Elias Schuller

Die Begegnung

Eva Grün stand auf einem zugigen Bahnsteig des Marburger Hauptbahnhofes. Sie hatte die Hände trotz ihrer roten wollenen Handschuhe zum Schutz vor der Kälte in die Taschen ihres Wintermantels geschoben. Die Arme presste sie an den Körper und ihre Gestalt war leicht gebeugt. Der eisige Wind schnitt ihr erbarmungslos ins Gesicht. Ihre Wangen und Nase brannten vor Kälte. Und sie betete innerlich dass der Zug endlich kommen möge und sie in sein wohlig warmes Inneres lassen würde.
 
„Der Regionalexpress 4004 wird sich um zehn Minuten verspäten. Wir bitten sie dies zu entschuldigen, “ drang die junge Sympathische Stimme einer Frau aus einem der Lautsprecher an Evas Ohr. Die junge Frau fluchte innerlich.
 
Sie griff in ihre Manteltasche und beförderte daraus eine Zigarettenschachtel ans Tageslicht. Sie entnahm eine Zigarette und schob sie sich zwischen ihre schmalen ungeschminkten Lippen als ein junger Mann auf sie zu trat. Er mochte in etwa in ihrem Alter sein. Also etwa 23.
 
„Entschuldigung. Könnte ich auch eine haben? Ich geb dir auch Geld dafür. Ich bin vorhin überstürzt aufgebrochen und habe dabei die Hälfte vergessen, “ sagte er und lachte. Wohl um seine Unsicherheit zu verbergen.
 
Eva musterte den Mann. Er war gepflegt und sah so gar nicht einmal schlecht aus. Er hatte kurzes, schwarzes Haar und dunkle braune Augen mit denen er in die ihre blickte. Seine schmalen Lippen waren zu einem freundlichen Lächeln gekräuselt. Nervös fuhr er sich mit der Hand durch das Haar.
 
Klarwarum nicht, eine kann ich schon verschmerzen dachte Sie.
 
„Ja klar. Geld brauchst du mir aber nicht dafür zu geben. Vielleicht sieht man sich ja wiederund vielleicht habe ich dann keine Zigarette du aber schon. Dann wären wir Quitt, “ sagte sie grinsend und reichte ihm eine der Zigaretten. Er erwiderte das mit einem Lächeln und einem Danke.
 
Sie verstaute die Schachtel wieder in ihrer Manteltasche und brachte stattdessen ein silbrig blaues Feuerzeug zum Vorschein. Der Höflichkeit halber entzündetet sie erst die seine und dann die ihre.
 
Sie atmeten den blau grauen giftigen, würzigen Rauch aus Tabak und Papier ein. Dann Atmeten sie ihn wieder aus und entließen ihn in die klare kalte Luft dieses Wintertages.
 
„Es ist ziemlich kalt heute, “ brach Eva das ihr unangenehme Schweigen.
 
„Da hast du recht, “ sagte er und blickte die Gleise entlang in die Ferne. Noch immer war nichts von einem Zug zu sehen.
 
„Was hältst du von einem heißen Becher Kaffe?  , “ fragte er sie.
 
Eva zögerte. Sie war unsicher ob sie mit den Fremden weiter reden sollte Schließich kannte sie ihn nicht. Andererseits was sollte schon passieren?
 
„Ja ein heißer Kaffe wäre schon nicht schlecht, “ gab sie zu.
 
„Ich hole uns einen wenn du magst. Also ich meine für jeden einen nicht einen für uns beide, “ sagte er unsicher während er den qualmenden Rest seiner Zigarette zu Boden segeln ließ und auf die Gleise kickte.
 
„Ja gern, warte ich gebe dir Geld, “ sagte sie und wollte schon in ihrer schwarzen Tasche nach ihrer Geldbörse kramen.
 
Doch der junge Mann winkte ab.
 
„Du brauchst mir kein Geld zu geben ich gebe dir den Becher aus auch wenn ich dich nicht kenne. Das sollten wir ändern. Ich heiße Henry und du?“ sagte er und bot ihr seine Hand an.
 
Einen Moment war sie drauf und dran ihm einen falschen Namen zu nennen. Aber dann überlegte sie sich dass sie sich vermutlich eh nie wieder sehen würden.
 
So ergriff sie seine Hand und nannte ihm ihren richtigen Namen. Eva.
 
Er verschwand und Kehrte wenig Später mit zwei dampfenden Bechern Kaffe zurück.
 
„Vorsichtig heiß, “ sagte er und überreichte ihr einen der beiden.
 
Sie nahm ihn dankend an.
 
Sie nippte an der heißen, schwarzen wohl duftenden Flüssigkeit und genoss jeden schluck der ihre kehle hinunter rann und sie von innen erwärmte.
 
Henry lächelte Eva freundlich an.
 
„Und wo soll es hin gehen?  “ fragte er sie.
 
„Nach Frankfurt ich besuche dort eine gute Freundin. Und du? , “ fragte sie.
 
Er schwieg und sagte nichts darauf.
 
Also hakte Eva auch nicht weiter nach.
 
„Bitte Zurücktreten der Zug fährt nun auf Gleis vier ein.
 
Der Zug näherte sich dem Bahnsteig pfeifend und donnernd bis die Bremsen anfingen zu kreischen und der stehlerne Wurm immer langsamer wurde. Als er kurz davor war an den beiden vorbei zu fahren Sprang Henry plötzlich vor den Zug. Eva presste sich die Hand gegen den Mund und kämpfte gegen den aufsteigenden Würgreitz an. Sie blickte sich um doch niemand reagierte. Alle verhielten sich so als wäre nichts passiert. Warum half niemand dem armen Mann?
 
Plötzlich löste sich alles um sie herum auf und langsam erschien stattdessen die vertraute Umgebung ihres Schlafzimmers. Sie sah sich schweißgebadet und schlaftrunkend um. Zum Glück, dachte sie es war nur ein Traum. Nur ein Traum.
 
Aber warum fühlte sich ihr Nachthemd so feucht an. Sie schob die Decke beiseite. Was war das für eine seltsame dunkel rote Farbe?
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.01.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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