Jürgen Berndt-Lüders

Neandertalers Morgenwunsch

Letzt fühlte ich mich so jung, dass ich im Traum ein paar Jahrtausende zurück versetzt wurde. Damals hieß ich Enk Ix, weil zu der Zeit keine Namen mit Konsonanten begannen.

 

Nach kurzer Wanderung erreichte ich eine Höhle, vor der ein Feuer brannte. Eine Gruppe von 28 Neandertalern, Männer, Frauen und Kinder war eben dabei, aufzuwachen und den Tag zu beginnen.

 

Asa (die Chefin) kochte einen Tee aus Kräutersud, während sich Unu (der Chef) nach einer passenden Bettgenossin umsah. Schon damals schienen alte Männern frühmorgens den

höchsten Testosteronspiegel zu haben.

 

Asa: „Geh in die Umzäunung und bespring’ eine Ziege. Unsere Mädels sind alle schwanger. Oder komm zu mir, wenn du noch 5 Hahnenschreie Geduld hast. Ich befriedige dich mit links.“

 

Unu: „Lügen, nichts als Lügen. Äbä und Nünü haben sich bloß mit Rhababer eingerieben und riechen deshalb sauer, damit ich nicht auf sie komme. Denkst du, ihr könnt mich betrügen?“

 

Asa: „Äbä und Nünü sind deine Töchter. Lass die Finger von denen. Außerdem sind sie Lolo und Bebe vom Säbelzahntiger-Clan versprochen. Sonst liegen deine Knochen irgendwann in deren Ecke. Wie gesagt: komm zu mir. Ich muss nur noch umrühren, weil ich nie was anbrennen lasse.“

 

Unu: „Wolltest du nicht längst beim Pilzesammeln in der Steppe bleiben? Hier will dich keiner mehr. Den Tee können auch andere kochen. Und wer dich wollte, könnte auch eine unförmige Seekuh lieben.“

 

„Auch die ältere Generation der Frauen hat ein Anrecht auf Liebe, auch wenn sie am 14. Tag zwischen den Vollmonden nicht mehr so aufregend duften wie früher“, wandte ich ein.

 

Unu zeigt mit dem Daumen über die Schulter auf Asa: „Duften? Die Alte stinkt mir. Nimm du sie doch.“

 

Asa hob die Augenbrauen. „Meinetwegen komm, Enk Ix. Bei Unu hätte  ich die Augen geschlossen. Bei dir lasse ich sie offen.“

 

„Wegen der Romantik“, lästerte Unu.

 

„Nee, weil ich dich dann nicht sehen muss.“

 

Aus der Tiefe der Höhle näherten sich zwei pubertierende Mädchen. Sie hatten die Hände hinter dem Rücken, senkten die neugierigen Augen und schaukelten verlegen mit den Hüften.

 

„Dürfen wir zusehen, Asa?“

 

„Beeilt euch lieber mit Wachsen“, rief Unu frustriert. „Ihr seid spätestens in zwei, drei Jahren dran.“

 

„Diese Mädels sind auch deine Töchter“, rief Asa böse. „Früher warst du hinter jedem Fetzen Fell her und konntest keine schnell genug schwanger kriegen, und jetzt sind sie alle mit dir verwandt.“

 

„Ich wandere aus“, rief Unu frustriert und kroch unter seiner Wollnashorn-Decke hervor. „Mir fehlt das Frischfleisch, und beim Riesen-Faultier-Clan fehlen die Männer. Da liegen sie.“

 

Er zeigte auf einen Haufen Knochen links neben dem Höhleneingang.

 

Das äußere Erscheinungsbild seiner allmorgendlichen Lust hatte sich gelegt. Aber dass er den Clan verließ,  konnte Asa nicht zulassen. Keiner der jungen Jäger konnte so geschickt dem Wild auflauern und Felsbrocken auf die Höhlenbären und Mammuts kippen wie Unu. Sie seufzte einsichtig.

 

„Au weia“, rief sie in das Höhleninnere. Eine Vierzig-plus-Frau mit rundem Gesicht, blauen Augen und blonden Haaren kam in demütiger Haltung von hinten. Ihr Anblick erinnerte mich an die Neuzeit.

 

„Au weia?“ fragte ich erstaunt. „Soll das ihr Name sein?“

 

„Au weia ist unser Au pair Mädchen. Eigentlich ist sie eine Homa sapiens sapiens aus Deutschland, eine aussterbende Spezies, aber für grobe Arbeiten ist sie gerade  gut genug“, rief Asa.

 

Sie kommandierte: „Au Weia, zuerst stellst du Unu zufrieden, dann leerst du die Straußeneier-Hälften aus, die als Nachttopf gedient haben und dann liest du mir die Parasiten aus den Haaren. Aber schmeiß die nicht wieder weg. Die sind die reinsten Eiweiß-Bomben.“

 

Au Weia rannte los. Ich schnitt ihr den Weg zu Unu ab und redete auf sie ein.

 

„Einen Scheiß Job hast du“, flüsterte ich. „Komm, wir hauen ab, ich nehme dich mit in die Neuzeit.“

 

„Gut“, flüsterte Au weia zurück. „Aber erst stelle ich Unu zufrieden, ja?“

 

Ich wunderte mich. Ehe ich mich zuende gewundert hatte, wachte ich auf.

 

Welche Homo Sapiens Sapiens-Frau  ist schon so dumm und befriedigt zuerst noch einen alten Mann, für den sie die Dienerin gespielt hat, ehe sie vor der Hölle ihres Alltags flieht? Ich dachte immer, für viele sei es die Hölle, ihren alten Mann zufrieden stellen zu müssen...

 

Oder ist das heute noch so? Kann mir das eine erklären?

 

 

Ich denke, dass sich weder dieses demütige Verhalten der Frauen gegenüber den Männerwünschen noch die Ansprüche der Männer gegenüber Frauen im Laufe der Jahrtausende verändert haben.Jürgen Berndt-Lüders, Anmerkung zur Geschichte

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