Luki K

Geopfert

 

 

 

Als noch Nebel am Boden gelegen hatte, hat alles begonnen. Xjan betete, trat aus seinem Zelt und verabschiedete seinen Phjo. Als ihm dieser einen Kuss auf die Stirn drückte, murmelte Xjan die Worte des Stammes, verneigte sich und rannte los.

An der einen Lende war ein Wasserbeutel an seinen Gürtel geschnürt, an der anderen das Schwert seines Phjos. In der Hand hielt er, fest umschlungen und niemals bereit, ihn loszulassen, den Swy.

 

Bei Sonnaufgang erreichte er den Gipfel des Berges der Freiheit. Wie es das Ritual befiehlt, kniete er sich auf den staubigen Boden und betete in Richtung seiner Volksbrüder, die Worte seiner Phjos sprechend. Dann trank er aus seinem Wasserbeutel, doch nur wenig. Er schnaufte tief durch und rannte weiter, die andere Seite des Berges hinunter in Richtung Tal.

 

Die Ostseite des Berges der Freiheit war steiniger, und des Windes wegen war es ohnehin der schwierigere und beschwerlichere Teil der Strecke. Er war ermüdet und obwohl er soeben etwas getrunken hatte, durstete ihn. Nach einer knappen halben Stunde war er am Ende des Berges angekommen. Xjan nahm einen weiteren Schluck aus dem Beutel und horchte konzentriert. Er musterte den Wald, der an jenem Ende des Berges begann. Xjan schaute in die Tiefe der Blätter und versuchte, etwas zu erkennen. Das Laub lag ruhig, während er einen leisen Schritt nach vorne machte. Auf sein Herz lauschend, schlich er voran. Der Krieger war konzentriert. Die Mission rief und die Stimme seines Phjos betete.

 

Sämtliche Muskeln an seinem Körper schienen angespannt, als er sich langsam in die Tiefe des Waldes gleiten liess. Unter seinem kurzen Lendenrock erkannte man kraftvolle Beine. Die Waden glänzten gesund im schwachen Licht der Sonne, das durch die dichten Baumkronen fiel. Xjan war schlank, und die Leute sagten, er gleiche Sphiinq, dem Gott der Wildnis. Dem Soldaten der Freiheit. Wie dieser hatte auch Xjan braunes Haar, leicht gewellt und schulterlang. Den Stammesschmuck trug er an einer Kordel, welche um seinen Hals gebunden worden ist.

 

Die aufrechte Haltung von ihm liess erkennen, dass Xjan selbstbewusst und zielstrebig geboren worden war. Er strahlte Zuversicht und Hoffnung aus, so wie es ihm beigebracht wurde. Xjan war muskulös trainiert, geschult durch die täglichen Charmads mit seinem Vater. Seine Haut war rein und unberührt. Man hat ihn geschont und noch nie in einen Kampf geschickt. Xjan war nur für diesen einzigen Auftrag geboren worden.

 

Als er sicher war, dass ihm niemand gefolgt ist, beschleunigte Xjan seine Schritte und begann nach wenigen Metern wieder zu rennen. Bald schon verriet ihm der Duft der Blätter, dass das Herz des Waldes nahe war. Er sprintete weiter und realisierte, dass die Stimme in seinem Kopf lauter wurde. Das Ziel lag nahe.

 

Xjan horchte erschrocken auf. Feinde!

Er realisierte, dass die Beys seine Verfolgung aufgenommen hatten. Verwirrt dachte er nach und wusste, dass er schnell handeln muss. Xjan fragte sich kurz wie ihm der kapitale Fehler hatte unterlaufen können. Wie hat er sich verraten? Er dachte nach, wie ihm das Missgeschick hatte passieren können, doch dann verdrängte er diese Ungewissheit. Wichtiger war, den Swy in Sicherheit zu bringen, ihn an den Ort zu tragen, wo er verwahrt werden sollte. Den Swy, den Stein der Steine. Es durfte nicht sein, dass ihn die Beys zurückerobern. Er musste verhindern, dass sie die aus Swys gewonnene Kraft missbrauchen, und somit auch den Stein selbst. Er muss in Sicherheit gebracht werden.

 

Die grauen Augen Xjans huschten hastig umher. Intuitiv - und doch bewusst über seine Tat - begann er wieder zu rennen. Und er hörte auf die Stimme seines Phjos und wusste, dass es richtig war.

 

Es schien ihm, als ob der Swy in seiner linken Hand lichterloh brannte. Sie schmerzte, doch Xjan versuchte, das Stechen zu ignorieren. Der Auserwählte beförderte spannte die Muskeln seines Körpers an. Er musste noch schneller werden.

 

Als er einmal kurz den Kopf nach hinten drehte, um die Distanz zu seinen Verfolgern abzuschätzen, realisierte Xjan, dass er keine Chance haben wird. Blitzschnell schnallte sein Kopf wieder nach vorne und er rannte noch schneller. Zielbewusst wich er geschickt den Baumstämmen und Ästen aus, die ihm der vorgestrige Sturm in den Weg gepeitscht hatte. Der Phjo flüsterte ihm zu, wohin er zu gehen hatte, und Xjan wusste, dass es die einzige Möglichkeit war. Er realisierte, was dies für ihn bedeuten wird, doch der Krieger zeigte keine Furcht. Es waren zu viele, die ihn jagten. Xjan konnte den Stein nicht mehr an dessen Bestimmungsort zurückbringen. Er verliess sich ganz auf die Stimme des Phjos und liess sich von ihm durch das Dickicht leiten. Die Mission war gescheitert.

 

Xjan stand schnaufend auf dem Krater. Er hörte seine Jäger näherkommen und er schaute sich nervös auf dem Gipfel dieses Berges um. Gestein und Sand lagen auf dem Boden, ein riesiges Loch zog ihn mit seiner Dunkelheit magisch an. Sonst gab es nichts auf diesem Krater. Nur Xjan, den Swy, die sich nähernden Verfolger, die Kluft und Sand. Und die Stimme des Phjos. Von ihm hierher navigiert worden, stand er nun in etwas geduckter Haltung und schaute nervös um sich. Er presste seine Hand noch immer zusammen, den Swy hielt er weiterhin fest umklammert. Instinktiv drehte er sich mehrmals um seine eigene Achse und überlegte fieberhaft. Sein Herzschlag dröhnte laut in seinem Kopf, Schweiss tropfte über seine Wangen und dem Haar entlang, auf seinen Rücken. Seine linke Hand hielt das Schwert seines Phjos, kriegsbereit gezückt.

 

Sie kamen schnell. „Gib ihn mir zurück!" sagte der Anführer der Beyx und streckte seine Hand aus. Seine Anhänger hielten die Spitzen ihrer Stäbe drohend auf Xjan gerichtet. Es ist definitiv zu Ende. Ihn umzingelt standen sie da, ruhig aber drohend, und warteten auf die Herausgabe des Swys. Xjan überlegte, ob es vielleicht nicht doch noch einen Ausweg aus diesem katastrophalen Drama geben kann. Noch immer pochte seine Haut unter der Hitze des Steines.

 

Obwohl die Sonne um die Zeit des Mittags am höchsten steht, schauderte Xjan. Der Schmuck seines Phjos war verdreckt, die glitzernden Habseeligkeiten erloschen. Er betete still, schnaufte tief ein und schloss seine Augen. Trotz Xjans Angst, horchte er ein letztes Mal auf die Stimme seines Vaters.

 

Dann liess er sich rücklings in die tiefe, lüsterne Kluft fallen. Für sein Volk, für seine Phjos und für die Freiheit der Zukunft. Der Swy lag noch immer fest umschlugen in seiner Hand. Xjan wusste, dass es richtig war. Dennoch erschrocken über seine Entscheidung, ruderte er mit seinen Armen, doch die Dunkelheit des Nichts schluckte ihn schnell. Es war zu spät.

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.02.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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