Ramona Jährling

Der rebellische Zahn

 

"Oh man", meckerte Rick der kleine, gerade mal sieben gewordene Junge seine Zahnbürste zum hundertsten Mal an. "Wieso muss ich jeden Tag Zähne putzen"? Die Mutter sagte dieses Mal nicht dazu. Sie sah wohl, dass er nur schnell mit der Zahnbürste durch seinen Mund flitzte aber sie tat, als hätte sie es nicht bemerkt. Nur die ellenlange Predigt vom Zahnteufel musste er über sich ergehen lassen. "Was sie nur immer will", dachte Rick. "Meine Zähne sind doch ganz". Natürlich spürte er noch nicht wie sich der kleine Teufel ganz hinten im letzten Zahn häuslich eingerichtet hatte. Dort konnte er sich beruhigt nieder lassen. So weit hinten putzte Rick nie. Der kleine Teufel brauchte aber von Tag zu Tag mehr Platz in seiner Wohnung. Und so fing er an seine gemütliche Zahnbehausung tiefer auszubuddeln. Er hatte nicht viel Mühe damit. Schließlich konnte er in Ruhe arbeiten. Da war keine Zahnbürste, die ihm immer wieder alles zerstörte. Eines Abends, als Rick auf der Rinde seines Vollkornbrotes kaute, zuckte er zusammen. Was war das?! Ein stechender Schmerz durchbohrte seine Wange. So weh hatte nicht mal sein Knie getan, als er beim Fußball gestürzt war. Vorsichtig aß er sein Brot fertig. Es war schon lange her, dass er sich so still am Tisch verhielt. An diesem Abend ging er sogar freiwillig ins Bad und putzte emsig all seine Zähne. "Sollte die Geschichte vom Zahnteufel etwa wahr sein", dachte er sich. "Nun, wenn ich ihn heraus putze, hab ich vor ihm Ruhe". Aber so einfach war das nicht. Der Teufel hatte schon viel zu tief gegraben. Und mit all dem Schmutz und den Essensresten , den vielen kleinen süßen Leckereien, die nach dem Zähneputzen noch übrig waren, hatte er seine Wohnung herrlich eingerichtet. Rick ging heute mit einem flauen Gefühl im Magen schlafen. Für einen kurzen Moment waren die Zahnschmerzen verschwunden. Aber blieb das so, bis er einmal erwachsen war? Ständig musste er an seinen Zahn denken. Er sagte auch nichts, als die Mutter ihm ein Gute Nacht Küsschen gab. Glücklicherweise schlief er auch sehr gut ein. Erst spät in der Nacht wachte er auf. Der Schmerz trieb ihm die Tränen in die Augen. Leise winselnd schlich er zu seiner Schwester hinüber und bat sie um Hilfe. Doch sie wusste auch keinen Rat. Liebevoll nahm sie ihn in die Arme und tröstete ihn. Der Morgen war noch so weit weg und der Schmerz war kaum noch auszuhalten. Nun nahm der kleine Bursche all seinen Mut zusammen und schlürfte durch die Stube zum Schlafzimmer der Mutter. Er wusste genau, dass sie ihm die Geschichte vom bösen Zahnteufel noch einmal erzählen würde. Aber er wollte alles über sich ergehen lassen wenn sie ihm nur half den Schmerz zu überstehen. Sachte weckte er sie auf. "Mama, Mama". Verschlafen hob die Mutter den Kopf vom Kissen. Ihre Haare standen in alle Himmelsrichtungen und Rick musste schmunzeln bei diesem Anblick. Sie hatte sich schon gedacht, dass einmal dieser Tag kommen würde. Also war sie auch nicht all zu überrascht als Rick ,seine Wange haltend, vor ihrem Bett stand. Die Geschichte musste er sich nicht noch einmal anhören. Statt dessen holte die Mutter eine Schüssel mit kaltem Wasser und kühlte die ganze Nacht mit einem nassen Tuch seinen schmerzenden Zahn. Gleich am nächsten Morgen gingen sie gemeinsam zum Zahnarzt. Der machte dem Teufel den Garaus und reparierte den Zahn des kleinen Jungen. Rick hatte natürlich nicht an den Zahnteufel geglaubt. Das tat er auch nach diesem Erlebnis nicht. Aber ob er je wieder seine Zahnbürste fragte, "Wieso muss ich jeden Tag Zähne putzen"?

( by Ramona Jährling )

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