Hans Pürstner

INRI 2.0 Teil 18

Joshua nahm einen Schluck Wasser und fuhr fort:

Als zwölfjähriger Junge lernte ich Sathya Baba, eine weisen Mann aus Goya kennen. Er half mir dabei mit meinen rätselhaften nächtlichen Erscheinungen fertig zu werden, mit dem Gefühl, anders zu sein als die Menschen die ich kannte. Er erzählte mir von seinem Weg, die Erleuchtung zu suchen und gefunden zu haben. Vieles an seiner buddhistischen Lehre hat mich angesprochen damals. Und als ich mit dem Abitur fertig war entschloss ich mich Psychologie und als Nebenfach vergleichende Religionswissenschaften zu studieren.

Aber in keiner der Glaubenssätze der fünf großen Weltreligionen habe ich irgendeinen Satz gefunden, der seine Anhänger zu einem Kampf aufgerufen hätte, die Lehre mit Gewalt zu verbreiten und durchzusetzen. Dies war immer erst eine Erfindung von verblendeten Anhängern, die irgendetwas falsch verstanden oder ausgelegt haben.

Im Grunde genommen könnte man die Quintessenz aller Glaubensgrundsätze auch mit unseren allbekannten Sprichwörtern beschreiben.

Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu! = Nächstenliebe

Der Klügere gibt nach= Pazifismus

Man sägt nicht den Ast eines Baumes ab, auf dem man sitzt. =Umweltbewusstsein

Alles hat sein Für und Wider =Toleranz

Alles Gute kommt von oben =Gottesfürchtigkeit

 

Ärgere dich nicht, dass die Rosen Dornen haben, sondern freu' dich, dass die Dornen Rosen haben

=Positives Denken

Diese Grundsätze ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Religionen die ich kennengelernt habe. Aber kein Wort über Gotteskrieg, hass und Gewalt!

Ein zustimmendes Gemurmel zog sich durch die Menge der Zuhörer. Joshuas Freunde, die ihn seit einem Jahr begleitet hatten begannen nun sich unter den Konzertbesuchern zu verteilen und bildeten kleine Grüppchen, die das eben Gehörte eifrig diskutierten. Besonders Yehuda gab sich größte Mühe, weitere Mitstreiter zu akquirieren.

Kommt doch zu unserer nächsten Versammlung, Leute. Wir treffen uns am kommenden Sonntagnachmittag im Zelig Club in der Innenstadt von Haifa. Joshua möchte eine landesweite Organisation aufbauen, die sich zum Ziel setzt, den jahrzehntelangen Kampf zwischen Juden und Palästinensern endlich zu beenden. Dazu ist ihm jedes Mittel recht, solange es gewaltlos abläuft”

Unbemerkt war Joshua zu der Gruppe gestoßen, er war erfreut zu sehen, wie seien Getreuen sich bemühten, seine Ideen weiterzuverbreiten. Besonders Yehuda schien sich in letzter Zeit besonders anzustrengen.

Ich hoffe, ihr fühlt euch wohl hier bei diesem schönen Fest, Freunde” rief er ihnen zu.

Ja, Joshua, bis jetzt war das alles ganz interessant” meinte eine junge schwarzhaarige Schönheit. “Auch die Musik war super! Aber langsam kriegen wir doch etwas Hunger und vor allem Durst. Leider waren wir nicht so schlau wie viele Andere, die sich etwas mitgebracht haben!”

Die Enttäuschung war ihr anzusehen. Joshua blickte sich verstohlen um, ob Mirjam in der Nähe war, bevor er sich zu ihr setzte um sich etwas näher mit ihr zu unterhalten.

Wie heißt du denn, schönes Kind?” fragte er und lächelte sie an.

Ich bin Conny, komme aus Chadera, wo ich die Demokratische Schule besuche”

Ach, das ist so was wie Summerhill in England, nicht wahr?” fragte Joshua interessiert nach.

Ja, das Besondere bei uns ist, dass jeder Schüler sich frei in der Schule bewegen kann, solange er die Freiheit anderer nicht einschränkt oder gegen von der Gemeinschaft beschlossene Regeln verstößt. Einer unserer Lehrer hat mir von dir erzählt. Er ist auch hier auf dem Festival, ich hab ihn aber nur kurz vor Beginn gesehen. Dein Vortrag hat mich sehr beeindruckt, ich würde gerne öfter an euren Versammlungen teilnehmen”

Du bist immer willkommen, Conny, Yehuda wird dir alles Nähere erläutern” sprach er und ging weiter zu einer anderen Gruppe.

Nachdem Joshua auch bei vielen anderen das Fehlen von Verpflegung als einzigen Kritikpunkt an der Veranstaltung mitgekriegt hatte, ging er zurück in das kleine Organisationsbüro im Wohnwagen von Sally und fragte

Wann kommen eigentlich die Leute mit dem Wein und den Holzkohlengrills. Ich denke, es gibt gegrillten Fisch?”

Das ist ein ganz schöner Flop” stöhnte Sally, “der LKW kam erst nicht durch den Stau, und jetzt stellt sich heraus, dass sie viel zu wenig Sachen mitgebracht haben. Die trauen sich gar nicht, mit dem Grillen anzufangen, weil sie fürchten, dass es eine Riesenstreit um die Verteilung der paar Fische geben wird.”

Joshua machte ein nachdenkliches Gesicht und antwortete

Ich hab da eine Idee, einer meiner Freunde hat doch einige Wasserpfeifen mitgebracht. Wir mischen etwas Qat unter den Tabak, dann spüren sie den Hunger nicht mehr und wir können den Fisch verteilen. Den Wein mischen wir einfach mit zwei Teilen Wasser, dann reicht er für alle. Nach dem Qatrauchen schmecken die den Unterschied eh nicht mehr!”

Sally grinste nur und gab den Auftrag an eine Mitarbeiterin weiter, die sofort zum Lastwagen eilte und die Leute instruierte.

Tatsächlich ging Joshuas Idee auf, keine halbe Stunde später hatten die Wasserpfeifen die Runde gemacht und dadurch dass ohnehin zahlreiche Besucher ihre Joints mitgebracht hatten, breitete sich langsam aber sicher eine Stimmung aus, die man sonst nur in Opiumhöhlen im arabischen Teil kannte.

Obwohl die Fische und das Brot gerade mal für hundert Leute gereicht hätte, sah man alsbald tausende von Konzertbesuchern trinken und schmatzen, dass es eine Freude war.

Damit ging auch die Veranstaltung langsam ihrem Ende zu und die meisten Leute rollten sich in ihre mitgebrachten Schlafsäcke um alsbald friedlich zu schlummern.

Nur Joshuas Helfer machten nochmal die Runde und sammelten die Reste ein.

Alle waren überrascht, denn es waren noch jede Menge Brote übriggeblieben.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.10.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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