Jede Nacht sehe ich die Zukunft.
Jedes Mal wenn ich die Augen schließe fährt ein Blitz durch mein Gehirn.
Vielleicht ist eine Gabe. Für mich ist es eine Qual. Seit Jahren lebe ich zwei Leben, deshalb schlafe ich kaum mehr.
Tagsüber lebe ich mein monotones, normales Leben.
Nachts lebe ich auch mein monotones, normales Leben. Aber eben das Leben des nächsten Tages.
Überraschungen gibt es keine. Zufälle gibt es keine.
Ich sehe nicht, ich weiß. Ich lebe nicht, ich kenne. Ich bin nicht, ich war.
Die
Krähe sitzt auf der Stromleitung über mir und schaut mich an.
In ihren
intelligenten Augen sehe ich Erkennen. Oder vielleicht Wissen. Sie ist wegen
mir gekommen.
Ich bin
nicht abergläubisch, eigentlich ein sehr unspiritueller Mensch. Trotzdem
befasse ich mich mit diesen Dingen. Im Aberglauben vieler Menschen sind Krähen
die Begleiter der Toten. Wer eine Krähe erkennt, erkennt sich Selbst. Seine
Seele, sein sphärisches Sein. Die Krähe ist der Begleiter.
Plötzlich
hebt der Vogel seinen Flügel, eine einzelne Feder gleitet zu Boden. Die Krähe
schreit und wirft den Kopf herum.
Ich gehe
hin und hebe die Feder auf. Wunderschön. Eine perfekte Feder.
Dann
höre ich Bremsen quietschen. Ich hebe ab von der Erde. Die Zeit dehnt sich in
die Ewigkeit aus. Ich nehme plötzlich viel mehr von der Umwelt wahr. Den Wind,
den Lärm der Stadt, den Schrei der Krähe.
Dann
durchschlage ich die Windschutzscheibe. Um mich wird es dunkel, sehr dunkel.
Die
Krähe schreit ein letztes Mal.
Ende.
Ich wache auf und wische mir den kalten Schweiß von der Stirn. Dunkelheit.
Aber ich weiß, dass ich in Sicherheit bin. In der Wärme meines Bettes. Der kalte Griff des Alptraums verlässt meine Glieder und ich schlafe wieder ein.
Die
Krähe sitzt auf der Stromleitung über mir und schaut mich an.
In ihren
intelligenten Augen sehe ich Erkennen. Oder vielleicht Wissen. Sie ist wegen
mir gekommen.
Ich bin
nicht abergläubisch, eigentlich ein sehr unspiritueller Mensch. Trotzdem
befasse ich mich mit diesen Dingen. Im Aberglauben vieler Menschen sind Krähen
die Begleiter der Toten. Wer eine Krähe erkennt, erkennt sich Selbst. Seine
Seele, sein sphärisches Sein. Die Krähe ist der Begleiter.
Plötzlich
hebt der Vogel seinen Flügel, eine einzelne Feder gleitet zu Boden. Die Krähe
schreit und wirft den Kopf herum.
Ich gehe
hin und hebe die Feder auf. Wunderschön. Eine perfekte Feder.
Dann
höre ich Bremsen quietschen. Ich hebe ab von der Erde. Die Zeit dehnt sich in
die Ewigkeit aus. Ich nehme plötzlich viel mehr von der Umwelt wahr. Den Wind,
den Lärm der Stadt, den Schrei der Krähe.
Wohl
wissend was passieren wird gehe ich bis zur nächsten Hauswand.
Das
Auto, das mich vorher erwischt hat, fährt an mir vorbei. Es ist rot.
An der
nächsten Ampel bleibt es stehen. Zwei weitere Wagen und ein LKW fahren vorbei.
Die Feder hebt langsam ab und landet vor meinen Füßen. Die Krähe schreit.
Ich atme
auf und wäge mich in Sicherheit. Aber dann fährt plötzlich ein blauer
Sportwagen auf den Gehsteig und kommt näher.
Der
Fahrer, eine Frau, hat einen Lippenstift zwischen den Fingern und ein Handy in
der anderen Hand. Auf ihrem Gesicht stehen Schweißporen, sie versucht, als sie
mich sieht, den Wagen zu verreißen. Aber wie ein Pingpong-Ball schlingert der
Wagen zwischen Hauswänden und dem LKW hin und her.
Ich
stehe wie gelähmt da, die Feder in der Hand.
Ich hebe
ab von der Erde. Die Zeit dehnt sich in die Ewigkeit aus. Ich nehme plötzlich
viel mehr von der Umwelt wahr. Den Wind, den Lärm der Stadt, den Schrei der
Krähe.
Dann
durchschlage ich die Windschutzscheibe. Um mich wird es dunkel, sehr dunkel.
Die
Krähe schreit ein letztes Mal.
Ende.
Ich wache wieder auf. Es ist 06:29.
Eine Minute bevor der Wecker mich sowieso aus dem Schlaf gerissen hätte.
Müde gehe ich zum Fenster, schnappe mir ein Handtuch. Dann erstarre ich.
Auf dem Fensterbrett sitzt eine Krähe und schaut mich an.
„Ist es soweit?“
Die Krähe wirft den Kopf herum, schreit und fliegt dann weg. Auf der Fensterbank bleibt eine Feder zurück. Die perfekte Feder.
Heute bleibe ich zuhause und versuche zu schlafen.
Das erste Mal seit Jahren kann ich schlafen. Es ist ein Segen und eine Qual zugleich. Denn das Ausbleiben meiner Träume kann nur eines bedeuten. Es gibt nichts mehr zu zeigen, zu erleben. Ich werde heute sterben.
An jedem anderen Tag hätte mich die Gabe, die Qual, ohne Zögern eingetauscht. Aber jetzt kriecht eine kalte Angst in mir hoch, die mich langsam zerfrisst.
Diese Unruhe ist unerträglich.
Schließlich, als ich ausgeschlafen habe, ergebe ich mich meinem Schicksal. Ich schreibe meine letzten Erlebnisse nieder, sie sollen für Nachwelt erhalten bleiben. Sie sollen meine Qual schildern, die mich Jahre lang begleitet hat.
Ich habe keine Freunde, keine Familie, die das hier verfolgen könnten. Ich bin allein.
Ich gehe.
Als ich das Haus verlasse sehe ich die Krähe wieder.
„Ist es soweit.“
Die Krähe schweigt. Sie wirft den Kopf herum, eine einzelne Feder gleitet zu Boden. Sie ist grau, nicht schwarz wie in meinem Traum.
„Bin ich frei?“ frage ich. Die Krähe schreit. Dann wird die Feder schwarz. Die Feder gleitet in meine Hand.
Es ist vorbei.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.05.2010.
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Freitag Nacht
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