Hans Pürstner

INRI 2.0 Teil 19

Ein paar Tage später um die Mittagszeit im Haus von John Butterbloom, genannt Big Joe

Danke, dass du uns den Raum zur Verfügung stellst, John. Hier in Nesher haben wir es gar nicht soweit von Haifa, aber wir sind doch ungestörter.” Joshua zwinkerte ihm zu, es war ihm nicht entgangen, dass gewisse staatliche Stellen ein Auge auf seine Versammlungen geworfen hatten.

Ihr zwölf seid meine besten Freunde und zuverlässigsten Helfer. Ich hoffe sehr, dass wir genügend Anhänger mobilisieren können für unser Anliegen. Es kann doch nicht sein, dass seit Jahrzehnten in unserem Land sich zwei Gruppen unversöhnlich und voller Hass gegenüberstehen. Ich bin sicher, es gibt einen Weg für Juden und Palästinenser, in Frieden miteinander zu leben. Aber dabei ist es unumgänglich, dass man Toleranz zeigt, aufeinander zugeht und nicht eine der beiden Gruppen versucht, alle seine Wünsche durchzusetzen, ohne Rücksicht auf den Anderen. Was meinst du dazu, Jehuda?”

Ich denke, wir Juden sollten den Anfang machen, nach dem Motto der Klügere gibt nach!

Palästinenser sollten im gesamten Staatsgebiet die gleichen Rechte bekommen, Häuser bauen oder kaufen können, Geschäfte betreiben und so weiter.”

Genau, so sehe ich das auch!” antwortete Joshua. Er wunderte sich etwas über die Wandlung seines Freundes. Bis vor kurzem hatte er zwar Joshuas Vorträgen über Toleranz und Frieden aufmerksam gelauscht, aber sobald das Thema auf die Palästinenser kam, äußerte er sich ziemlich abfällig über sie, die immerhin Landsleute waren, im gemeinsamen Staat Palästina. Doch seit ein paar Tagen schien er ihm wie ausgewechselt zu sein. Doch Joshua ließ sich nichts anmerken und fuhr fort.

Nur wenn unsere Brüder die gleichen Rechte haben können sie vernünftig für ihre Familie sorgen. Ein anständiges Dach über dem Kopf zu haben, seinen Beruf ausüben oder Geschäfte betreiben zu können ist die Voraussetzung dafür, dass die Extremisten in ihren Reihen die Grundlage verlieren für ihr schändliches Treiben!”

Einige seiner Freunde nickten beifällig, aber die meisten guckten doch etwas skeptisch. Nur Jehuda klatschte begeistert.

Ich finde, wir sollten alle in die Likud Partei eintreten, die “Höhle des Löwen”. Nur wenn wir dort Überzeugungsarbeit leisten, wird sich wirklich etwas ändern. Natürlich dürfen wir da nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, sonst schließen sie uns sofort wieder aus. Zuerst spielen wir ihr Spiel mit, und sobald wir in der Partei einigermaßen anerkannt sind, können wir unser Anliegen voranbringen. Was haltet ihr davon?”

Erwartungsvoll blickte er in die Runde.

Ich finde, es ist besser, mit Demonstrationen mehr Anhänger zu finden, Joshua!” rief Big Joe

In seinem Gesicht konnte man die geringe Begeisterung über das eben Gehörte ablesen.

Ich habe Verständnis für eure Skepsis, Freunde”, antwortete Joshua. “So etwas will gut überlegt sein. Lasst uns alle noch etwas darüber nachdenken und bei unserer nächsten Versammlung in zwei Wochen entscheiden wir uns dann. Vielleicht hat ja bis dahin jemand einen besseren Vorschlag.”

Da betrat Talya, die Frau von Big Joe, den Raum. In der Hand ein großes Tablett mit dampfenden Schüsseln voll leckerer Suppe.

Mann, hab ich einen Hunger”, rief Daniel erleichtert, als er sah, dass es endlich was zu essen geben würde. Daniel war erst neunzehn Jahre alt und damit der jüngste in der Gruppe um Joshua. Da er es kaum noch erwarten konnte, übernahm er die Aufgabe, die Suppenteller und Löffel zu verteilen. Joshua nahm die großen Pitabrote und teilte sie in handgerechte Stücke.

Lasst uns dankbar sein, dass wir genug zu essen haben”, sagte er “und dass wir unsere Familien ernähren können. Vielen unserer Brüder ist dies nur schwer möglich!”

Er gab nun jedem ein Stück Pita und alle stürzten sich heißhungrig auf die Hühnersuppe.

Talya hatte inzwischen auch zwei große Tonkrüge mit Weißwein gebracht und einige Karaffen mit Wasser. Joshua hob sein Glas und prostete ihnen zu. “Ich verspreche euch, wenn ihr mir vertraut, wird es bald Gerechtigkeit geben in unserem Land. Auch für die Palästinenser!”

Es war ein wunderschönes Bild, wie sie da alle an einer großen Tafel saßen, Maria aus Magdala an der Seite von Joshua und Yehuda an seiner anderen Seite. Alle aßen, tranken und schwatzten fröhlich.

Danach drängte Joshua zum Aufbruch.

Wir haben doch versprochen, unseren Freund Yonatan im örtlichen Krankenhaus zu besuchen. Seine Frau Shira hat mich gestern angerufen und gesagt, dass er in den nächsten Tagen am Knie operiert werden soll, etwas am Meniskus glaube ich”

Er dankte John für die Gastfreundschaft und Talya für das gute Essen und dann gingen sie nach draußen wo alle in ihre geparkten Autos stiegen, Joshua und Maria nahmen im Landrover von John Platz.

Nach kurzer Fahrt erreichten sie den Parkplatz der Klinik und stiegen aus. Am Eingang der Notfallambulanz war eine große Schlange von Menschen zu sehen, einige blickten interessiert auf die Neuankömmlinge, froh darüber, früher angestanden zu sein.

Mein lieber Mann, gleich zwölf neue Patienten, gut dass wir schon eher hier waren!” rief einer der Wartenden.

Ist das nicht Joshua?” meinte ein anderer. “Man erzählt sich ja wahre Wunderdinge von ihm!” Er verlagerte sein Gewicht auf die linke seiner beiden Krücken und winkte den Neuankömmlingen zu.

Joshua, ich habe gehört, du kannst Lahme wieder zum Gehen bringen und Blinde zum Sehen?” Ungläubig aber doch hoffnungsvoll schaute er Joshua an, der inzwischen näher gekommen war.

Nein, mein Freund, ich bin nicht einer dieser Wunderheiler und Scharlatane! Ich kann weder das eine noch das andere. Nur Gott kann das. Und zwar nur dann, wenn du hundertprozentig daran glaubst. Ich weiß ja nicht, welches Leiden bei deinem Problem zu Grunde liegt.

Vielleicht kann dir auch nur kurzzeitig geholfen werden. Aber es ist einen Versuch wert, auch wenn du nur ein paar Schritte ohne deine Krücken laufen kannst. Bist du bereit, es zu wagen?”

Fängst du mich auf, wenn ich doch fallen sollte?” rief der alte Mann ängstlich.

Nein, denn wenn du fürchtest zu fallen, dann glaubst du nicht wirklich daran,” rief Joshua ärgerlich” “Wirf deine Krücken weg und komme zu mir, es sind ja nur ein paar Meter. Glaube fest daran, dann wirst du nicht fallen"

Mittlerweile hatten auch einige Patienten Warteschlange Warteschlange sein lassen und bildeten neugierig einen Kreis um sie.

Der zerlumpte alte Mann blickte ängstlich in die Runde und traute sich nicht so recht.

Glaube!” rief Joshua ihn aufmunternd zu und der Mann ließ seine Krücken fallen. Mit ungläubigem Blick sah er zu seinen Beinen herunter, sah wie sie sich vorwärts bewegten.

Schritt für Schritt wurde er sicherer und bald hatte er die ihm hilfreich zugewandten Hände von Joshua erreicht.

Ich konnte laufen, Joshua, das erste Mal seit zwanzig Jahren!”

Siehst du, mein Bruder, was man erreichen kann, wenn man ganz fest glaubt!” sagte Joshua zu ihm. “ Nun geh wieder zurück in die Schlange und vertraue deinem Arzt. Wenn du ihm so vertraust wie du mir soeben geglaubt hast, wird er dir helfen können, besser mit deinem Leiden zurechtzukommen!”

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Hans Pürstner, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.12.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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