Marcel Hartlage

Wahn

Ein Bett. Sie wünschte sich nicht mehr als ein Bett. Ein warmes, gemütliches, sicheres Bett, indem sie schlafen konnte, in eine andere Welt eindrangen konnte, in ihre eigene Welt, umgeben von einem magischen Traum und Zaubereien. 
Doch das ging nicht.
Sie war im Wald.
Der Wald war dunkel, es war nach Mitternacht, die Bäume standen eng beisammen, das Gestrüpp war dicht zusammen gewachsen, eine unheimliche Stille legte sich über den, von seichtem Nebel bedeckten Erdboden, belegt von Laub, unter dem die Käfer und Insekten krabbelten und Schutz vor der Nacht suchten. Diese Stille wurden von Marias eilenden Schritten gestört, sie zertrampelte Laub und zerquetschte Käfer, während sie völlig hilflos durch den Wald irrte, in der Hoffnung, ihn zu verlassen. Jedoch …
...wurde sie verfolgt.
Irgendwo hier in der Nähe, zwischen den dunklen Bäumen, huschte eine Gestalt umher, auf der Suche nach ihr. Irgendwo schlich sie hier im Wald umher, schreckhaft, panisch, bewaffnet. Sie suchte nach ihr. Sie wollte sie. Sie wollte Maria tot sehen.
Das Mädchen hatte vollkommen die Orientierung verloren. Viele Stunden schon eilte sie zwischen den Schatten der Bäume umher, immer mit der Befürchtung, ihr Peiniger könnte hinter den nächsten Baum hervor springen. Nun war sie erschöpft, sie wollte nicht mehr, sie konnte nicht mehr. Sämtliche Muskeln taten ihr weh, Marias Kopf schmerzte höllisch, ihre Adern pulsierten unnatürlich und …
War dahinten nicht etwas? Nervös verlangsamte sie ihr Tempo. Dahinten, zwischen den Bäumen? Es hatte so ausgesehen, als ob jemand dahinten umher ging, eine Gestalt, irgendetwas. Sie suchte. Schlich. Vielleicht aber war es auch nur Einbildung gewesen.
Vielleicht war ihr Peiniger längst hinter ihr?
Sie drehte sich um. Niemand war da.
Weiter, sagte sie zu sich selbst. Eilenden Schrittes lief sie weiter, in der Hoffnung, den Rand des Waldes zu erreichen. Doch je weiter sie schritt, desto müder wurde sie …
Halt die Augen offen, Maria. Verdammt, schlaf bloß nicht ein! Maria sprang über einen Baumstumpf und stolperte plötzlich. Unsanft setzte sie mit dem Bauch auf den Boden vorne auf, während ihr Knöchel begann, höllisch zu schmerzen. Sie musste dennoch weiter, sie musste. Vorsichtig stütze sie sich mit ihren Armen auf, sah in den weiten, tiefen Wald und …
… hörte einen banalen Schrei. Einen Wutschrei. Einen quälenden Schrei.
Bei Gott, was war das?
Maria lief weiter und versuchte die Schmerzen zu unterdrücken. Ihr war unwohl zumute, ganz so, als ob sie beobachtet wurde …
Plötzlich hörte sie wieder etwas.
Es war ein Lachen.
Es waren Kinder, die lachten.
Es war nahe, und doch weit, ein schrilles, kicherndes Lachen. Hier gab es keinen Ort, an dem sich Kinder aufhielten, und selbst wenn, ganz sicher nicht um Mitternacht. Dennoch war es unheimlich. Merkwürdig und seltsam.
Eine Gestalt kam auf ihr zu gelaufen.
Maria schrie, als sie das blutverschmierte Kind mit Clownsmaske sah, dass von rechts auf ihr zugelaufen kam, mit Messer in der Hand, während das Kind kreischend lachte. »Spielen? Willst du mit mir spielen?«. Es lief an ihr vorbei, während Maria dastand und nicht faste, was sie gesehen hatte.
Doch es sollte noch schlimmer kommen.
Viel schlimmer.
Maria hörte wieder etwas. Es klang weit entfernt, und sie war sich auch sicher, dass es weit weg war: Irgendwo weinte ein Baby.
»Hallo?«, schrie sie in die abgrundtiefe Nacht hinein. Keine Antwort. Sie wiederholte den Ruf, doch wieder nichts. Das weinen wurde nur lauter.
Ich sehe dich, Maria.
Maria fuhr herum und erblickte … nichts. Wer hatte da gesprochen? Was war das für ein Spuk? Was war das hier? Blanker Schweiß war auf ihrer Haut, sie hatte Angst, panische Angst.
Sie wusste nicht, dass sie beobachtet wurde.
Die Kinder spielen mit mir, Maria.
Maria erschrak. Sie sah ihn. Sie sah etwas. Dahinten, zwanzig Meter von ihr entfernt, stand eine schwarze Gestalt, ohne Bewegung, einfach so. Doch sie richtete ihren Kopf auf, langsam. Maria war gelähmt.
»Willst du nicht auch mit mir spielen?!« schrie die Gestalt und kam blitzschnell auf Maria zugelaufen, mit erhobenen Messer und dreckiger, grinsender Fratze. 
  
Maria erwachte.
Sie … Sie hatte geschlafen! Sie hatte nur geschlafen! Sie war im Wald spazieren gegangen, ja! Natürlich! Sie war hingefallen und war liegen geblieben, nachdem sie einen Abhang hinunter gerollt war. Das war es gewesen!  Maria kicherte leise, dann stand sie auf, und sah, dass es Nacht war.
Sie hörte ein Lachen.

 

 

 

Eine kleine Horrorgeschichte, in kürzester Zeit geschrieben. Sie ist ein wenig surreal, aber ich ließ die wesentlichen Beschreibungen einfach weg, da ich sie ursprünglich nur für einen Freund geschrieben habe.Marcel Hartlage, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.02.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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