Otto Meyer

eine Nacht in Lüttich

...
Er schlug blinzelnd die Augen auf, unfähig irgend etwas um sich herum wahrzunehmen. Die ungeheuren Schmerzen, die er von seinem Bein her verspürte, machten ihn fast wieder bewusstlos. Sein Atem ging keuchend und stoßweiße, sein Herzschlag dröhnte überlaut in seinen Ohren. Scheinbar übertönte er alle Geräusche um ihn herum, denn er konnte nichts außer seinem Herzschlag und rasselnden Atem hören. 

Erschrocken riss er die Augen weit auf, doch völlige Finsternis umgab ihn.
Da war nichts, weder Dunkelheit noch Licht, weder schwarz noch weiß. Es war für ihn einfach nichts zu erkennen oder gar zu unterscheiden. So, als würde sein Gehirn einfach keine Information von dem Sehnerv bekommen. Verzweifelt kniff er die Augen wieder zusammen, versuchte seine aufkeimende Panik herunterzuschlucken. Er schmeckte Blut und Staub in seinem Mund, die trockene Kehle gab ein knirschendes Geräusch von sich. Jeder Versuch einen klaren Gedanken zu fassen wurde von diesen unsäglichen Schmerzen im Keim erstickt. Instinktiv versuchte er seine Muskeln zu entspannen, möglichst ruhig da zu liegen, damit der Schmerz endlich wieder nachließ. 

Nach geraumer Zeit versuchte er erneut die Augen zu öffnen, um sich ein Bild von seiner Lage machen zu können. Aber als er die Augenlider wieder geöffnet hatte, war da nichts. Selbst in der finstersten Dunkelheit kann man etwas erkennen, auch wenn es nur die Dunkelheit selbst ist, die man sieht. Unterschiedliche Stufen von Grau, die in ein absolutes Schwarz übergehen, einen etwas helleren Flecken zumindest. Aber hier gab es nur tiefstes Schwarz um ihn herum, sonst nichts.

Er versuchte seine Umgebung mit den Händen zu erkunden, kam jedoch nicht wirklich weit damit. Zu beiden Seiten fühlte er Steine, die wirr und ungeordnet dicht um ihn herum lagen. Nach oben hin, zwanzig oder dreißig Zentimeter über ihm, vermochte er nur ein Gewirr von Eisenstangen und Beton zu ertasten.

Die Fragen, die ihm plötzlich durch den Kopf gingen, waren: 'Was ist nur passiert, wo war er, und wie ist er in diese Situation gekommen'. Aber er hatte keine Antworten auf diese Fragen. Je länger er versuchte sich an etwas vor seinem jetzigen Zustand zu erinnern, um so mehr wurde er sich der Leere in seinem Kopf bewusst. Da war nichts, keine Erinnerung daran. 

'Hilfe, ich brauche dringend Hilfe', dachte er und pumpte verzweifelt Luft in seine Lunge. Doch statt des gellenden Hilfeschreis kam lediglich ein klägliches Krächzen aus seinem ausgetrockneten Mund. Einen zweiten Versuch zu Schreien unterließ er, da der Schmerz unerträglich zu werden schien, als er wieder in seinen Lungen genug Luft gesammelt hatte, um erneut schreien zu können.

Plötzlich geriet alles um ihn herum in Bewegung, kleine Steine und Mörtel regneten auf sein Gesicht nieder.

Panik! 

Verzweifelt schlug er wie von Sinnen um sich. Sein Körper zuckte wild auf vor Schmerz, während er versuchte seine Beine an den Körper zu ziehen. Knochen in seiner rechten Hand splitterten, als er sie mit voller Wucht gegen die Steine hieb, sein Kopf prallte schmerzhaft auf die Eisenstangen über ihm, als er versuchte sich aufzubäumen, und begann heftig zu bluten. „Verdammt“, zischte er mit letzter Kraft durch die vor Schmerz zusammengebissenen Zähne hervor, und sackte wieder in sich zusammen. Dann erschlaffte sein Körper. Seine linke Hand zuckte noch mal kurz, als wollte er nach etwas greifen, und dann umfing ihn wieder eine gnädige Ohnmacht.

Der Schmerz und quälender Durst ließen ihn irgendwann wieder zu sich kommen. Vollkommen orientierungslos und jeglicher Bewegungsfreiheit beraubt, blieb ihm nichts anderes übrig, als in der völligen Finsternis sich seinem Schicksal zu ergeben und darauf zu warten, dass etwas passiert.

...

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 31.01.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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