Gaby Schumacher

Wir räumten das Feld: Wohin Tierliebe so führen kann, grins

 

Ich entschließe mich, mein Haus mit mehr Leben zu füllen. Mit nur vier zweibeinigen und drei vierbeinigen Kindern ist es mir noch viel zu still. Deshalb zieht das Wellensittichpärchen Brabbeli und Clowni in mein 40-qm-Wohnzimmer ein und begeistert mich den ganzen Tag über mit seinem wohlklingendem Kreischen, so dass ich mich nach noch mehr davon sehne. Deshalb spendiere ich ihnen eine Luxusvoliere, unterteilt in Spiel-, Bade-, Schlaf- und zusätzlich einem Kinderzimmer. So verliebt, wie Brabbeli und Clowni stundenlang schmusen, ist dies unbedingt anzuraten. Die Zwei findet den Wink mit dem berühmten Zaunpfahl große Klasse und machen mich zur mehrfachen Vogel-Adpotivomi. Die temperamentvollen Kleinen wachsen rasch. Der Familienrat ist einer Meinung:
"Die brauchen mehr Platz!"

Einige Tage später ist das Wohnzimmer total umgeräumt. Vor der breiten Fensterfront stehen dicht an dicht in extra großen Kübeln riesige Pflanzen mit tollen Ästen zum Klettern. An den zahlreichen Blumenampeln baumeln kleine Schaukeln und Glocken zum Bimmeln. Die sind besonders wichtig, damit der mit dem zunehmenden Alter des Vogelnachwuchses stetig anwachsende Krach wenigstens eine melodiöse Komponente bekommt. Wir stellen mehrere Badehäuschen für die Plantschfanatiker unter den Vögeln auf und selbstverständlich ein großes Plastikschalenschwimmbecken fürs gemeinschaftliche Familienbad, in dem sich die gefiederten Freunde dann den halben Tag lang vergnügen. 
 
Aus Liebe zu den Schlingeln verzichte ich auf ein paar Kochtöpfe und spendiere zusätzlich noch winzige Puppenkochlöffel dazu. Brabbeli und Clowni danken es mit einem unablässigen Trommelwirbel und meine Ohren mir für die dann eilig erstandenen Ohrstöpsel. Ausrangierte Klo- sowie Küchenpapierrollen fördern das Versteckspiel und lassen sich zudem prima durch die Gegend stupsen. Mitten im Raum lädt eine Holzeisenbahn mit zahlreichen Waggons den Wellensittichnachwuchs zu Erkundungsrundfahrten ein. Mama Brabbeli und Papa Clowni schnappen sich die an der Lok befestigte Kordel und ziehen die Kinderschar stolz und enorm geduldig kreuz und quer durch den Raum. Die Kleinen danken mit fröhlichem Quietschen.
 
Der Berberteppich ist verschwunden. Stattdessen schmückt - es soll ja sauber zugehen - ein extra breites Kuchenblech mit aufgelegtem Kunstrasen den Boden. Damit der nicht rum rutscht, habe ich ihn ringsum mit Tesafilm fixiert und vergesse geflissentlich die Anzahl der Rollen, die dafür drauf gegangen sind. In der hintersten Zimmerecke versteckt sich unter einer Palme dezent das Klohaus.  Die Kleinen kapieren es zum Glück recht fix und nutzen es artig.

In einem solchen Vogelparadies bleibt es ja nicht aus: Brabbeli und Clowni sorgen fleißig für noch mehr Nachwuchs. Der tut es ihnen nach und immer so weiter ... Mittlerweile tummeln sich bereits gefiederte Enkel, Urenkel und sogar Ururenkel im Erdgeschoss. Inzwischen nicht mehr ausschließlich dort, sondern sie haben uns bereits zwei der Jugendzimmer in der oberen Etage abgeluchst und beschäftigen sich dreist mit der Eroberung des dritten. Macht ja nichts, es gibt ja noch ein viertes, in dem wir Zweibeiner dann hausen wie die Ölsardinen in der Büchse - zumindest noch eine kurze Galgenfrist lang. Eine sehr kurze, wie es sich herausstellt, denn bald wird uns selbst diese Rückzugsmöglichkeit genommen.
 
Schon seit geraumer Zeit beobachten die befreundeten Nachbarn aus dem Nebenhaus die Entwicklung im Haus mit wachsender Sorge, nicht etwa um uns, sondern ausschließlich um das Wohl der gefiederten Schar.
´Artgerechte Haltung muss sein` , was wir dann nächtelang diskutieren.
Das Ergebnis der Unterredungen schlägt sich nieder in einer wirklich ausdrücklich eindrücklichen Aktion. Unsere Wohnzimmer befinden sich Wand an Wand. Dort schaffen wir einen Decken hohen, mindestens drei Meter breiten Durchbruch. Schließlich sollen all unsere Lieblinge ohne jegliche Beulen durchpassen. Die Nachbarn greifen unsere Wohnzimmereinrichtungsideen auf, ein zweites Vogelparadies entsteht. Beruhigten Gewissens und strahlender Miene sehen wir den Kleinen dabei zu, wie sie jubelnd ihr neues Reich erobern.
 
Doch unsere Freunde von nebenan erleiden das gleiche Schicksal wie wir und verlieren ebenfalls die Herrschaft über ihr Heim. Aber, weil sie genauso tierlieb sind wie wir, nehmen sie ebenfalls alles klaglos in Kauf. Ohne uns vielleicht doch gegen die kecke Invasion zur Wehr zu setzen, legen wir widerspruchslos unsere Haushalte zusammen und stellen die eleganten Möbel im Keller auf. Dann genießen wir den wahrlich äußerst romantischen Ausblick auf zerfledderte Pappkartonberge und schlafen sitzend auf dem Boden.
 
Gott sei Dank war es nur ein verrückter Traum ... 
 

.

 

 

 

 

 

 

   

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.12.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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