Jessica Neus

Teeniegeflüster






Am
nächsten Morgen lag ich- ich wusste nicht mehr, wie genau ich dort
hingekommen war- quer über Stefans Bett. Eigentlich schlief ich –
mehr, um den Anstand für seine streng gläubige Mutter zu wahren als
aus eigenem Entschluss - im Gästezimmer.

Eigentlich. Offenbar
heute nicht.
Spitzbübisch
grinsend lag er auf der Seite und sah mich an.
„Hey,
Sonnenschein.“ Er gab mir einen Kuss auf die Nase. „Gut
geschlafen?“
„Wundervoll.
Ich bin... verwirrt. Wie komm' ich denn hier her?“
Ich
hatte eine böse Vorahnung, wusste aber nicht ob ich das geträumt
hatte.
Er
drehte sich halb und sagte: „Ich bin mir nicht sicher; glaub' aber
durch die Tür!“
„Frühstück?“,
fragte er, glücklich, grinsend und griff unter das Bett, wo er ein
Frühstückstablett hervor zog und es zwischen uns stellte.
Ich
roch Kaffee- und auf einen Schlag war ich richtig wach.
„Das
steht aber nicht seit dem Tag da unten, an dem du die Letzte hier
dabei hattest?“
Ich
tat, als müsste ich zögern, sah erst ihn zweifelnd, dann das
Frühstück abschätzend an.
„Meinst
du, dann könnte man die Brötchen noch essen? Ne is alles gaanz
frisch.“
„Und
ich hoffe, dass du da unten auch ab und zu mal aufräumst und sich
der Staub nicht häuft.“
Wir
aßen schweigend.
„Was
hast du für heute geplant?“
„Keine
Ahnung. Wollte dich fragen. Wir könnten mit Sebastian was machen.
Der hat einen Nar­ren an dir gefressen.“
Sebastian
war der dreijährige Sohn seiner Schwester. War dass zu fassen? Er
war schon Onkel!

Gerne!“, ich freute
mich, weil ich den kleinen Quälgeist sehr mochte. Wir hatten am Tag
zuvor ein paar Stunden die Ehre auf den kleinen aufzupassen und ich
mochte ihn auf anhieb. Nicht so, wie man kleine Kinder eben mag, weil
sie so klein uns putzig sind. Eben anders. Wie einen Freund, der nur
noch etwas zu klein geraten war.
„Oder
wir bleiben noch ein wenig liegen“, schlug er vor, dieses Mal mit
einem Unterton in der Stimme, dem ich kaum widerstehen konnte.
„Auch
nicht schlecht.“
Ich
schmiegte mich an ihn um ihm zu zu zeigen für welche Variante ich
mich entschieden hatte.
„Was?
Nicht schlecht? Ich bitte dich! „Der Hammer!“ würde ehr passen!“
Als
wir aufgegessen hatten stand ich auf- und stellte fest, dass ich voll
angezogen war. Ich trug meine Sweatshirtjacke, nur die Schuhe fehlten.
Etwas
erleichtert, weil ich mich offensichtlich nicht von der Euphorie des
gestrigen abends zu etwas dummen habe verleiten lassen, das auch hier
in seinem Bett geendet hätte, sah ich ihn fragend an.
„Ich
wollte dich nicht ausziehen. “
„Wie
bist du überhaupt in die Verlegenheit gekommen, dich mit dieser
Frage zu beschäftigen?“
„Na
ja... als ich dir gesagt habe, dass ich dich liebe- übrigens: ich
liebe dich- hast du, na ja, dir den Kopf angeschlagen.“
„Was?
Das musste du mir genauer erklären!“
„Na
ja, ich wollte dich küssen, du wolltest mich küssen... es war
dunkel...du hast einen ver­dammt harten Schädel. Meiner brummt
jetzt noch.“
„Ich
bin mir sicher, daran ist nicht mein Schädel, sondern dein
Alkoholverschleiß von gestern Abend schuld“, ich kicherte.
Er
seufzte. „Auf jeden Fall warst du Ohnmächtig und ich wollte dich
nicht allein lassen.“
Etwas
verspätet, so als ob es ihm erst jetzt auffiel, sagte er: “Ich
sagte doch, dass ich nicht jeden Tag eine kleine Sechzehnjährige
verführe, also ist es ja logisch, dass ich dich nicht ausziehe. Erst
recht nicht, wenn du besinnungslos daliegst. Weil wenn ich schon
anfang', dann richtig.“, er grinste breit.
„Entschuldigung.“,
meinte er dann etwas kleinlaut, als ich begann, ihn mit Kissen zu
bewerfen.
„Wofür
genau?“ So leicht wollte ich es ihm dann doch nicht machen...
„Für
meine blöden Sprüche. Und dafür, dass ich dich dann einfach
mitgenommen habe. Ich war betrunken- ich kann heute nur aus den Augen
schauen, weil ich den Jahresvorrad Aspirin einer Apotheke genommen
habe- Wenn dir das zu nahe geht, hier zu schlafen, dann tut es mir
Leid.“
„So
ein Quatsch. Ich hab mich nur gewundert, warum ich angezogen bin.“,
ich überlegte kurz. Wenn er dumme Sprüche machen konnte, dann kann
ich das auch. „Ich kann mir nämlich was angenehmeres vorstellen,
was ich mit dir in einem Bett machen kann, als angezogen schlafen.“,
ich legte eine kleine Pause ein, um abzuschätzen, wie weit ich noch
gehen konnte, „Schlafen aus jeden Fall nicht!“, ich sah, wie sich
seine Augen weiteten und genoss den Augenblick, den er mich ungläubig
anstarrte, „Du schnarchst, Schatz.“
„Du...das
war verdammt schwer.“
„Zu
schnarchen?“, hackte ich ungläubig nach.
„Nein,
du-“
„Danke
für das Kompliment, ich bin mir sicher, du bist auch kein
Fliegengewicht.“, unterbrach ich ihn.
„Dich
meine ich doch gar nicht. Sondern betrunken die Finger von dir zu
lassen.“, dieses um­werfende Lächeln, dass mich immer wieder
aufs Neue aus dem Hinterhalt überfiel, raubte mir den Atem.
„Ich
rechne es dir hoch an, dass du besoffen immer noch ein anständiger
Kerl bist.“ ich machte eine lange Pause, „Was denkt eigentlich
deine Mutter von mir? Ich meine, ich bin sechzehn und schlafe mit
meinem zweiundzwanzigjährigen Freund in einem Bett. Ich will nicht,
dass sie einen schlechten Eindruck von mir hat.“
„Keine
Angst. Meine Mutter mag dich schon deswegen, weil ich dich liebe. Und
mein kleiner Bruder (ich musste grinsen; sein kleiner Bruder war
neunzehn) würde dich selbst anmachen, wärst du nicht mit mir
zusammen.“
Dann
gab es noch seine Schwester mit dem kleinen Sebastian. Sein Vater war
tot.
„Du
weichst meiner Frage aus; denkt sie, dass wir, na ja...“
„Sie
denkt gar nichts. Sie denkt, dass du schon brav in deinem Zimmer
liegst. Beruhigt dich das?“
Ja,
das tat es. Ich mochte seine Mutter und kannte ihre strengen
Ansichten. Natürlich wollte ich keinen schlechten Eindruck machen.

Nicht, dass ich
abgeneigt wäre... aber bevor wir... es muss ja niemand denken, dass
wir... wenn wir gar nicht...
Ich
lief rot an; verwarf den Gedanken, zu sagen, was mir durch den Kopf
ging.
„Ach
komm. Spuck's aus, bevor du platzt!“, flüsterte er belustigt. Er
kannte mich einfach zu gut.
„Na
ja, ich dachte gerade, dass... dass es die Sache einfacher machen
würde, wenn... wir Sex hätten. Dann gäbe es nichts zum
missverstehen.“
„Das
ist doch nicht dein Ernst!“, er sah mich ungläubig an, „du
willst mit mir schlafen, damit es niemand missversteht wenn du hier
bist?“
„Nein.
Ich will mit dir schlafen, weil ich dich liebe!“, stellte ich klar,
„Ich wusste nur nicht, wie ich mich ausdrücken soll.“ Es war das
erste Mal, dass ich diese berühmten drei Worte gebrauch­te und
sie kamen mir leichter über die Lippen, als ich es für möglich
gehalten hätte.
„So,
klingt's nicht mal schlecht!“, kommentierte er grinsend.
„Was?
Nicht schlecht? „Der Hammer“ würde ehr passen.“, zitierte ich
ihn.
„So
klingt's echt wundervoll!“, er nahm meine Hand und zog mich wieder
ins Bett, „Aber fühl' dich nicht dazu... gedrängt. Du kannst
jederzeit hier schlafen. Die anderen dürfen denken, was sie wollen.“
„O.K.“
Aber meine Entscheidung stand schon fest.
„Ich
bin froh, dass mit meinen Freunden alles wieder O.K. ist.“,
versuchte er unauffällig das Thema zu wechseln.
„Wieso?
Was war denn los?“
„Ich
war mal mit Carmen zusammen. Sie ist die Schwester von Simon.“, die
Schwester des Rotfuchses, seines besten Freundes, folgerte ich, „und
dann, hab ich schlussgemacht. Ich... ich hätte nicht gedacht, dass
er es mir so lange übel nehmen würde.“
„Wieso
hast du denn Schlusssgemacht?“
„Na
ja, ich hab dir ja gesagt, dass ich versucht habe mich nicht noch mehr in dich zu verlieben.“, er atmete tief durch, „das, war nicht ganz die
Wahrheit. Ei­gentlich ja doch. Also, ich hab mich in dich
verliebt und wollte es nicht wahrhaben, weil ich mit ihr zusammen
wahr. Und dann, dann hast du auf einmal nicht mehr mit mir geredet
und das hat mich wahnsinnig gemacht. Ich konnte an nichts anderes
denken als an dich. Ich hab Treffen mit ihr abgesagt, um auf das
Konzert zu gehen, um dich umzustimmen... und, da ist mir aufgefallen,
dass du mir wichtiger bist als sie. Das die Freundschaft mit dir mir
viel wichtiger ist als die Beziehung mit ihr. Und da hatte ich ein
schlechtes Gewissen. Als ob ich sie hintergehe. Und deswegen hab ich
zu ihr ge­sagt, dass es aus ist. Und ich bin mir schlecht
vorgekommen, als du dachtest, ich hätte dir was mit Tisha
verheimlicht. Weil ich dir ja was verheimlicht hatte. Aber, ich
wollte dich nicht verlie­ren, weshalb ich nichts gesagt habe. Es
war ja zu dem Zeitpunkt schon aus.“
„Ah
ja. Ist schon O.K.“ Ich konnte es nicht fassen. Hat er tatsächlich
ein schlechtes Gewissen?
Oder
warum hat er auf einmal einen Laberanfall und versucht es mir zu
erklären?
„Du
dachtest ja auch, das ich es dir nicht gesagt habe, weil du nicht
wichtig genug für mich warst. Es war genau anders herum. Du warst
mir zu wichtig. Obwohl wir nur befreundet waren, wollte ich für dich
trotzdem mehr sein“
Ich
unterbrach ihn mit einem Offensivangriff, indem ich ihn das Wort mit
einem Kuss abwürgte.
„Würdest
du jetzt aufhören dich zu rechtfertigen? Ich liebe dich, hörst du?
Ich brauche dich! Als du mich das erste Mal geküsst hast, bin ich
mir vorgekommen, wie ein Blinder, der zum ersten mal die Sonne sieht.
Du musst mir das nicht erklären. Wichtig ist nur, das wir jetzt
zusammen sind.“
Er
sah mich mit großen Augen an; auf seinen Lippen ein breites Grinsen;
er beugte sich zu mir herunter und flüsterte: „Du liebst mich?“
Neu
war das Gefühl nicht. Aber er war es nicht gewöhnt, dass ich so
offen darüber spreche.
Deshalb
wahrscheinlich dieses...überraschte, zufriedene und zugleich
umwerfende Lächeln, das mir für einen Moment den Atem raubte.
„Ja.“,
flüsterte ich schlicht und legte meine Kopf wieder an die Beuge
zwischen seinem Schlüsselbein und seinem Hals.

Es
war ein schöner Abend und wir waren bei seiner Schwester Sophie zum
grillen eingeladen.
Der
kleine Simon war bereits vor dem essen völlig verausgabt auf meinem
Schoß eingeschlafen, nachdem er mich dazu genötigt hatte, mit ihm
Fußball zu spielen, was allerdings ehr tapsig vonstatten gegangen
war.
„Ich...glaube
du solltest jetzt schlafen gehen.“,versuchte er mich zu bremsen,
als ich begann Stefan auszuziehen.
„Nein,
glaub mir, ich weiß, was ich will!“
„Aber
weißt du auch, ob ich es will?“, fragte er ein wenig kleinlaut,
denn der Beweis zeichnete sich deutlich unter seiner Hose ab.
„Äh,
ja, ich glaub das weiß ich ganz gut!“, kicherte ich.



 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.11.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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