Hella Schümann

Der Spiegel erzählt- gestern und heute

  Als ich noch klein war, so ungefähr sieben Jahre alt, durfte ich bei meinem Großvater einmal die Messingtür-griffe mit Sidolin putzen. Leider gab es nur acht Griffe und ich polierte und polierte, denn sie hatten es wirklich nötig. Diese mattgoldenen Dinger fingen plötzlich an zu glänzen wie pures Gold.

Ich sah mich um, was ich noch blank machen könnte, die Wasserhähne zum Beispiel und den kleinen runden Spiegel, der auf der Kommode stand. Er hatte einen silbernen Rand und ein silbernes Gestell. Ein kleines Mädchen schaute mich daraus an, mit vor Eifer geröteten Wangen.

Ich war fast fertig mit der Arbeit, als ich noch einmal lächelnd in den Spiegel schaute. Da fuhr mir so ein Schreck in die Glieder, dass ich fast den Spiegel fallen ließ.Ich hatte nämlich auch das Glas poliert, auf der Vorder-und auf der Rückseite und plötzlich hatte der Spiegel einen riesigen Mund und riesige weiße Milchzähne mit Zahnlücken, so wie ich. Der Spiegel sagte mir, ich hätte einen dummen Fehler gemacht, als ich das Glas reinigte, ich hätte das Spiegelbild verdorben.

Erst viele Jahre später erfuhr ich, dass mit dem Spiegel meines Großvaters alles in Ordnung war. Es war nämlich ein Rasierspiegel und jeder Rasierspiegel hat eine Seite, die vergrößert.

Wenn ich heute in den Spiegel sehe, erzählt er mir von einer älteren Frau, bei der immer wieder die grauen Haare zum Vorschein kommen, die oft müde Falten trägt und dann so alt aussieht, wie sie wirklich ist, nämlich siebenundfünfzig Jahre alt.

Doch, wenn ich das Licht ein wenig dimme und meine Brille nicht aufsetze, dann lügt der Spiegel. Er zeigt mir eine junge, dynamische Frau und  so fühle ich mich dann auch erst einmal, bis zum nächsten Blick in den Spiegel... vielleicht erst morgen.

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