Elena Höge

Die Pilgerreise

 

Die Pilgerreise

 

Die Dämmerung nahte und der Wind blies die frische Abendluft durch die Wälder und über die Wiesen, ließ das Laub am Boden tanzen und die Gräser zittern. Fuhr wie ein Kamm durch die dichte Mähne der Bäume und brachte sie zum seufzen während das Wasser, munter seiner Liebkosung, fröhlich plätschernd weiter den kalten Stein formte. In eben jenem Wäldchen, durch das sich eben jener Bach schlängelte, lag ein Kloster, dessen graues Mauerwerk kahl gen Himmel emporragte. Doch auch wenn die Fassade nahezu kalt  und leblos schien, war es doch der herzlichste Ort weit und breit, mit so viel Wärme und Lebhaftigkeit gefüllt, dass sich das Gebäude nicht seiner Schämte sondern sein Haupt hoch erhoben hielt. Den Innenhof des Klosters zierten zwei mächtige Eichen, Zwillinge, die vor etwa einem Jahrtausend dort angepflanzt worden waren. Die Klostererde war zu trocken, als dass man einen Garten im Innenhof hätte anlegen können, (da zudem auch die Eichen sehr durstig waren), jedoch existierte nicht weit abseits eine Lichtung, auf deren fruchtbarer Boden ein zweites Eden entstanden war. Die eisernen Tore des Klosters waren zu jeder Zeit geschlossen. Selbst wenn man wollte, hätte man sie unmöglich öffnen können, da der durch die Regenfälle entstandene Rost und die vom Boden empor kletternden Ranken von Efeu beide Torhälften miteinander verschmolzen, und es so, ohne den Gebrauch von Gewalt, nicht zu bewältigen war, das Tor zu öffnen. Es gab jedoch auch keinen Grund dazu, denn in der dicken Klostermauer war eine stählerne Türe angebracht, die viel einfacher zu öffnen war. Vom Innenhof führten zwei weitere stählerne Tür direkt ins Herz des Gebäudes. Eine führte in einen großen Saal an dessen Wänden edle Gemälde hingen, goldene Kronleuchter die Decke zierten und ein Altar, der zu ehren der Göttin der Heilung und des Lichts, Helia, errichtet war und an dem täglich Messen abgehalten wurden. Die Zweite mündete in einen kleineren Raum, der vom fackelnden Herdfeuer in ein sanftes orange getaucht wurde. In ihm befanden sich, an einer Leine hoch in der Luft, getrockneter Kräuter, wie Lavendel, Knoblauch, Pfefferminz, Rosmarin, Lorbeerblätter und Petersilie, wie auch einige Chilischoten und Zwiebeln. Aber auch frisches Gemüse und Obst, verteilt in duzenden Körben. Messer hingen an den Wänden, wie auch Pfannen und Töpfe in allen Größen. Auf den vielen Holztischen, die kreuz und quer standen, lagen noch immer verschiedene Häufchen von Blättern, die am Vorabend beim Kochen übrig geblieben waren. Das Aroma, das in dem Raum herrschte, war ein Gemisch aus den verschiedensten Gerüchen, so dass es für eine menschliche Nase unmöglich wäre, sie ihrem Ursprung zuzuordnen.  Rechts neben dem Kloster befanden sich die Stallungen. Altes Heu lag noch vereinzelt auf dem Boden, Mäuse huschten von einem Loch ins nächste und das morsche Holz begann zu stöhnte, sobald der Wind es auch nur ein wenig streichelte und klagen seiner vielen Jahre, die es nun schon unbenutzt dort stand, während die Mäuse seine Hülle zernagten. Das einzige Tier, das das Kloster beherbergte, war ein seniler Esel, mit grauem Fell und schleppendem Gang. Dieser jedoch verweilte im Inneren des Klosters, in einem separaten Raum, ausgestattet mit einem Wassertrog, Heu und einer kuschligen Decke. Da er das einzige Tier war und er dadurch eine gewisse Bedeutung trug, neigte er zur Überheblichkeit. Im Moment jedoch war dieser Raum leer, wie auch das restliche Kloster. Es herrschte eine tiefe und innige Stille, fast schon heilig, die das Gebäude umgab. Nur der Wind summte seine Melodien während er sich in den Ästen der Eichen tausendemale brach und deren Blätter mit sich nahm, hoch hinaus in den Himmel, wo er sie schließlich fallen ließ. Sanft segelten sie nach unten, sich drehend und den Tanz genießend, auf eine Lichtung zu, auf der ein prächtiger Garten angelegt worden war.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.01.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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