Silvia Pommerening

Fett schwimmt immer oben




Erwachsene: 7 Euro
Kinder: 3 Euro
Kinder unter 4 Jahren frei
Bla bla bla bla....



Das Kleingedruckte lese ich nie. Und schon gar nicht bei einem
Schwimmbadbesuch.
Alles, was ich wissen muss, weiß ich.
Erwachsene: 7 Euro
Ganz normale Eintrittspreise für ein ganz normales Schwimmbad.
Obwohl ich sieben Euro doch für etwas übertrieben halte.
Sicher, es wird einem auch viel geboten. Vier große Schwimmbecken, plus zwei weitere Salzwasserbecken, eines davon im Außenbereich, beides Warmwasserbecken. Drei Ruheräume, einen Fitnessraum mit mehreren Solarien, eine 30-Meter-Rutsche für die Großen, ein Kinderbecken mit der „Teufelsrutsche“, einen Meter hoch und 1.65 Meter lang, für die Kleinen. Klingt teuflisch gefährlich, oder? Und zu alle dem gibt es noch eine zweistöckige Saunalandschaft!
Ach, und natürlich die fünf Schwimmmeister nicht zu vergessen!
Übrigens: Wussten Sie, dass die sich nicht mehr Bademeister nennen -klang ihnen wohl zu primitiv! - Schwimmmeister heißen die jetzt. Ich persönlich fände
„Titten - Arschglotzmeister“ am treffendsten.
Aber mal ehrlich, wer kann dieses Angebot überhaupt an einem einzigen Vormittag nutzen?

Egal. Ich bin fest entschlossen und zahle brav an der Kasse die sieben Euro, binde mir den Eintrittsbändel um mein Handgelenk und freue mich endlich mal wieder, in Ruhe Planschen zu gehen.
Ich glaube, seit mein „Ich“ durch ein „ MEIN SOHN und ich“ ersetzt wurde, war ich nicht mehr alleine schwimmen. Ganze drei Jahre lang! Ehrlich gesagt, es wäre übertrieben von Schwimmen zu reden. Ich bin im Wasser eher wie ein Flusspferd. „Bloß nicht bewegen“ ist meine Devise. Sicher kann ich schwimmen, aber warum sollte ich, wo man doch im Becken noch stehen kann? Bin ich etwa am absaufen? –nein! Also!
Man kann sich ja am Rand festhalten und die Beine etwas baumeln lassen...
Und genau das werde ich jetzt machen. Nachdem ich mich umgezogen und die heiligen Hallen der „Titten – Arschglotzer - und - dabei – auch – noch – dumm – grinsen - Meister“ betreten habe, entschließe ich mich, erst mal eines der zwei Warmwasserbecken aufzusuchen. Denn eigentlich bin ich außer faul auch noch ziemlich verfroren. Und es gibt wirklich nichts Schöneres als sich in einem 25 Grad warmen Salzwasserbecken mal so richtig zu entspannen. Vielleicht verbringe ich sogar den kompletten Vormittag, Luis ist nämlich endlich im Kindergarten, einzig und allein in den Warmwasserbecken. Mal sehen...
Ich habe mich als erstes für das Becken im Freien entschieden. Herrlich. Die haben hier sogar so etwas wie eine Liege unter Wasser gebaut. Schön körperformgerecht, mit Griffen, um sich unter Wasser zu halten, und einer super bequemen Kopfstütze aus Schaumgummi. Rechts und links massieren zwei Düsen meinen Rücken und die Sonne scheint mir ins Gesicht, bei einer angenehm frischen Au-ßentemperatur von ca. fünf Grad.
Einfach herrlich.
Früher fand ich das Wort „herrlich“ sehr altmodisch und schämte mich immer, wenn meine Mutter irgend etwas als „herrlich“ bezeichnete. Jedoch würde „cool“ hier einfach nicht herpassen. Nein, herrlich beschreibt es besser.
Leider bemerke ich, dass sich eine Wolke vor meine herrliche Sonne schiebt und die herrlich frische Außentemperatur von fünf Grad ohne Sonneneinstrahlung sehr schnell unangenehm kalt um die Nase wird. Da ich heute Morgen keine Lust habe in irgendeiner Weise Kompromisse einzugehen, was einen gelungenen und entspannenden Badeaufenthalt betrifft, verziehe ich mich sofort durch die Schleuse ins Innere des Schwimmbades. Leider muss ich feststellen, dass es hier nicht das gleiche Angebot gibt wie im Außenbereich. Doch da: In der Mitte des runden Beckens sehe ich einen Strudel.
Zügig, eben so zügig wie man sich unter Wasser bewegen kann, steuere ich den brodelnden Wasserhaufen an, da ich mir diesen keinesfalls „Arsch an Arsch“ mit einem anwesenden Rentner teilen möchte.
Ich stelle mich sofort demonstrativ in die Mitte und versuche irgendwie das Gleichgewicht zu halten, um mein soeben erobertes Revier gegen Eindringlinge zu verteidigen. Leider ist die Sache anstrengender als ich erwartet hatte.
Und Anstrengungen hatte ich in den letzten drei Jahren genug. Ich möchte mich hier ja erholen. Da sich das Becken in den letzten fünf Minuten sowieso auffallend schnell gefüllt hat, entscheide ich mich, die drei Ruheräume ausfindig zu machen. Wobei, einer würde mir ja schon reichen...
Ich schiebe mich also zwischen den Damen und Herren vorbei, jedesmal mit einem netten „Morgen“ auf den Lippen, und frage mich, ob ich meinen Lebens-abend wohl auch im Wasser verbringen werde, mit Gesprächen über Prostataleiden und Krampfadern?
Ein äußerst trostloser Gedanke, wie ich finde.
Plötzlich bemerke ich, dass ein „Hüter in Badelatschen“ die Halle betreten hat.
Oder heißen die jetzt etwa „Rettungsschuhe“?

„Einen wunderschönen guten Morgen die Herrschaften!“ begrüßt er die
Fossilienrunde.
„Oh Schreck“, schießt es mir durch den Kopf. Denn erst jetzt fällt mir auf, dass mein Slalomlauf gar keine Einbildung war. Seine „Herrschaften“ hatten sich ganz gezielt mit einem gewissen Abstand voneinander im Becken verteilt.

„Na, alle soweit fertig? Dann können wir ja loslegen!“ meint er mit einem hämischen Grinsen, das ich in diesem Moment weder auf meinen Hintern noch auf meine Oberweite zurückführen würde, sondern eher auf meinen vermutlich äußerst dämlichen Gesichtsausdruck.
Plötzlich beginnen die Wasserfluten zu toben, denn eine Horde wild gewordener Greise fängt an, wie blöde auf der Stelle zu trampeln und wie verrückt mit den Armen zu rudern. Und ich mittendrin.
Da ich bei einem Fluchtversuch neben dem ein oder anderen Kinnhaken vermut-lich auch noch spöttische Blicke ernten würde, halte ich es für das Beste, mich der Herde anzuschließen. Die Alten, vor allem aber dieser aufgeblasene „Schleimbeutel“ sollen bloß nicht von mir denken, ich würde mich vor so einem lächerlichen Geplansche drücken wollen. Ich kann, wenn es sein muss, zu konditionellen Hochformen auflaufen.
Gedacht, getan.
Ich fange ebenfalls an zu „marschieren“, denn ich bin der Überzeugung, dass dieses Gezappel wohl nicht länger als höchstens eine viertel Stunde gehen kann, da das Durchschnittsalter die Sechzigergrenze weit überschreitet.
Außerdem bezweifele ich, dass sich „Mr. Baywatch“ im Notfall noch an eine Herz-Lungen-Wiederbelebungsmassage erinnern würde, falls er jemals überhaupt davon gehört hat.

„Aber das ist dann sein Problem“, denke ich mir und merke, wie ich gerade mein Eigenes bekomme. Da ich mich, wie schon geschildert, seit drei Jahren nicht mehr im Wasser bewegt habe, fangen meine Arschbacken nach etwa zehn Minuten Auf-der-Stelle-Stampfen wirklich an zu brennen. Und ich bekomme Krämpfe in meinen Fingern vom ewigen „Auf und zu, und auf und zu, ...“
„So ihr Lieben, hoch das Bein und eins, und zwei, und drei... Na, die Jugend wird doch wohl nicht Schlapp machen?“ wirft er mir rüber.
„Arsch!“, denk ich mir.
Er macht zwar auch die ganze Zeit mit, aber unter Wasser ist das alles dreimal so schwer. Mindestens! Die Dame neben mir schaut mitleidig herüber: „Alles nur Übung, hier gibt es jeden Montag eine Stunde lang das gleiche Programm, das hält jung, sag ich ihnen.“
„Das glaube ich aufs Wort!“ ist das Einzige, was ich außer Hecheln noch über die Lippen bringe. Ich weiß nicht wie, aber irgendwie habe ich diese Höllenstunde tatsächlich überlebt. Dieser Kerl hat aber auch kein Körperteil verschont gelassen.

Zum Glück habe ich noch einige Pfunde mehr auf den Rippen als nötig. Und Fett schwimmt ja bekannterweise immer oben. Ansonsten wäre ich wohl als einzige der „Herrschaften“, und das ist das Frustrierende, abgesoffen.

Ich entscheide mich, nach der Stunde sofort die Heimreise anzutreten, denn wer weiß, was mich noch im Ruheraum erwarten würde. Vielleicht Stellwände zum Thema: „Fettarme Ernährung“
Unter einem erholsamen Vormittag hatte ich mir irgendwie etwas anderes vorgestellt. Und zu allem Überfluss plärrt es auf der Heimfahrt aus dem Autoradio:
„Tell me why, I don´t like mondays...“


PS.: Manchmal sollte man eben doch das Kleingedruckte lesen:

Jetzt neu!!! Wassergymnastik jeden Montag von 10.00 – 11.00 Uhr
im Warmwasserbecken

„Sie finden das jetzt wohl herrlich, wie?“


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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.12.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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