Doris Göhring

Diebstahl in der Ostereierfabrik

In einem dichten Wald, in dem sich so mittendrin eine Lichtung befand, auf der sich ein

großes kunterbuntes Haus räkelte, arbeitete Herr Langlöffel. Seines Zeichens ein

Osterhase.

Herr Langlöffel war wie jeden Morgen, so kurz vor der Osterzeit, unterwegs zur Ostereier-

fabrik, die sich auf der schon genannten Lichtung im Wald, befand. Er war dort Schichtleiter

und hatte heute Frühschicht. Er lief also durch den erwachenden Wald und es wurde auch

schon hell. Ganz in Gedanken versunken sprang er doch recht flott über die altbekannten

Pfade.

Da, was war das. Aus den Augenwinkeln sah er unter einem der Büsche am Wegesrand

einen Farbklecks leuchten. Ein Stück war er, weil er so in Gedanken war, schon daran

vorüber gelaufen. So ging er die paar Schritte zurück um sich besagten Farbklecks näher

zu betrachten. Ja, da leuchtete etwas im Gras, verborgen unter einigen Laubblättern.

Um der Sache auf den Grund zu gehen, fegte er das verbergende Laub mit seiner Pfote

beiseite. Ein böser Schreck fuhr ihm in die Glieder als er erkannte, was da jetzt offen

vor ihm lag. Ostereier, eindeutig aus seiner Ostereierfabrik und es war ja noch lange nicht

Ostern. Wie kamen die Eier hier hin? Es konnte sich eigentlich nur um Diebstahl handeln.

Um die Sache aufzuklären, sammelte er kurz entschlossen die fünf Ostereier ein und beeilte

sich nun noch mehr, um zu seiner Arbeit zu gelangen.

Am Ziel angekommen begab sich Herr Langlöffel in sein Büro und schloss die Eier in den

Tresor ein.

Dann begab er sich in die Ostereier-Produktionshalle. Dort wurden die Eier grundiert, gefärbt und dann mit den phantasievollsten Mustern versehen. Kein Ei glich dem

anderen. An langen Tischreihen saßen Häschen unterschiedlichster Altersstufen an ihrer

wichtigen Arbeit. Da waren schon würdige grau werdende ältere Hasen, dann die etwas

jüngeren, auch schon mit viel Berufserfahrung und dann waren da auch noch die jungen

Häschen, sozusagen die Azubis unter den Osterhasen. Was sein muss, muss eben sein,

auch in einer Ostereierfabrik. Natürlich gab es auch vom Arbeitsamt vermittelte Prakti-

kanten, die nur kürzere Zeit dabei waren,  aber so kurz vor Ostern in der Ostereierfabrik eine

wichtige Hilfe darstellten. Diese hatten vorzugsweise die vorbereitenden Arbeiten zu über-

nehmen und waren auch in der Abteilung für Ostereierversand tätig.

Na, jedenfalls ging Herr Langlöffel, kraft seines Amtes als Schichtleiter, langsam durch die

Tischreihen und betrachtete aufmerksam die Ostereier in den unterschiedlichsten

Fertigungsstufen. Er hoffte darauf, zu erkennen, an welchem Arbeitsplatz die von ihm

aufgefundenen Eier, hergestellt wurden. Eifrig betrachtete er die Arbeiten seiner ihm Unterstellten und siehe da, in der dritten Reihe, der Sitzplatz  ganz weit unten, an dem ein jüngerer Osterhase namens Paulchen Stummelschwanz saß, dessen hergestellte Eier glichen in Stil und Farbe denen im Tresor! Dazu muss gesagt werden, dass Paulchen Stummelschwanz zu den begabtesten Ostereiermalern gehörte.

Herr Langlöffel konnte es nicht fassen, so schnell sollte sich dieser Diebstahl aufklären?

Er beschloss Herrn Stummelschwanz in sein Büro zu bitten.

 

Doch es war verzwickt. Aus Herrn Stummelschwanz´s Darstellung der Lage, wusste er von

keinem Diebstahl. Er hatte seine fertig gestellten Eier in den entsprechenden Rollkorb gelegt,

der dann in den Versand gebracht wurde. Von da an, wusste er nichts über den Verbleib der

Eier.

 

Was tun, dachte sich Herr Langlöffel und kam ins Grübeln. Das Ergebnis seines Nachdenkens war, das er sich in Richtung der Abteilung Versand wandte. Nur dort konnte

der Ort sein, wo die Eier abhanden kamen. Zu allererst befragte er den Abteilungsleiter für Ostereierversand, übrigens ein wahnsinnig wichtiger Posten, sonst würden die Eier zu Ostern nie die Empfänger erreichen, die zumeist aus Kindern bestanden.

 

Also, der Abteilungsleiter Herr Fipps Oberlauf wurde von Herrn Langlöffel ausführlich  über die Verfahrensweise des Transportes der Ostereier von der Produktionhalle bis zum Versand, befragt.

Aber auch hier, gelang es Herrn Langlöffel nicht, irgendwelche Unregelmäßigkeiten im

Betriebsablauf zu entdecken.

Solcherart zu gar keinem Ergebnis zu kommen, behagte Herrn Langlöffel nun gar nicht.

Wenn im Betriebsablauf keine Lücke zu entdecken war um die Eier zu entwenden, wo liegt

dann  die Schwachstelle? Spontan entschied sich Herr Langlöffel, noch einmal die Fundstelle zu untersuchen, was er vorhin im ersten Schock total vergessen hatte!

Er macht sich auf den Weg und hatte auch bald besagte Fundstelle wieder erreicht. Nach gründlichem Umsehen entdeckte er auch einige verräterische Spuren, die er bei seinem Hinweg schlichtweg übersehen hatte. In weiterer Entfernung befanden sich ein paar nicht mehr ganz frische Hasenspuren und direkt am Versteck, in dem Strauch hingen ein paar

hellbraune Fellhaare. Natürlich wurden diese Beweisstücke von Herrn Langlöffel vorsichtig

eingepackt und die Spuren und der Fundort fotografiert. Schließlich hatte auch Herr Langlöffel Krimis gelesen und wusste wie man sich an einem Tatort verhält.

Damit machte er sich wieder auf den Weg in die Ostereierfabrik um weitere Nachforschungen anzustellen, wenn er auch noch nicht wusste in welcher Richtung!

 

Wieder in der in der Fabrik, beschloss Herr Langlöffel in einer völlig anderen Richtung nach

zu forschen. Ihm fiel einfach keine weitere Möglichkeit ein um zu einem Ergebnis zu gelangen. Also begleiten wir Herrn Langlöffel jetzt ganz einfach auf seinem Weg, diverse

Fenster und Türen auf Spuren des gewaltsamen Eindringens von Außen, zu kontrollieren.

Nachdem er einige Fenster in der Halle kontrolliert hatte, kam er auch zu dem Fenster wo Herr Langlöffel fündig wurde. Wahrhaftig war ein Fenster nicht richtig geschlossen, wies Kratzspuren von gewaltsam verwendeten Werkzeugen, auf. Sogar einige hellbraune Haare, die so aussahen, wie die an der Ostereierfundstelle! Sorgfältig dokumentierte Herr Langlöffel alle Spuren und kam zu folgendem Ergebnis.

 

Es musste sich um ein Tier mit hellbraunem Fell handeln, höchstwahrscheinlich ein Hase,

der sich gut im Wald und in der Fabrik sowie in deren Fertigungsablauf, sehr gut auskannte,

da der Ostereierdieb zielsicher die bemalten Eier des begabtesten Ostereierbemalers, mitnahm

um sie im Wald zu verstecken.

 

So weit, so gut! Aber wie konnte man jetzt noch herausfinden, wer der bewusste Dieb war.

Doch da kam Herrn Langlöffel der Zufall zu Hilfe! Ohne ein bisschen Glück, geht es eben nicht! Hatte nicht einer der anwesenden Arbeiter, der eine Doppelschicht fuhr, beobachtet,

wie in der vergangenen Nacht ein fremder Osterhase in der Produktionshalle anwesend war.

Er hatte hellbraunes Fell und stellte sich sogar als Sicherheitsinspektor vor. Allerdings hatte

 

von der anwesenden Schicht keiner von ihm einen Ausweis verlangt, sondern seine Anwesenheit als ganz normal hingenommen. So ist das eben manchmal, man ist nicht misstrauisch genug.

 

Nach der akkuraten Beschreibung des vorgeblichen Inspektors, kam Herr Langlöffel zu

dem Ergebnis, das es sich um einen Osterhasen aus dem Nachbarwald handelte, also um die Konkurrenz. Ach du Gott, dachte Herr Langlöffel, auch das noch, Ostereierspionage!

Was nun tun? Einen Versuch war es wert. Herr Langlöffel griff zum Telefonhörer und ließ sich mit dem Nachbarunternehmen im Nachbarwald verbinden. Wie es manchmal so ist, klang es einige Male aus dem Telefonhörer: „Bitte warten Sie!“. Nachdem Herrn Langlöffels

Geduld genügend strapaziert wurde, hatte er den Betriebsleiter, Herrn Osterbier, selbst am Apparat. Herr Langlöffel schilderte sein Anliegen und seinen Verdacht auf Spionage und  forderte eine Stellungnahme dazu.

Doch entgegen seinen Erwartungen zeigte sich der Leiter des benachbarten Konkurrenzunternehmens kooperativ. Auf Grund von Beobachtungen seines

Sicherheitsdienstes zu dem verdächtigen Hasen, war Ihnen der Sachverhalt bereits bekannt.

Es handelte sich um einen übereifrigen, jungen Nachwuchshasen, der unbedingt wissen

wollte, worauf sich die immer wieder guten Umsätze von Herrn Langlöffels Ostereierfabrik

begründeten. Deshalb stahl dieser junge Tunichtgut, namens Seppl Osterhut, die Ostereier

aus Herrn Langlöffels Fabrik, wo er nachts ein Fenster aufhebelte, um dem Einlassdienst zu entgehen und sich als Sicherheitsinspektor in die Fabrikhalle einschlich.

Herr Osterbier entschuldigte sich vielmals und gab an, dem jungen Seppl Osterhut bereits die

Leviten gelesen zu haben.

Um solchen Aktionen künftig vorzubeugen, machte Herr Langlöffel dem Herrn Osterbier spontan den Vorschlag, doch solche Aktivitäten umzulenken, indem sie eine Ostereiermesse veranstalteten. Zu dieser Messe sollten die besten Ostereier und die Ostereierdesigner vorgestellt werden und gegeneinander wetteifern. So würden vielleicht auch neue Ideen

sprudeln und der Ostereierverkauf  könnte angekurbelt werden.

Die beiden Herren, Herr Langlöffel und Herr Osterbier, beschlossen diese Idee schnellstens

umzusetzen und darüber noch einmal ausführlicher bei einem Geschäftsessen, bei dem es keine Ostereier geben würde, zu beraten.

 

Erfreut darüber, dass sich alles doch relativ schnell und ohne größere Schäden gelöst hatte,

legte Herr Langlöffel den Telefonhörer auf und wandte sich seiner eigentlichen Arbeit als Schichtleiter in einer Ostereierfabrik zu. Schließlich mussten ja noch viele, viele Eier bemalt werden, damit sie schön farbig aus ihren Verstecken heraus den Kindern einen klitzekleinen Anhaltspunkt zum Finden liefern können.

 

In diesem Sinne, lassen wir Herrn Langlöffel und seine ihm unterstellten Osterhasen, ohne Gewissensbisse unsererseits, weiter schuften!

 

Trotz allem, allen kleinen und großen Ostereiersuchern

 

                                                              Frohe Ostern!

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