Klaus-Peter Behrens

Das Tor zwischen den Welten, Teil 35

 

In den unteren Gängen der Burg herrschte derweilen emsige Betriebsamkeit. Überall standen Eloon zusammen und tauschten leise Informationen aus. Die Gefangennahme der Elfin hatte sich rasend schnell herumgesprochen. Vielleicht war sie ja die Kundschafterin einer Armee, die nur darauf wartete, sie zu befreien. Die Eloon waren bereit, sie so gut es ging zu unterstützen. Bisher hatten sie es nicht gewagt, sich ihren Peinigern zu widersetzen. Mit einer Durchschnittsgröße von hundertsechzig Zentimetern und einem Durchschnittsgewicht von fünfzig Kilogramm konnten sie den riesigen, gefährlichen Setaar, außer ihrer Anzahl, wenig entgegensetzen und dann gab es da ja auch noch den Zauberer. Nein, wenn sie schon kämpfen mußten, dann nur, wenn es Erfolg versprach. Dieser Moment schien nun gekommen. Offensichtlich waren die verhassten Dämonen auf Widersacher gestoßen, die ihnen zumindest ebenbürtig waren, und das machte den Eloon Mut. Sie mußten irgendwie versuchen, von der Elfin Informationen zu erhalten.
Kurze Zeit später schritt eine weibliche Eloon mit einem Tablett den dunkeln Gang entlang, in dem Myranas Zelle lag. Vor dem mürrischen Wächter blieb sie stehen und trug berechnend schüchtern ihr Begehren vor.
„Ich bringe Essen für die Gefangene“, flüsterte sie leise mit gesenktem Kopf.
„Wer hat gesssagt, dassss die Gefangene etwasss braucht?“, zischte der Setaar zurück und nahm sich ein Stück Fleisch vom Teller. Der Eloon lief es kalt den Rücken hinunter. Unter dem Essen war eine Nachricht für die Elfin verborgen, von der nun eine Ecke zu erkennen war. Würde der Setaar noch einmal zugreifen, würde er sie gar nicht übersehen können. Über die Konsequenzen mochte sie lieber nicht nachdenken. „Ich weiß es nicht, irgendjemand befahl das, vielleicht Ihr Anführer. Ich kann es ja wieder wegbringen und dies Eurem Chef mitteilen“, bluffte sie. Der Setaar schluckte. Allein die Aussicht, einen Befehl des schlecht gelaunten Anführers mißachtet zu haben, war erschreckend. „Ssschon gut“, lenkte er ein und schloß widerwillig die Tür auf. „Aber komm sssofort wieder herausss.“
Die Eloon betrat die Zelle, wo sie auf eine erstaunte Myrana traf.
„Ich will sofort hier heraus“, verlangte diese sofort energisch. Die Eloon winkte beruhigend mit der linken Hand, während sie mit der rechten das Tablett vor ihr abstellte. „Ihr solltet Euch zunächst ausgiebig stärken“, sagte sie in beschwörendem Tonfall und versuchte, Myrana mit den Augen einen Hinweis auf die Nachricht zu geben, wohl wissend, dass der Setaar hinter ihr stand und alles mißtrauisch beobachtete. Myrana schaute auf das Tablett und ihre Augen wurden groß, als sie sah, was da unter dem Essen hervorstach. Beinahe hätte sie sich verraten. Der Setaar interpretierte dies zum Glück nur als Freude über das aufgetragene Essen. „Loss, rausss jetzsst“, befahl er der Eloon, die daraufhin demütig den Raum verließ. „Und du mach ja keinen Ärger“, riet er Myrana, die kaum ihren Blick von dem Tablett abwenden konnte. Was hatte der Zettel wohl zu bedeuten?

Etliche Stockwerke tiefer war die Atmosphäre inzwischen gelinde gesagt angespannt. Die Freunde konnten vom Glück sagen, dass der Drache zu verwirrt war, um sie gleich zu rösten. Tom wagte als erster den Vorstoß.
„Hallo Bruder, schön, dass du uns mal besuchen kommst“, versuchte er die Wogen zu glätten.
„So, findest du. Soll ich dir mal sagen, was ich davon halte?“, fauchte der Drache und versengte dabei mit seinem feurigen Atem die spärliche Vegetation, die sich bis dahin noch tapfer am Fuß der Felsnadel gehalten hatte. Vorsichtig traten die Freunde ein paar Schritte zurück.
„Nicht nötig, ich kann’s mir vorstellen“, versicherte Dean, von dessen angesengten Schuhspitzen leichter Rauch aufstieg.
„Wir waren auch nicht gerade begeistert, als wir hier landeten. Aber gegen schwarze Magie ist man eben machtlos“, seufzte Meister Reno vi´Eren, der umsichtig das Zauberbuch zugeschlagen und Wirdnix in die Hand gedrückt hatte. Der sah jetzt noch unglücklicher aus.
„Ihr betreibt schwarze Magie?“, staunte der Drache. „Das würde allerdings das Aussehen von dem da erklären“, knurrte er nachdenklich und wies mit dem Rest seines Frühstücks auf Wirdnix, der sofort bleich wie eine frisch gekalkte Wand wurde.
„Nein, wir betreiben keine schwarze Magie“, bemühte sich Meister Reno vi´Eren zu versichern. „Bei den Betreibern dieser Anlage hier bin ich mir allerdings nicht so sicher.“
Mit diesen Worten zeigte er auf die steil aufragende schwarze Felswand, die der Drache musterte, als würde er sie erst jetzt registrieren.
„Ihr hoffe, Ihr könnt das präzisieren, sonst endet ihr als Nachtisch!“, drohte er.
„Man ißt keine Brüder im Geiste, schon vergessen?“, warf Tom ein.
„Ich habe frühe Alzheimer“, informierte ihn der Drache mit blitzendem Gebiß. „Deshalb weiß ich auch nicht, warum ich hier bin. Aber ich bin sicher, ihr habt eine gute Begründung dafür, oder?“, fragte er hinterhältig.
Meister Reno vi´Eren bestätigte dies unverzüglich. Mit der Unterstützung der Gefährten tischte er dem Drachen eine abenteuerliche Geschichte auf, in der die Bewohner der dunkeln Burganlage für alles verantwortlich waren. Wirdnix sträubten sich bei der dreisten Lüge alle Locken.
Wenn er das schluckt, werde ich nie wieder meckern, versprach er sich selbst.

Während die Freunde all ihre Fantasie und Überredungskunst aufboten, um den Drachen von sich abzulenken, spitzten sich die Ereignisse in der Burg allmählich zu. Myrana las gerade die Nachricht der Eloon.

Falls Ihr gekommen seid, um uns zu befreien, brecht den Knochen in zwei Teile. Dann wissen wir Bescheid. Wir werden dann versuchen, Euch zu helfen.

Die Eloon


Myrana war erstaunt. Vielleicht sah ihre Zukunft ja doch nicht ganz so düster aus. Mit Appetit machte sie sich daran, das mitgebrachte Essen zu verspeisen und brach den abgenagten Knochen sorgfältig entzwei.
Die Eloon war inzwischen wieder bei ihren Stammesangehörigen angekommen.
„Und, hat sie die Nachricht erhalten?“, fragte der Anführer der Eloon, ein weißhaariger älterer Mann, der sich zwar leicht gebeugt hielt, aber noch über ein feuriges Temperament verfügte.
„Sie hat“, bestätigte die junge Eloon kurz.
„Gut, dann ist es an der Zeit, uns strategisch in der Burg zu verteilen. Sollte sich unsere Vermutung bestätigen, sind wir bereit zum Handeln, wenn unsere Befreier zuschlagen. Sagt das weiter.“
Sofort machten sich einige Eloon auf den Weg, um den Befehl weiterzugeben. Kurz darauf begannen die Eloon überall in der Burg unauffällig irgendwelchen Beschäftigungen nachzugehen. Einige Setaar staunten zwar über die Betriebsamkeit, maßen ihr aber keine Bedeutung bei. Hätten sie Besen, Schaufeln, Kehrbleche und andere Haushaltsutensilien näher in Augenschein genommen, hätten sie allerdings Anlaß zur Sorge gehabt. Die Eloon, als handwerklich versiertes Volk, hatten in den vergangenen Wochen jedes noch so harmlose Werkzeug in eine Waffe verwandelt. Vielleicht war jetzt endlich der Zeitpunkt gekommen, sie einzusetzen.

„Und das soll ich euch glauben?“
Skeptisch brachte Falamazar den Kopf so dicht an die Gefährten heran, dass diese, um ihn zu berühren, nur die Hand hätten ausstrecken müssen. Natürlich tat das keiner, da niemand Lust verspürte, den Appetit des Drachen anzuregen.
„Und was ist mit dem hier?“, fragte Baumbatz und hielt den bewußtlosen Setaar hoch. „Genügt der nicht als Beweis?“
Der Kopf des Drachen zuckte angewidert zurück. Offenkundig standen Dämonen nicht auf seinem Speiseplan.
„Der riecht ja ekelig“, sagte er und schüttelte den riesigen Kopf.
„Der und seine Kumpel sind die Ursache, für deine Anwesenheit“, sagte Tom. Der Drache grollte.
„Dann werde ich mal hoch fliegen und denen mitteilen, was ich davon halte.“
„Warte“, rief Meister Reno vi´Eren. „Was nützt es dir, wenn du versuchst, die Burg einzuäschern. Das bringt dich auch nicht wieder zurück.“
Dies schien Falamazar einzuleuchten. Unschlüssig wandte er den großen Kopf Meister Reno vi´Eren zu.
„Und was schlagt Ihr vor?“, wollte er wissen.
„Vertrau mir, ich habe da so eine Idee.“

Düstere Gedanken plagten währenddessen den Anführer der Setaar, der  wieder erwacht war und nun Dark in seiner Turmkammer aufsuchte. Unaufgefordert trat er ein. „Alssso ssschön, bringen wir esss hinter unsss und holen unsss die Informationen“, sagte er energisch. Dark sah ihn erstaunt an. „Jetzt schon? Entschuldigt, aber ich bin gerade damit beschäftigt, die Kristallkugel zu reparieren und kann hier noch nicht weg.“ Der Setaar schnaubte verächtlich. „Dann beeilt Euch, sonst mach ich esss allein!“

„Ich soll Euch zur Burg hinauf tragen? Sehe ich etwa aus wie ein Lastesel?“, fauchte Falamazar die Freunde an.
„Eher nicht“, erwiderte Tom vorsichtig, „aber darauf kommt es nicht an. Vergiß nicht, dass du das in deinem eigenen Interesse tun würdest. Aber falls du keine Lust hast, herauszubekommen, wie du wieder nach Hause kommst, kannst du natürlich auch hier sitzen bleiben und auf den nächsten Bus warten. Es liegt ganz bei dir. Genug Proviant hast du ja dabei.“
„Hmmmmm.“
Der Drache war hin und her gerissen. So weit er sich erinnern konnte, hatte er noch nie gehört, dass Drachen Menschen oder Zwerge auf ihrem Rücken transportieren. Irgendwie war er überzeugt davon, dass dies nicht den Beifall seiner Verwandten finden würde. Falamazar der Lastesel. Nein, das klang gar nicht gut. Andererseits klang Falamazar, der auf ewig Verschollene auch nicht viel besser. Schließlich hatte er nicht die geringste Ahnung, wo er sich befand und er bezweifelte ernsthaft, dass er alleine zurückfinden würde. Was also sollte er tun? Die Gefährten beobachteten gespannt das Mienenspiel des Drachen, wußten sie doch, dass es im Prinzip nur zwei Möglichkeiten gab. Transportiert zu werden oder als Frühstück zu enden.
„Vielleicht kannst du dich mal entscheiden“, knurrte Gart. „Meine Axt fängt an zu rosten.“
Der Drache schnaubte ungehalten, legte sich jedoch zum Erstaunen aller flach auf den Boden.
„Los, steigt auf, bevor ich es mir anders überlege.“
Die Gefährten waren erleichtert. Die Alternative „Frühstück“ war offensichtlich fürs erste verschoben. Die leise Stimme in ihren Hinterköpfen, die darauf hinzuweisen versuchte, dass aufgeschoben nicht gleichzusetzen ist mit aufgehoben, wurde von ihnen einfach überhört. Jetzt galt es, die Gunst der Stunde zu nutzen. Sorgen konnten sie sich immer noch machen.
Mit höchst unterschiedlicher Eleganz machten sich die Gefährten also daran, ihr fragwürdiges Fluggerät zu erklimmen. Die Haut fühlte sich erstaunlich weich, aber kalt an. „Typisch für Echsen“, erklärte Dean dem armen Wirdnix, dem das herzlich egal war. Als endlich alle oben waren und sich ängstlich an irgendwelchen Schuppen festhielten, erhob sich der Drache in die Lüfte. Dem Flug kam nichts gleich, was die Freunde je erlebt hatten. Der Kitzel der steilsten Achterbahnfahrt war harmlos, gemessen an dem Erlebnis, den der Aufstieg auf dem Drachenrücken bot. Wirdnix quietschte in einem fort, allerdings weniger aus Vergnügen. Aber auch den anderen war nicht wohl zumute. Zum Glück dauerte es aber nicht lange, bis der Drache schwerfällig am Rande der Burgplattform landete. Glücklicherweise war niemand in Sichtweite. Eilig stiegen alle ab, mit Ausnahme von Wirdnix, der wie ein nasser Sack vom Drachenrücken fiel. Falamazar sah sie grantig an.
„Meinen Teil der Abmachung habe ich erfüllt. Wenn ihr euch einen Gefallen tun wollt, erfüllt ihr jetzt den euren und findet heraus, wie ich zurückkommen kann. Anderenfalls laßt ihr euch hier besser nicht wieder blicken“, warnte er.
„Null Problemo“, erwiderte Tom betont lässig. Mit einem letzten mißtrauischen Blick auf die Gefährten hob Falamazar ab. Die Freunde sahen ihm mit mulmigen Gefühl hinterher und wandten sich dann dem immer noch leeren Burghof zu. Drei Eingänge führten ins Innere.
„Ich schätze, es ist das Beste, wenn wir getrennt vorgehen“, schlug Tom vor. Schnell wurden drei Gruppen gebildet. Meister Reno vi´Eren und Wirdnix nahmen sich den Eingang zum Turm und Gart und Dean den mittleren Eingang vor. Baumbatz und Tom hatten sich für den linken Eingang entschieden. Ihr Weg führte sie eine steile Treppe hinab. Unten angekommen, fanden sie sich in einem dunkeln, schlecht beleuchteten Gang wieder. Die Luft war stickig und der Boden feucht. Vorsichtig schlichen sie weiter bis sie  schließlich eine große Halle erreichten, die offenbar zur Lagerung von Lebensmitteln verwendet wurde. Getreidesäcke, Kartoffeln und alle Arten von Gemüse waren hier gestapelt. Von Myrana aber gab es keine Spur.
„Ich glaube, wir haben das falsche Tor erwischt“, mutmaßte Tom leise.
„Sieht nicht nach dem Hauptgewinn aus“, stimmte Baumbatz ihm zu. „Und was machen wir jetzt?“
Tom sah sich in der Halle um. Soweit er erkennen konnte, hatte diese mehrere Ausgänge.
„Weitersuchen“, sagte er und machte eine einladende Handbewegung. „Du hast die Wahl.“
In diesem Moment vernahmen die Freunde leise zischende Stimmen. Offensichtlich schienen sie Besuch zu bekommen. Tom sah Baumbatz vielsagend an. „Ich liebe solche Situationen“, sagte er.

 

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Klaus-Peter Behrens


 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.12.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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