Monika Gestrich-Kurz

die neue Mieterin

Es war natürlich nicht abgesprochen,
aber so ganz rein zufällig standen Frau Schmidt aus der Parterrewohnung links und Frau Müller aus der Parterrewohnung rechts zusammen im Treppenhaus. Wenn man sich schon sah, dann konnte man ja unmöglich wieder auseinander gehen, ohne kurz miteinander gesprochen zu haben.

Dabei hatte jede schon auf die günstige Gelegenheit gewartet, denn es gab im Haus eine Neuigkeit, die keiner der beiden Frauen so richtig passte.

Guten Morgen Frau Schmidt,
sagte Frau Müller. Haben Sie heute auch schon die neue Mieterin aus der Wohnung über der Ihren gesehen?

Ach Frau Müller,
nein heute habe ich sie noch nicht gesehen, sagte Frau Schmidt aufgebracht. Diese Person, sie passt doch überhaupt nicht in dieses Haus. Was der Vermieter sich dabei nur gedacht hat. Ich bekomme es richtig mir der Angst zu tun, wenn ich sie sehe. Und gestern im Treppenhaus, wie diese Person wieder aussah, einfach unmöglich. Zwar hat sie mich freundlich gegrüßt, aber so eine Person grüße ich doch nicht zurück.

Und Frau Müller,
seufzte Frau Schmidt, es gibt mich natürlich überhaupt nichts an, aber haben Sie auch schon bemerkt, viele Nächte kommt diese Person nicht nach Hause, sondern sie kommt erst in den frühen Morgenstunden. Dann schläft sie bis in die Puppen, denn ich höre natürlich auch, wenn erst am Nachmittag die Rollos hoch gezogen werden. Wo mag sie sich nachts wohl rumtreiben, bestimmt in irgendwelchen Kneipen, ach ich kann es einfach nicht verstehen, dass der Vermieter die schöne Wohnung über mir an so eine Frau vermietet hat. 

Frau Schmidt,
sagte Frau Müller, verstehen kann ich es auch nicht, wie man sich die Haare in so einem kräftigen Rot färben und sie auch so frisieren kann und dann immer diese hohen Schnürstiefel, diese schwarze Hose und dieser lange schwarze Mantel und die vielen Ketten und Nieten überall. Ich habe natürlich keine Ahnung was heute so getragen wird, aber wenn meine Tochter so auf die Straße ginge, der würde ich etwas anders sage.

Verständnisvoll, mit viel sagenden Blicken trennten sich die beiden Frauen schnell, denn soeben kam die neue Mieterin freundlich grüßend die Treppe herunter.

Zwei Tage später, Frau Schmidt hatte morgens Bankangelegenheiten geregelt und hatte auch schon eingekauft, denn am nächsten Tag kam ihre Tochter aus dem Urlaub zurück. Jetzt wollte sie sich mit ihrer besten Freundin in der Stadt treffen zu einer Tasse Kaffee und natürlich zu einem Stückchen Kuchen.

Da sie sich so vieles zu erzählen hatten, war es spät geworden und schon dunkel, als sie endlich vor ihrer Haustüre ankam. Der Bewegungsmelder vor der Türe sprang an und sie konnte mühelos die Haustüre öffnen. Da dieses Licht so hell war und durch das Glas der Haustüre in das Treppenhaus schien, verzichtete sie darauf, auch im Treppenhaus die Beleuchtung einzuschalten, denn sie wohnte ja schon über 10 Jahre in diesem Haus, kannte jede Stufe und für ihre Wohnungstüre zu öffnen brauchte sie kein Licht.   

 

Aber was war das denn? Mit ihrer Handtasche war sie kurz an ihre Wohnungstüre gekommen und ..... diese Türe ging einfach auf. Du meine Güte, schoss es ihr durch den Kopf, habe ich vergessen die Wohnungstüre zuzuziehen, denn abschließen tat sie ihre Wohnungstüre eigentlich nie wenn sie das Haus verließ. Ein riesiger Schreck fuhr ihr durch alle Glieder, so etwas war ihr aber noch nie passiert. Jetzt öffnete sich ihre Wohnungstüre wie von Geisterhand von selbst und sie sah, .... sah noch einmal in den Flur ihrer Wohnung .... und ein greller Schrei kam aus ihrer Kehle und halte durch das ganze Treppenhaus. Dem grellen Schrei folgte Hilfe, Hilfe, warum hilft mir denn keiner. Hilfeeee und dann wurde es ihr schwarz vor den Augen, ihre Beine gaben nach und wie in Zeitlupe sackte sie in sich zusammen.

Aus weiter Ferne hörte sie, Frau Schmidt, dann wurde ihr leicht gegen die Wangen geschlagen. Frau Schmidt kommen sie zu sich. Sie versuchte ihre Augen zu öffnen, aber die Augenlider waren schwer wie Blei, wieder Frau Schmidt kommen sie zu sich. Langsam öffnete sie ihre Augen und wäre bald erneut in Ohnmacht gefallen. Über sie gebeugt stand die neue Mieterin mit den entsetzlichen roten Haaren, ausgerechnet diese Person musste sie hier so hilflos vorfinden. 
Frau Schmidt, da sind Sie ja wieder, geht es Ihnen besser hörte sie die neue Mieterin fragen, kommen Sie versuchen Sie langsam aufzusehen, ich helfe Ihnen dabei. Soll ich Ihnen einen Arzt rufen?

Nein, nein keinen Arzt kam es ängstlich aus dem Mund von Frau Schmidt.

Frau Schmidt,
darf ich mich bei Ihnen vorstellen, bis jetzt fehlte mir die Zeit dazu. Ich bin Frau Schön, die neue Mieterin, ich habe in meiner Wohnung Ihren Schrei und das Rufen gehört und bin natürlich sofort in das Treppenhaus gekommen. Aber bis ich bei Ihnen war, waren Sie schon in Ohnmacht gefallen. Ich habe mir erlaubt ganz kurz in Ihre Wohnung zu schauen, aber der, oder die Einbrecher haben schon das Weite gesucht. Nein fallen Sie nicht erneut in Ohnmacht Frau Schmidt, tief Luft holen, langsam durchatmen, kommen Sie, setzen Sie sich auf die Treppenstufen.

Frau Schmidt,
ich habe über Handy meine Kollegen von der Polizei gerufen, sie müssten jeden Augenblick kommen. Ich bleibe natürlich bei Ihnen und gleich gehen wir einmal zusammen in Ihre Wohnung, aber nur wenn es Ihnen möglich ist. Ich kann Sie aber auch gerne nach oben in meine Wohnung bringen und Sie ruhen sich dort zuerst einmal etwas aus.

 

Was, SIE sind bei der Polizei sagte Frau Schmidt ganz verlegen und bekam dabei einen roten Kopf.

 

Ja Frau Schmidt,
ich bin Polizeibeamtin mit einer Zusatzausbildung und arbeite im Augenblick als verdeckter Ermittler in der Skinhead-Szene und damit ich dort nicht auffalle, habe ich zur Zeit diese Haare und auch für diese Szene die passende Kleidung an. Bestimmt haben ich Sie mit meinem Aussehen schon erschreckt.

Frau Schmidt konnte nur mit dem Kopf nicken. 

Frau Schön wurde bei dem Eintreffen der beiden Kollegen freundlich begrüßt und alle zusammen betraten sie die Wohnung von Frau Schmidt. Oh, .... es sah wüst aus, die Schubladen und die Schränke waren offen, deren Inhalt auf dem Boden verstreut. In allen Zimmern ein heilloses Durcheinander. Die Balkontüre war aufgebrochen und stand offen. Frau Schmidt fassen Sie bitte nichts an und möchten Sie sich nicht doch besser in meiner Wohnung aufhalten, sagte gerade Frau Schön. Nein, nein ich kann nicht, mein Gott wie sieht es hier aus und ich war doch gerade erst auf der Bank Geld für meine Tochter holen, hoffentlich sind die 500 Euro noch da, stammelte entsetzt Frau Schmidt. Aber auch das Geld war fort.

Drei Wochen später schellte es nachmittags bei Frau Schmidt an der Wohnungstüre. Sie hatte ihre Nachbarin Frau Schön zu einer Tasse Kaffee eingeladen, auch wollte sie sich natürlich bei Frau Schön für deren große Hilfe bedanken und wie hübsch Frau Schön mit der modischen Frisur und dem Kleid aussah.

Ach Frau Schön,
ich hätte ja nie vermutet, Sie sind die Tochter meines Vermieters, aber sie haben doch einen ganz anderen Familiennamen.
Ja Frau Schmidt,
ich war mit einem Kollegen verheiratet, aber unsere Ehe hat wegen den Schichtdiensten nicht funktioniert. Wir haben einfach zu wenig gemeinsame Zeit verbracht und da haben wir uns in aller Freundschaft getrennt und da die Wohnung über der Ihren gerade frei geworden war, hat mein Vater gesagt, komm ziehe doch in dieses Haus.

Frau Schön,
bitte sagen Sie Ihrem Vater noch einmal meinen herzlichen Dank. Was er hier alles in der Wohnung verändert hat. Die Fenster und vor allem die Balkontüre sind jetzt gesichert, auch an der Rückseite des Hauses ist ein Bewegungsmelder angebracht. Bevor ich jetzt das Haus verlasse kontrolliere ich zwar noch immer alles nach, denn so ganz sicher fühle ich mich in meiner Wohnung noch immer nicht. Ach und bei dem Gedanken, dass wildfremde Leute meine persönlichen Sachen durchwühlt und alles angefasst haben, ach es ist immer noch nicht so ganz einfach, seufzte Frau Schmidt.

Aber Frau Schön,
vielen Dank, dass Sie mir so geholfen haben, ich freue mich, dass eine so nette Frau in das Haus gezogen ist.


  

 

 

  

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.03.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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