefiel der Ort nicht. Dagegen hatte selbst der Schlund noch gemütlich ausgesehen. Unwillkürlich fuhr er mit der Hand über seine Wurfaxt. Irgendetwas sagte ihm, dass er sie in nicht allzuferner Zukunft benötigen würde.
Auch Dean war beunruhigt. Die Äußerung von Meister Reno vi´Eren ließ nichts Gutes erahnen. Besorgt sah er den Zauberer an.
„Damals sah das also nicht so aus?“, fragte er. Meister Reno vi´Eren schüttelte den Kopf.
„Nein, damals war das hier eine blühende Landschaft.“
„Na ja, teilweise blüht sie ja immer noch“, sagte Tom zynisch und wies auf die Reste der noch nicht zerstörten Vegetation. „Was interessiert uns außerdem die Landschaft? Schließlich sind wir nicht hier, um die Schönheit der Natur zu genießen.“
„Von Schönheit kann ja kaum die Rede sein“, ließ sich Wirdnix, der ängstlich die düstere Burg in der Ferne musterte, kläglich vernehmen. Er verspürte kein Verlangen, die Bewohner dieser Festung kennenzulernen. „Wenn ihr mich fragt, sollten wir lieber zurückgehen und uns einen anderen Weg suchen“, schlug er hoffnungsvoll vor.
Baumbatz drehte sich daraufhin um und schlug mit der Keule an die Felswand. Der dumpfe Klang der Schläge ließ erkennen, dass es sich um massiven Fels handelte.
„Schon vergessen? Der Weg führt nur in eine Richtung“, sagte er und klopfte dem Gnom aufmunternd auf die Schulter. „Aber falls es dich beruhigt, mir gefällt’s hier auch nicht.“
Das beruhigte Wirdnix aber ganz und gar nicht. Im Gegenteil. Wenn es dem unerschütterlichen Troll schon nicht gefiel, was sollte er dann erst sagen?
„Und wie geht‘s jetzt weiter?“ Dean sah Meister Reno vi´Eren fragend an. Der schüttelte den Kopf.
„Offen gestanden, ich weiß es nicht. Damals lebten hier die hilfsbereiten Eloon, ein friedliches Volk, das Landwirtschaft betrieb und die Zitadelle versorgte, doch jetzt“, hilflos hob er die Arme, „steht an der Stelle ihres Dorfes das da.“
„Soll das etwa heißen, dass dieser Felsen samt Burg vorher nicht da war?“, fragte Myrana erstaunt. Ungläubig richteten sich alle Augen auf Meister Reno vi´Eren. Der ließ resigniert die Schultern hängen.
„Genau“, erwiderte er. „Früher gab es hier nur Wiesen, Weiden und natürlich das Dorf. Doch jetzt ist alles zerstört. Von den Eloon ist keine Spur mehr zu entdecken und an der Stelle ihres Dorfes befindet sich jetzt dieser Felsen.“
„Unmöglich“, lautete übereinstimmend der Kommentar. In der Tat konnte sich keiner vorstellen, wie dieser Felsen samt Burganlage dorthin gekommen sein sollte. Dean war sich sicher, dass dies selbst für die alten ägyptischen Baumeister ein unlösbares Logistikproblem gewesen wäre. Da die Gefährten im Laufe ihrer Reise jedoch schon eine bewundernswerte Übung darin entwickelt hatten, sich mit Sachen abzufinden, die eigentlich unmöglich sein sollten, wie zum Beispiel mit den schwarzen Teufelchen, die durch festen Stein wandern konnten, war das Interesse an logischen Begründungen stark reduziert. Lange darüber nachzudenken, warum etwas existierte, konnte man sich in dieser Welt ohnehin nicht erlauben, es sei denn, man verfügte über die sieben Leben einer Katze. Das hatten auch die Freunde inzwischen gelernt. Während Dean seufzend die Gedanken an wissenschaftliche Erklärungen aus seinem Kopf verdrängte, hatte Tom schon wieder zu seinem typischen Sarkasmus zurückgefunden. „Tja, ich schätze, die Grundstückspreise sind hier in letzter Zeit drastisch gesunken“, stellte er trocken fest.
Gart befürchtete etwas ganz anderes. „Sagt jetzt bitte, dass wir die Hilfe der Eloon nicht brauchen, um weiterzukommen.“
Meister Reno vi´Eren seufzte. „Ich fürchte, den Gefallen kann ich dir nicht tun. Die Eloon schützen den zweiten magischen Zugang“, antwortete er ernst. „Ohne sie sitzen wir hier fest.“
Das mußte erst einmal verdaut werden.
„Ich liebe gute Nachrichten“, rief Tom und kickte einen kleinen Stein von dem Plateau in die Tiefe. Hilfesuchend sah er zu Gart hinüber, doch der konnte nur mit den Achseln zucken. So unsicher wie jetzt, war seine Rückkehr nach Medara noch nie gewesen. Zum ersten Mal erfuhr der Zwerg, was Heimweh bedeutete. Auch Myrana war im Moment alles andere als glücklich, dachte aber wie immer praktisch.
„Wenn wir diese Eloon brauchen, müssen wir sie eben finden. Sie können sich ja nicht in Luft aufgelöst haben“, verkündete sie mit unerschütterlichem Optimismus.
„Vielleicht sind sie ja umgezogen, dieses Ding da sieht ziemlich geräumig aus“, unkte Tom. Myrana sah ihn kühl an.
„Das glaube ich zwar kaum, aber da dieser schwarze Fels den Platz ihres Dorfes eingenommen hat, sollten wir dort mit unserer Suche beginnen.“
Gart nickte zustimmend. „Du hast recht. Also, worauf warten wir noch?“, knurrte er. Da niemand angesichts fehlender Alternativen, ernst zu nehmende Einwände vorbringen konnte, fügten sich alle mehr oder weniger begeistert ins Unvermeidliche. Irgendetwas mußten sie ja schließlich unternehmen. Im Gänsemarsch verließen sie das Plateau, Meister Reno vi´Eren, mit Wirdnix im Schlepptau, vorneweg.
Leider erwies sich der Abstieg als zeitraubender, als sie es vermutet hätten. Erst am späten Vormittag erreichten sie die Ebene. Hier war von der Zerstörung der Vegetation noch nichts zu bemerken, und in der Nähe murmelte sogar ein kleiner Bach, an dem sie ihre Wasservorräte auffrischten. Wäre der schwarze Felsen mit der bedrohlichen Burg in der Ferne nicht allgegenwärtig gewesen, hätte dies ein durchaus annehmbares Fleckchen Erde sein können. Dean, der während des gesamten Abstiegs erfolglos nach einer wissenschaftlichen Erklärung für die unerwartete Präsenz der Felsnadel samt Burg gesucht hatte, sprach Meister Reno vi´Eren darauf an. Der verzog verärgert das Gesicht.
„Wie das hier entstanden ist? Mit Magie, aber mit der falschen Art von Magie“, erklärte er, wobei ihm eindeutig anzusehen war, was er davon hielt.
„Falschen Art?“, echote Gart aufhorchend.
„Ja, mit der Magie der Finsternis.“
„Finsternis!“
Vor Schreck ließ Wirdnix fast das Zauberbuch fallen. Mit großen Augen musterte er die Burg in der Ferne als erwarte er, dass jeden Moment Heerscharen von Ungeheuern aus ihr hervorbrechen und die Jagdsaison auf Gnome für eröffnet erklären würden. Doch nichts passierte.
So weit man das von hier aus beurteilen konnte, regte sich dort nichts. Überhaupt war es in dem Tal verdächtig ruhig. Zu ruhig. Fast schien es so, als wären sie die einzigen Lebewesen weit und breit. Während Wirdnix ängstlich die Burg im Auge behielt, legte Dean zweifelnd die Stirn in Falten. An ein wenig Zauber hatte er sich ja mittlerweile schon gewöhnt, dass damit aber im wahrsten Sinne des Wortes auch Berge versetzt werden könnten, fiel ihm wirklich schwer zu glauben. Andererseits hatte er keine logische Erklärung hierfür parat und eine innere Stimme sagte ihm, dass es wahrscheinlich auch keine geben würde.
Tom kamen solche Gedanken erst gar nicht. Ob Magie der Finsternis oder Wissenschaft war ihm völlig egal. Lässig schlug er dem verängstigten Wirdnix auf die Schulter. „Ihr macht euch alle zuviel Gedanken“, versuchte er die anderen aufzumuntern. „Bisher haben wir jede Schwierigkeit gemeistert, da werden wir doch wohl auch noch mit der Magie der Finsternis fertig werden.“
Die Gefährten nickten zustimmend, auch wenn ihnen nicht ganz wohl dabei war. Mit verzagter Zuversicht schritt die Gruppe also wieder aus. Alle Hoffnung richtete sich auf das Auffinden der Eloon, doch von denen war keine Spur zu entdecken. Das Tal blieb still und verlassen. Zu allem Unglück hatten sie sich auch in der Entfernung gewaltig verschätzt; denn am Abend waren sie der ehemaligen Siedlung der Eloon immer noch nicht wesentlich näher gekommen. Enttäuscht errichteten sie in einem kleinen Hain das Lager für die Nacht.
Während des Abendessens, wurden die wildesten Mutmaßungen über den Verbleib der Eloon angestellt. Wirdnix wäre dankbar gewesen, wenn Tom wenigstens ein paar seiner Ideen für sich behalten hätte. Insbesondere die Vermutung, blutrünstige Vampire könnten hier ihr Unwesen treiben, hatte dafür gesorgt, dass er sich immer wieder umsah und hoffte, dass es nur seine Fantasie war, die dafür sorgte, dass die Schatten jenseits des Feuerscheins ein bedrohliches Eigenleben zu führen schienen. Dean hatte dem verängstigten Gnom zwar versichert, dass das alles Unsinn sei, allerdings hätte er das noch vor ein paar Tagen auch über die schwarzen Teufelchen gesagt. Selbst Baumbatz war ein wenig beunruhigt. Zweifelnd betrachtete er seine Keule. Vielleicht sollte er sie sicherheitshalber mit ein wenig Knoblauch einreiben.
Vorsorglich wurden Wachen für die Nacht eingeteilt. Zwar hatten sie tagsüber keinerlei Lebenszeichen registriert, was jedoch nicht heißen mußte, dass es hier kein Leben gab. Bekanntlich jagen etliche Lebewesen in der Nacht. Wer Wache hatte, wurde ausgelost. Tom war als erster mit der Wache an der Reihe, dann folgte Myrana und zum Schluß sollte Gart für die Sicherheit der Gefährten sorgen.
„Ich hoffe, du hast genug Knoblauch bei dir“, neckte Tom, der seine Wache aufnahm, den nervösen Wirdnix mit einem Augenzwinkern. Dann kehrte langsam Ruhe ein. Nur Wirdnix konnte nicht gleich einschlafen. In Gedanken war er noch immer mit der unheimlichen Burg und seinen mutmaßlichen, blutarmen Bewohnern beschäftigt.
- 4 -
In der wolkenverhangenen Nacht war die Burg nur schwer zu erkennen. Myrana, die gerade ihre Wache ableistete, konnte kaum Einzelheiten ausmachen. Müde saß sie an dem schwach glimmenden Lagerfeuer und versuchte, die trostlose Umgebung zu ignorieren und an etwas Erfreuliches zu denken. Leider fiel ihr nichts ein. Frustriert stellte die Waldelfin fest, dass noch nicht einmal das Zirpen einer Grille zu hören war. Die Gegend wirkte wie ausgestorben. Doch das sollte sich schneller ändern als ihr lieb war.
Unbemerkt stürzten sich in diesem Augenblick unheimliche Gestalten von der geheimnisvollen Burg in die Tiefe und glitten auf großen Schwingen elegant ins Tal hinab. Ausgestattet mit einem natürlichen Ultraschall und Augen, die es mit dem besten Infrarotgerät aufnehmen konnten, segelten sie sicher durch die Nacht und näherten sich in erschreckendem Tempo der ahnungslosen Myrana. In der Burg verfolgte der Magier Dark ihren Anflug in einem Hologramm, das in einer Glaskugel eingeschlossen war. Den ganzen Tag über hatte er schon die Präsenz einer fremden Magie wahrgenommen und glaubte, nun endlich die Ursache gefunden zu haben. Offenbar war es ein paar Fremden gelungen, den magischen Zugang zu dem verborgenen Tal der Eloon zu finden. Das war ungewöhnlich. Vielleicht war es aber auch nur ein Zufall und er machte sich unnütz Sorgen. Doch Dark war nicht der Mann, der an Zufälle glaubte. Seiner Erfahrung nach verbarg sich hinter ungewöhnlichen Ereignissen in der Regel mehr, als bloßer Zufall, und Dark wollte jetzt wissen, was es war. Die ausschwärmenden Dämonen sollten ihm wenigstens einen Gefangenen bringen, dann würde er schon herausfinden, warum es jemand wagte, in sein Reich einzudringen.
Die Dämonen, fledermausgleiche Wesen aus einer anderen Dimension, hatte Dark zusammen mit der gesamten Anlage im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Boden gestampft. Dark stammte aus der sagenumwobenen Zitadelle der Zauberer. Doch anders als seine Kollegen hatte er sich für die Künste der schwarzen Magie interessiert. Dem Mißtrauen seiner Kollegen war er stets mit dem Argument begegnet, dass ein guter Zauberer sich in allen Bereichen der Magie auskennen müsse. Doch spätestens, nachdem der erste heraufbeschworene Dämon blutrünstig die ehrwürdigen Zauberer durch die Gänge der Zitadelle gejagt hatte, um sie auf die Speisekarte zu setzen, war es auch dem geduldigsten Mitglied des Rates zu viel geworden, und Dark wurde mehr oder weniger freundlich aus der Zitadelle geworfen. Tobend vor Wut hatte er sich in dieses versteckte Tal zurückgezogen und in die Tat umgesetzt, was er schon so lange vorhatte – die uneingeschränkte Anwendung dunkler Magie. Das Ergebnis hatte ihn selbst überrascht. Eigentlich hatte er sich nur eine eigene Zitadelle heraufbeschwören wollen, doch mit der Burg und der Felsnadel war zugleich eine ganze Horde erschreckend feindseliger und unberechenbarer Wesen in diese Welt geraten. Sie nannten sich selbst Setaar und herrschten ihren Angaben zufolge in ihrer Welt grausam über beträchtliche Ländereien. Entsprechend verärgert reagierten sie daher, als sie sich durch Darks Zauberei unversehens in dieser Welt wiederfanden. Doch schnell erkannten sie das Potential, das ihnen die unverhoffte Reise brachte – die Eroberung eines ganzen Kontinents und die Unterdrückung und Ausbeutung ihrer Bewohner mithilfe ihrer Armeen und Söldner, wobei das verborgene Tal die ideale Ausgangsbasis bot. Um dies zu erreichen, benötigten sie eine ständige Verbindung zu ihrer Welt. Resolut hatten sie dies gefordert und Dark unmißverständlich klar gemacht, dass dieser sich im Falle fehlender Kooperationsbereitschaft damit anfreunden müßte, künftig seine Innereien nach außen zu tragen. Dark hatte aber keine Ahnung, wie er das bewerkstelligen sollte, denn die Beschwörung der Setaar basierte mehr oder weniger auf Zufall. Um sich unerfreuliche Schönheitsoperationen zu ersparen, entwickelte er eine blühende Fantasie und rechtfertigte auf immer haarsträubendere Weise seine bisherigen Mißerfolge auf diesem Gebiet. Entsprechend ungehaltener wurden die Dämonen von Woche zu Woche. Gerne hätte Dark sie wieder dahin zurückgeschickt, wo sie herkamen, doch der Zauberspruch „Scotty, Energie“ funktionierte leider nicht. Auch ansonsten schienen die Dämonen relativ resistent gegen Zaubersprüche zu sein, was die unerfreuliche Konsequenz hatte, dass ihm die unliebsamen Gäste wohl oder übel erhalten blieben. Wenigstens die Eloon hatten ihm keine Schwierigkeiten bereitet. Diese hatten sich gleich nach dem ersten Beben der Erde in alle Winkel des Tales verkrochen und Dark hatte später nur die Dämonen auffordern müssen, sie einzusammeln. Gleichzeitig hatte er auch sämtliche Vorräte konfiszieren lassen. Die gebeutelten Talbewohner durften nun in den Gewölben der Burg für ihn und seine zweifelhaften Kompagnons kochen und sonstige Dienste leisten. Die Stimmung war damit bei allen Beteiligten auf dem Nullpunkt angelangt.
Die Eindringlinge boten da eine willkommene Gelegenheit, die Setaar von ihrem eigentlichen Problem für eine Weile abzulenken. Außerdem konnte er es kaum abwarten, zu erfahren, was hinter diesem Eindringen wirklich steckte. Gespannt verfolgte er daher den Anflug im Hologramm. Neben ihm stand der Anführer der Setaar. Die riesigen Schwingen hatte der gut zwei Meter große Dämon um seinen hageren Körper geschlungen, so dass es aussah, als würde er einen weiten schwarzen Mantel tragen. Der Kopf mit den spitzen, pelzbesetzten Ohren und der langen Schnauze, pendelte unruhig hin und her, während er den Anflug beobachtete. Leise klickten die Fußklauen auf dem Boden, während er näher an das Hologramm herantrat.
„Ich verssstehe immer noch nicht, wiessso Ihr einen Gefangenen braucht?“, fragte er zischend und präsentierte Dark sein prächtiges Gebiß. Der machte ein möglichst selbstsicheres, abweisendes Gesicht und warf würdevoll seine rote Robe über die Schulter, bevor er antwortete: „Sie könnten der Grund für die magische Störung sein, die es mir bisher unmöglich gemacht hat, eine Verbindung zu Eurem Reich herzustellen.“
„Hmmm.“ Der Setaar fuhr seine beachtlichen Klauen an der biegsamen rechten Flügelspitze aus und kratzte sich nachdenklich die Schnauze.
„Ich hoffe, Ihr wissst, wasss Ihr tut! Wir wollen endlich Erfolge sssehen, sssonssst passsiert demnächssst etwasss höchssst Unerfreulichesss mit Euch.“
„Was denn?“, fragte Dark möglichst oberflächlich, während er heftig ins Schwitzen geriet. Der Setaar sah ihn mit seinen geschlitzten, roten Augen ein paar Sekunden schweigend an, dann sagte er:
„Vielleicht tesssten wir Eure Flugfähigkeit.“
Myrana ahnte immer noch nichts von dem, was in Kürze über sie hereinbrechen sollte. Lautlos jagte der erste Dämon von hinten heran, doch in letzter Sekunde spürte sie instinktiv die drohende Gefahr und rollte sich seitlich ab. Ein Wutschrei entfuhr dem Angreifer, als er seine Beute um Zentimeter verfehlte. Das genügte, um die anderen Gefährten aus dem Schlaf zu reißen.
„Wir werden aus der Luft angegriffen!“, schrie die Elfin aufgeregt, während sie ihren Bogen spannte. Wirdnix warf sogleich eine Blick gen Himmel und wurde mit dem Anblick einer Alptraumkreatur belohnt, die ihn im Sturzflug angriff. Sofort fielen ihm Toms farbenfrohe Vampirschilderungen wieder ein. Vor lauter Panik war er zu keiner Regung fähig. Doch zu seinem Glück hatte sein Angreifer den Troll völlig übersehen, der ebenfalls von dem Lärm hoch geschreckt war und sogleich die Flugbahn des Setaar mit einem lässigen Schlag seiner Keule korrigierte. Der getroffene Dämon überschlug sich mitten im Flug und landete mit einem hässlichen Geräusch kopfüber in einer Dornenhecke. Glücklich streichelte Baumbatz seine Keule. Offenkundig tat sie auch ohne Knoblauch ihren Dienst.
„Du solltest Fluglotse werden“, rief Tom, der seinerseits mit gezogenem Schwert zur Abwehr bereit stand. Auch Dean war aufgesprungen und hielt sein Schwert wie ein Prügel in beiden Händen, während er aufmerksam den Himmel beobachtete. Gart hielt vorsichtshalber einen gebührendem Abstand. Wenn Dean ein Schwert in der Hand hielt, konnte man nicht sicher sein, ob er dem Feind nicht aus Versehen die Arbeit abnehmen würde.
Inzwischen war auch der mit einem tiefen Schlaf gesegnete Meister Reno vi´Eren endlich wach geworden.
„Was zum Teufel ist denn hier los?“, fragte er erstaunt.
„Wir werden angegriffen“, erwiderte Myrana.
„Baumbatz hat einen erledigt.“ Tom zeigte auf den unglücklichen Setaar, der kopfüber in dem Dornbusch hing. Der Troll zerrte den Verunglückten gerade rücksichtslos heraus.
„Ein Dämon!“, entfuhr es Meister Reno vi´Eren erschrocken als er sah, was Baumbatz erwischt hatte. Der war enttäuscht. Anscheinend hatte er doch keinen Vampir erlegt.
„Was soll der Unsinn?“, fragte der Troll verärgert, während er den hilflosen Dämonen wie einen Cocktailbecher hin und her schüttelte, doch der war nicht in der Lage zu antworten. Eine Begegnung mit Baumbatzs Keule sorgte in der Regel für eine gewisse Einschränkung der wesentlichen Motorik und so grinste der unglückliche Dämon nur weggetreten vor sich hin. Baumbatz ließ ihn verärgert wieder fallen.
„Laß ihn, paß lieber auf!“, riet ihm Tom. In diesem Augenblick griffen die Setaar erneut an.
„Ich glaube, sie kommen aus der Burg“, rief Meister Reno vi´Eren, während er Deckung unter den tief herab hängenden Ästen eines nahen Baumes suchte, unter dem schon der zitternde Wirdnix saß. Erfreut registrierte der Zauberer, dass der Gnom das Zauberbuch in Sicherheit gebracht hatte. „Gut gemacht“, lobte er ihn.
Inzwischen tobte der Kampf in vollen Zügen. Myrana deckte die Setaar unaufhörlich mit einem Pfeilhagel ein. Doch die Dämonen waren phantastische Flieger und verfügten über ein erstklassiges Reaktionsvermögen. Der Elfin gelang es einfach nicht, ein paar gute Treffer zu erzielen. Die wenigen Pfeile, die mehr zufällig trafen, durchlöcherten lediglich die ledrige, widerstandsfähige Flughaut.
Die Setaar hatten sich inzwischen ein Opfer ausgesucht. Von dem grimmigen Zwerg mit der riesigen pfeifenden Axt hielten sie sich vorsichtshalber fern. Auch die Menschen mit ihren Schwertern erschienen ihnen nicht lohnenswert. Interessanter war da schon die Elfin, die dauernd versuchte, sie vom Himmel zu holen. Immer wieder griffen sie an, aber das Glück schien auf der Seite der Gefährten zu sein. Doch die Dämonen waren ausdauernd.
Zwischenzeitlich blätterte Meister Reno vi´Eren eifrig in seinem Zauberbuch. „Ich glaube, wir werden beobachtet“, fluchte er. „Ich kann es fühlen.“ Schließlich leuchteten seine Augen erfreut auf, als er endlich die richtige Seite fand. Sogleich begann er, die Zauberformel zu zitieren, wobei er seinen Blick auf die Burg richtete.
Während Meister Reno vi´Eren Formeln hinunter betete, lieferten sich die restlichen Gefährten eine heiße Schlacht mit den geflügelten Dämonen. Dean, der mit seinem Schwert in der Gegend wild herumfuchtelte, war dabei für die umstehenden Kameraden eine größere Gefahr, als die angreifenden Setaar. „Hey, paß gefälligst auf! Du bist hier nicht als Scharfrichter angestellt“, knurrte Gart ärgerlich, der beinahe einen beträchtlichen Teil seiner Barttracht eingebüßt hätte. Dean sah ihn beleidigt an. Sooo schlecht war er nun auch wieder nicht. Neben ihm tobte sich Tom mit seinem Schwert aus. Leider erfolglos. Dafür bedachte er die Setaar mit einer Flut von Schimpfworten, die sogar dem hartgesottenen Zwerg die Schamröte ins Gesicht trieben.
Währenddessen betrachtete Dark das Manöver in seiner Kristallkugel. Zu seiner Verärgerung hatten die Setaar immer noch keinen Erfolg erzielt. „Deine Leute sind unfähig“, fuhr er den neben ihn stehenden Setaar an.
„Geht doch losss und macht esss besssser“, kam es scharf zurück. „Ihr könnt doch nur in Eure nutzsslossse Kugel ssschauen.“ Im selben Moment leuchtete diese derart grell auf, dass beide geblendet die Augen schlossen. Gerade noch rechtzeitig; denn im nächsten Moment explodierte sie. Hunderte von Glassplittern schossen durch den Raum und die Geblendeten konnten von Glück sagen, dass sie nur ein paar blutende Schnittwunden abbekamen. Als sie die Augen wieder öffneten, sahen sie zunächst nur leuchtende Punkte und Sterne auf der Netzhaut. Insbesondere der nachtaktive Setaar war fast blind. Wütend starrte Dark auf den Platz, an dem eben noch seine Kugel gestanden hatte. Nun war ihm jede Möglichkeit genommen, das Geschehen weiter zu verfolgen. „Ich hatte recht, es ist Magie im Spiel“, fluchte er vor sich hin.
Meister Reno vi´Eren lehnte sich zufrieden zurück. Er hatte gespürt, dass sein Zauberspruch erfolgreich gewesen war. „Die erste Runde geht an mich“, flüsterte er triumphierend.
Die Schlacht hatte inzwischen ihren Höhepunkt erreicht. Baumbatz, der erbost darüber war, dass er mit seiner Keule keine weiteren Treffer erzielen konnte, hatte seine Taktik geändert und warf den Angreifern nun alles entgegen, was er in die Finger bekommen konnte. Auf diese Weise wurden sämtliche umliegenden Steine, die Kochutensilien, der bewußtlose Setaar und beinahe sogar Wirdnix zweckentfremdet. Der ungewöhnliche Beschuß brachte die Dämonen leicht aus dem Konzept. Nun mußten sie nicht nur den hartnäckigen Pfeilen ausweichen, sondern auch noch aufpassen, dass ihnen keine Töpfe oder Pfannen an den Kopf flogen. Allmählich wurde Ihnen bewußt, dass sie unterlegen waren. Entschlossen mobilisierten sie ihre letzten Kräfte, und diesmal hatten sie Erfolg. Myrana, die nur für einen kurzen Moment unachtsam war, wurde förmlich der Boden unter den Füßen weggezogen. Einem Seetar war es gelungen, mit seinen Krallen ihren auf dem Rücken befestigten Lederköcher zu packen. Erschrocken schrie sie auf, als sie sich rasant vom Boden entfernten, doch im allgemeinen Kampfeslärm hörte sie, mit Ausnahme der Seetar, die über ein ausgezeichnetes Gehör verfügten, niemand. Mit einer eleganten Wendung drehten sie ab und verschwanden lautlos in der Nacht. Ihr Plan war aufgegangen.
„Sieg!“, brüllte Tom begeistert.
„Denen haben wir es gegeben“, grollte Gart zufrieden.
„Habt ihr mitbekommen, wo ich den bewußtlosen Dämon hingeworfen habe?“, fragte Baumbatz, der sich besorgt nach seiner Trophäe umsah.
„Ich glaube, der ruht sich mal wieder aus“, informierte ihn Wirdnix und zeigte mit dem Daumen in Richtung des schon arg in Mitleidenschaft gezogenen Schlehdornbusches. Viele Dornen waren nicht mehr dran. Glücklich machte sich Baumbatz sogleich daran, seine Trophäe wieder herauszuzerren.
Dean fiel als erstem auf, dass etwas nicht stimmte. Beunruhigt sah er sich um, bis er plötzlich bemerkte, dass die lebhafte Elfin nicht anwesend war.
„Wißt ihr, wo Myrana geblieben ist?“, fragte er besorgt. Doch niemand hatte etwas gesehen. Lautstark riefen daraufhin alle nach der Elfin, erhielten aber keine Antwort.
„Ich fürchte, Myrana ist uns schon einen Schritt voraus“, sagte Meister Reno vi´Eren schließlich bedauernd.
Und nun....
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Klaus-Peter Behrens
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.10.2009.
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