Jürgen Berndt-Lüders

Das innere und das äußere Bild...

Warum findet man im fortgeschrittenen Alter so schwer einen Partner?

 

Zuerst eine Statistik:

 

Von den 34 Dates mit Frauen, die ich bis vor einem Jahr hatte, endeten 4 spontan auf dem Absatz, auf dem wir kehrt gemacht hatten, als wir uns sahen. 25 verliefen harmonisch, 7 ohne Abschiedskuss, aber mit Händedruck.

 

Nur fünf verliefen so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Nach einem sachlichen Gespräch kamen wir zu dem Schluss, dass wir nicht zusammen passten.

 

Und die 25 „harmonischen?“

 

Selbst die verliefen im Sande. Keiner von uns beiden hat sich je wieder gemeldet.

 

Dabei hatte ich alles so gut vorbereitet gehabt. Eine Bewerbungsmappe hatte ich zusammen gestellt, mit einer Bildergalerie zwischen dem Babyalter und der Jetztzeit. Ich hatte weder meinen Porsche Carrera noch meine Harley zu zeigen vergessen, die ich zwischenzeitlich mal besessen (um ehrlich zu sein: geliehen) hatte. Ich hatte sogar meine Steuerbescheide kopiert und beigelegt und meine (geschönten) Vorstellungen von einer Beziehung geschrieben.

 

Am schwierigsten waren die Expertisen meiner Exfrauen über meine sexuellen Fähigkeiten zu beschaffen gewesen. Meine Vorletzte, die inzwischen das dritte Mal wieder Single war, bestand auf einer neuen Leistungsprobe, die ich aber ablehnte, weil ich noch jedes Muttermal von ihr kannte und befürchtete, nicht neutral sein zu können.

 

Meine letzte Ex warf mich raus, als ich mit meinem Ansinnen kam.

 

Mit meiner vollständig ausgefüllten Bewerbungsmappe, mit polizeilichem Führungszeugnis und tabellarischem Lebenslauf hatte ich mich den Damen feil geboten. Ich hatte sogar kurz vor den Dates jeweils eine rote Rose gekauft und mit Tesafilm auf die Mappe geklebt. Und trotzdem führte nichts zum Erfolg.

 

Lag es daran, dass ich meinen letzten Kontoauszug nicht beigelegt hatte?

 

v     Nein, es lag eindeutig am inneren Bild, das wir uns von uns selber machen.

 

Seien wir doch ein einziges Mal richtig ehrlich:

 

Wer ein bestimmtes Alter erreicht und die letzten Jahre als Single gefristet hat, wer sich gesund fühlt, allein gut zurecht kommt, aber hin und wieder mal auf ein Gesicht treffen möchte, wenn er im Halbschlaf aufs Kopfkissen neben sich klopft, der will sich verbessern.

 

v     Wir befürchten doch alle, dass wir mit einem neuen Partner in der letzten Lebensphase richtig und endgültig angeschmiert sein könnten, wenn er sich als Flop heraus stellt.

 

Der heutige Mensch im Erwachsenenalter hat ein inneres Bild von sich, was nicht dem äußeren entspricht. Wir fühlen uns super, klug, blicken durch, haben unseren Lebensmittelpunkt gefunden und brauchen eigentlich nur etwas Gleichwertiges, was uns den Alltag erhellt. Und da kommt so jemand, der so alt aussieht wie wir selber sind und aussehen...

 

v     Nee, nee und nochmal nee.

 

Statt sich zu fragen, ob der Mann oder ggf. die Frau, die einem am Tisch gegenüber sitzt, in der gleichen Situation ist, reagieren wir rein emotional und können es uns ums Verrecken nicht vorstellen, mit einem so alten Menschen zusammen zu sein..

 

v     Eine Beziehung? Mit so einem alten Menschen? Nein.

 

Diesmal werde ich die Bewerbungsmappe weg lassen. Ich werde nach rein rationalen Gesichtspunkten vorgehen und Kompromisse machen. Ich werde mich fragen, was ich davon hätte, wenn eine Frau meinen optischen Vorstellungen entspräche. Wo man sich nach spätestens einem Monat sowieso an sie gewöhnt hat, wenn die Beziehung dann überhaupt noch existiert...

 

Das erste Date nach der neuen Strategie habe ich bereits hinter mir.

 

Nun gut, ich kann darüber schreiben, weil sie hier keiner kennt. Sie war intelligent, charmant, flirtete mit mir wie der Teufel, und am Ende küssten wir uns. Obwohl ich auch ihre Falten um die Augen sah und ihre Ansätze, die aus dem Ausschnitt lugten, nicht die straffsten waren. Auch ein Kontrollgriff ergab nichts Besseres, aber ich biss die Zähne zusammen und schob meine Zunge unter ihrer Brücke durch.

 

Sie schmeckte nach Kukident

 

Am nächsten Tag rief ich sie getreu meiner neuen Strategie trotzdem an. Ich sagte, dass ich beschlossen hätte, nicht weiter zu suchen. Sie sei diejenige, für die ich mich entschieden hätte. Wann wir uns denn das nächste Mal träfen.

 

„Du hast dich mir überhaupt nicht richtig vorgestellt“, sagte sie zögerlich nach meiner Beschwörungsformel. „Ich habe weder ein polizeiliches Führungszeugnis noch deinen Steuerbescheid gesehen. Und außerdem muss ich noch ein Geburtstagsgeschenk für meine Freundin einkaufen, und die Läden schließen bald.“

 

“Um sechzehn Uhr?“

 

„Na gut, ich will ehrlich sein, du bist mir einfach zu alt.“

 

Das wird also auch nichts.

 

Was werde ich tun?

 

Ich werde wieder – so wie früher - an der Supermarktkasse darauf achten, welche Frau Singleportionen einkauft. Und genau die werde ich ansprechen.

 

Wie ich das mache?

 

Ich nehme einfach den Stab zwischen ihren und meinen Einkäufen weg. Dann bezahlt sie meins oder ich ihres mit, und dann muss sie sich mit mir unterhalten.

 

Aber nur, wenn sie nicht zu alt aussieht. Aber vielleicht versucht sie ja zu betrügen und benutzt irgend ein teures Anti-Aging-Präparat.

 

Mein Gott, ich darf diesmal die Re-Pigmentierung (von Schwachkopf) für die Haare nicht wieder vergessen...

 

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