Das Land hinter dem Regenbogen

Als ich durch das Land hinter dem Regenbogen wanderte, sah ich einen alten Weisen vor einem riesigen Loch im Erdboden sitzen. Hinter ihm stand eine Kiste, in der lagen mehrere lange Seile. Ich näherte mich ihm und fragte, was er da tue.

Er lächelte mich still an und zeigte in das Erdloch, das die Grösse einer Turnhalle aufwies. Als ich vorsichtig über den Rand lugte, sah ich weit unten am Boden eine Gruppe Menschen kauern, die furchtbar jammerten und weinten. Ihre Gesichter sahen verhärmt aus und ausgetrocknet. Es gab nur Sand, Gesteinsbrocken und trockene tote Baumstämme in dem Loch, ein dürrer trauriger Rinnsal Wasser floss mitten durch, und es gab weder grüne Pflanzen noch irgendetwas, was das Auge erfreuen würde.

Ich erschrak und fragte den Alten, warum er  diesen armen Menschen nicht seine Seile zuwarf, damit sie aus dem furchtbaren Loch herausklettern könnten?

Wieder lächelte der alte Mann stumm, griff in seine Seilkiste und warf eins der Seile über den Rand des Erdlochs.

Sofort war ein schreckliches Aufheulen der Menschenmenge zu vernehmen, wütende Stimmen, Steine flogen herauf, so dass wir in Deckung gehen mussten. Sie stiessen wütende Beschimpfungen aus, klagten den alten Mann an, er habe sie mit seinem Seil beworfen, um sie zu verletzen. Ich konnte kaum glauben, was sich da vor meinen Augen und Ohren abspielte!

„So geht das schon seit Jahren“, erklärte der Weise. „Sobald ich ihnen ein Seil zu ihrer Hilfe zuwerfe, werfen sie es zurück und klagen mich an. Sie wollen lieber in ihrem Jammertal bleiben, sie wählen es so. Ab und an jedoch entscheidet sich ein Mitglied der Gruppe, das Seil zu ergreifen und klettert hinaus, verfolgt von wütenden Beleidigungen der Zurückbleibenden. Und solange die Chance besteht, dass ab und zu ein Mensch heraus will, bleibe ich hier auf meinem Posten.“

Ich sah mich um: zur Linken war ein grüner Wald voller exotischer wunderschöner Pflanzen und Bäume, zahme Tiere liefen umher und tranken einträchtig nebeneinander an einem wunderbaren rauschenden Fluss; zur Rechten lag ein See mit den schönsten Seerosen, Frösche quakten munter und Grillen sangen ihre Weisen. Hinter mir lag das weite Meer, die Wellen schlugen sanft ihren ewigen Rhythmus. Das Paradies.

Ich verstand es nicht, und sehr traurig zog ich weiter, der Alte jedoch blieb neben seiner Seilkiste zurück ...

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Diese Geschichte fiel mir ein, nachdem ich mich zum tausendsten Male über ein Selbsthilfeforum gewundert hatte, in dem man beschimpft wird, wenn man Auswege aus dem Leid anbietet. Menschen sind etwas sonderbar!

Cathérine Cordero 2010

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