Nina Scarlet Manok

Wille und Axt

Immer wieder schlug die junge Frau laut fluchend auf den Stamm des Baumes ein und schien dadurch die neugierigen Blicke des älteren Ehepaars nicht zu bemerken.

Die Dame nahm vorsichtshalber den jungen Jack-Russel auf den Arm und hielt sich dich hinter ihrem Mann auf.

Fassungslos sahen die Spaziergänger zu, wie die junge Frau so innerlich aufgewühlt, wie sie war, ihr Beil in das Holz trieb und jedes Mal schluchzend die Nase hochzog.

Erst als sich der mittelbreite Stamm ächzend  neigte und langsam zu Boden ging, wagte es der ältere Herr seine Stimme zu erheben.

„Sagen Sie mal!“, begann er etwas empört. „Was glauben Sie, was Sie da tun?“

Der verweinte Blick der jungen Braunhaarigen traf das Paar, als sie zu ihnen herumfuhr.

Ihr hellhäutiges Gesicht und ihre Augenränder waren puterrot und leuchteten ihnen brennend entgegen.

Für einen Augenblick schien das Paar sprachlos vor Entsetzen zu sein. Wut, unglaubliche Trauer und Frust stachen aus den geweiteten Augen der Frau heraus, wie frische Blutflecken im Schnee.

Eine Weile starrten sie wieder nur, da weder das Paar, noch die junge Frau es wagten zu sprechen.

Die Tränen der Verzweiflung flossen ihr immer noch über die brennenden Wangen.

Als sei sie unfähig sich weiter auf den Beinen zu halten, ließ sie sich erschöpft auf den umgestürzten Baumstamm nieder und versank ihre verzogene Stirn in ihren Händen.

Dabei ließ sie das Beil achtlos auf den Laubboden fallen und sofort schien es zwischen den Blättern zu verschwinden.

Es schien, als würde sie noch eine Weile brauchen, um sich zu beruhigen.

Lieber nicht einmischen. Geht uns ja eh nichts an, dachte der Herr und deutete seiner Frau weiterzugehen.

Sie war aber vom mitreißenden Anblick in irgendeiner Hinsicht berührt, dass sie sich leicht hervor beugte, ohne den Schutz ihres Mannes zu verlassen.

„Was ist denn mit Ihnen?“, fragte sie, doch die junge Frau schien nur Augen für den kleinen Hund zu haben, der an den Fingern der Dame knabberte.

Sie hob den Kopf an und gleichzeitig erhob sich um ihr Gemüt eine graue, kalte und Mauer, die sie schützen sollte.

Von einem Augenblick zum nächsten erstarben ihre Tränen und wie Tau ruhten die Spuren auf den immer noch glühenden Wangen, als sie sich in die Jackentasche griff und sich eine Zigarette zwischen die Lippen schob.

„Hab’ eigentlich aufgehört. Ist Gift für mich, wissen Sie?“, raunte die 21-Jährige beiläufig und zog die Nase hoch, während sie sich den Glimmstängel anzündete.

„Wie heißt er?“, fragte sie und deutete auf das junge Tier.

„Captain.“

Der Name entlockte der Raucherin ein mattes Lächeln.

„Darf er auch jemanden verheiraten?“, diese Frage schien den Mann ebenfalls ein wenig zu beruhigen und freundlich zu stimmen, dass er sich bei dem Klang dieser wenigen Worte neben seine Frau stellte.

Doch die Frage blieb unbeantwortet.

„Wissen Sie.“, begann die junge Frau. „Sie können glücklich sein – Sie gehören doch zusammen oder?“

Wortlos nickte das Paar und sie sahen sie erwartungsvoll an.

„Es ist schwierig heut zu Tage, sehr schwierig.“, knüpfte sie wieder an.

„Ich komme mir so wider vor. Ganz fremd. Als sei das hier nicht mein Körper.“

Sie gestikulierte mit ihrer Raucherhand, als wolle sie ihre Worte mit Hilfe des Rauches in die Luft schreiben.

„Hat man Sie verletzt?“, fragte die Dame und setzte den nun zappelnden Welpen wieder auf seine Pfötchen.

„Dolores, bitte.“, mit einer seichten Handbewegung bedeutete er seiner Lebensgefährtin inne zu halten, doch sie blinzelte nur beruhigend.

Als sie den Blick wieder auf die junge Frau warf, war die Mauer in die Höhe geschossen, doch mit Einschusslöchern übersäht.

„Ich habe nicht viel geleistet in meinem Leben. Ich habe mich immer gefragt, wofür?“

Die folgenden Worte blieb das Paar still.

„Wie immer merkte ich erst hinterher, was ich versäume. Immer, wenn es zu spät ist! Ich hätte Berge versetzt, wenn ich gewusst hätte, was ich dadurch halten kann. Ich wünschte ich hätte etwas aus mir gemacht, etwas erreicht! Dann wäre ich jetzt nicht alleine.“

Die junge Frau biss sich auf die Unterlippe und die Zigarette fiel ihr aus der Hand, als sie sich an die Stirn griff.

Verlust, Einsamkeit und das Gefühl ein Teil von sich verloren zu haben waren zuviel für die junge Frau gewesen.

„Deswegen können Sie aber nicht gleich wie vom Teufel gepackt einen Baum fällen!“, tadelte der Herr sie verständnislos.

Eine Weile sagte niemand mehr etwas. Stille herrschte unter den Dreien. Schwer zu sagen, was nun in den Köpfen der Anwesenden vorging.

Doch die auffahrende Stimme des Mannes verleitete die junge Frau nicht dazu diesen Fehler einzusehen. Eher hievte sie sich ruhig auf ihre Beine und sprengte somit ihre eigene Mauer mit entschlossenen Blicken.

Sie sah auf den gefällten Baum und schließlich in die Gesichter des Paares.

„Sie sagen ich kann den Baum nicht fällen? Wer hat es denn dann getan?“, stichelte sie.

„Man sagte ich könnte niemals bei ihm sein, weil ich nichts aus mir machen konnte. Ich hab es satt, mir dauernd anhören zu müssen, was ich alles nicht kann!“

Als sie den Wald entlang des Weges verließ und das Ehepaar mit ratlosen Blicken dort stehen ließ, bliebt die Axt neben dem Baum liegen, als hätte sie niemals einen Besitzer gehabt.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.01.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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