Tanja Wichern

Wie der “Osterhase“ online arbeitet

Ostern war großartig und verlief fast reibungslos nach Plan. Mein Mann und ich versteckten die Schokoladenostereier und Schokoladenosterhasen nach allen Regeln der Kunst. In der Regenrinne, in unwirtlichen Heckenrandgebieten, die selbst von Gärtnern fast akrobatische Verrenkungskünste verlangen, um in sie einzudringen, in Fischernetzen und Hohlräumen von Gartennymphen aus Gips. Vor derartigen Herausforderungen gestellt lief der detektivische Spürsinn unserer Kinder zu Hochformen auf. Schwere und unglaublich kalorienreiche Osternester wurden wie eine triumphale Beute erst ins Haus, dann in den süßen Kindermund befördert. Sie sind auch Eltern und kennen das? Dann passen Sie auf, dass Sie nicht in die gleiche Verhörfalle der kleinen Osterdetektiven tappen wie ich.


Um nicht nur Süßigkeiten zu verschenken, haben wir als Osterhasen auch kleine Spiele versteckt. Unsere Jüngste – Ida – schob sich genüsslich ein weiteres Vollmilch-Schokoladenei in den Kindermund und wandte sich glücklich ihrer im Garten aufgespürten Hello-Kitty-Malschablone zu. „Du Mama?“ „Ja?“ „Wer hatte denn die Idee, mir die Helly-Kitty-Malschablone zu schenken: Du oder Papa?“ Holla die Waldfee, wir sind durchschaut – sie hat bemerkt, dass es keinen Osterhasen gibt, mutmaßte ich. „Ich“, antwortete ich. „Und das hast du dann dem Osterhasen gesagt?“ Aha! Ein bisschen Osterhase darf es also doch noch sein? „Genau!“ „Und wie hast du das gemacht, Mama?“ Ich blickte mein Töchterlein fragend an. „Ja WIE hast du es ihm gesagt? Hast du ihn angerufen?“ Oje. Jetzt bloß keine Verstrickungen. Sage ich „Ja“, fragt sie prompt nach der Nummer des Osterhasen, um auch mal unterjährig mit ihm über neue Geschenkideen zu plaudern. Was tun? Könnte der Osterhase nicht vorbeibekommen sein? „Warum habe ich dann das Klingeln nicht gehört?“, würde Ida fragen. „Weil er so hineingekommen ist“, wäre auch keine passende Antwort. Denn als ich selbst Kind war, fragte ich ja auch direkt nach dem Zweitschlüssel, den der Hase offenbar zu unserem Heim hatte und ob ich den dann kontaktieren könnte, wenn ich mich mal aussperren sollte. Bei konventionellen Briefen muss ich mit einer postalischen Osterhasenanschrift aufwarten. „Ich habe ihm gemailt“, antwortete ich kurzentschlossen. „Gemailt???“, staunte Ida. „Jawoll!“ „Hat der Osterhase Email?“ „Natürlich! Haben wir doch auch oder?“ „Dann hat der Osterhase auch einen Computer?“ „Naja, der Osterhase ist ja viel unterwegs“, überlegte ich, „ich könnte mir vorstellen, dass er einen Blackberry hat, genau wie Papa…“ Zufriedenheit spiegelte sich in Idas Gesicht wieder. Das schien ihr sehr plausibel. „Dann kann ich dem Osterhasen ja auch einmal eine Email schreiben!“, freute sich meine Süße. „Klar!“, erwiderte ich ganz lässig, „Nur wird es bestimmt bis zum nächsten Frühjahr dauern, bis er antworte! t. Überl eg mal, wie viele andere Kindern ihm auch schreiben werden, Ida…“ „Ach, das macht nichts, das ist schon okay“, sagte Ida in gönnerhaften Ton und schloss damit das Thema für sich ab. Mit einem stillen Lächeln wickelte sie das nächste Osterei aus, schob es in den Mund und beugte sich wieder hochkonzentriert über die Malschablone, die dank erfolgreicher Online-Kommunikation zwischen Mama und Osterhase im Osternest gelegen hat.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.04.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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