David Böhm

Die Flucht (Romanauszug aus “City of brotherly Love“)



Die Flucht

David Böhm

 

New York, 22. April 2007,  NYSPI, Station 5, Zimmer 11.


Der Mann stand am Fenster, blickte starr hinunter auf die Straße und beobachtete einige vorbeifahrenden Autos. Er schaute auf die Wanduhr, die über der Tür ohne Klinke hang. Noch einige Minuten. Es war bereits dunkel und die Nacht begann. Tränen quollen über sein Gesicht, doch sein Körper rührte sich nicht. Plump stand er da, abgestützt am Fensterbrett und genoss das Licht der Freiheit. Es leuchtete in sein dunkles Zimmer und zeichnete Streifen auf seinem Gesicht. Sein Kopf war leer, gedankenlos, fast in einer anderen Welt. Doch er wusste genau, warum er hier ist, was er hier macht und was er machen wird. Er strich sich durch seine kurzen, braunen, fettigen Haare. Er war schlank, fast dürr und zerbrechlich und dunkle Augenhöhlen zeichneten sein schmales, weißes Gesicht. Seine dunklen, braunen Augen wanderten umher.

   Nun wandte er sich vom Fenster ab und schritt durch sein Zimmer. Seine Augen blickten wieder zur Wanduhr. Gleich. Die Arme hinter dem Rücken gelegt, ging er auf und ab und stammelte vor sich hin. Abermals blickte er auf die Uhr und blieb stehen. Sein Blick durchbohrte die Uhr und seine Augen wurden wachsam. Schwankend nahm er auf dem großem Krankenbett platz. Er schloss noch einmal die Augen, atmete tief ein und aus und drückte schließlich den roten Knopf an der linken Seite des Bettes. Die Show begann.

   Er stand vom Bett auf, kniete sich zu Boden und keuchte tief und kränklich. Er rang nach Luft, schlug mit den Händen auf dem Boden und griff sich mit seinen Händen um den Hals. Einen Moment später öffnete sich die Tür. Ein Mann mit weißem Kittel, weißen Schuhen und einer schwarzen Brille kam ins Zimmer hineingestürzt.

   »Mr. Collington, was ist hier los?«, fragte der Mann. Er schien äußerst beunruhigt und erschrak, als er den um Luft ringenden Mann am Boden sah.

Er warf  sich zu ihm runter und versuchte den erstickenden Mann zu helfen. Er schlug ihm kräftig auf den Rücken, riss ihm die Hände von seinem Hals und brachte ihn auf die Beine. Der Mann keuchte immer heftiger und wurde schwächlicher auf den Beinen. Trotz aller Kraft des Krankenpflegers sackte er auf dem Boden und seine Gliedmaßen erschlafften. Sein Griff um den Hals löste sich allmählich. Die Panik kroch dem Krankenpfleger deutlich ins Gesicht. Sichtlich nervös rüttelte er an dem scheinbar toten Patienten herum, bis sich das Blatt wendete. Der Mann riss die Augen auf, umklammerte den Pfleger und hielt ihm Mund und Nase fest zu. Er drückte ihn zu Boden und saß auf ihm. Leise Hilfeschreie drangen durch das Zimmer und der Pfleger strampelte fest gegen den Mann. Mit einem schnellen Griff brach er ihm das Genick.  

   Der Mann betrachtete den toten Pfleger vor sich. Er hatte dieselben kurzen braunen Haare und war ebenso schmal gebaut. Furcht machte sich in seinem Gesicht breit und er schien sichtlich nervös beim Anblick seines Opfers. The Show must go on. Jetzt musste alles schnell gehen. Er rannte zur Tür und schloss diese. Zurück beim Pfleger riss er ihm die weißen Sachen vom Leib und zog sie sich drüber. Er hievte die Aufsicht mit Mühen ins Bett und deckte ihn zu. Er durchsuchte den Kittel und fand den Schlüssel, ein wichtiger Gegenstand auf seinem Weg. Er schlich zur Tür, öffnete diese mit dem Schlüssel und spähte behutsam in den hellbeleuchteten Gang. Keiner war zusehen. Er trat hinaus und schloss die Tür zu. Sein Herz sprang eine Etage höher, als hinter ihm am Ende des Ganges eine Stimme hervor schallte.

   »Was ist los, Peter?«, fragte die Schwester matt.

Der Mann stand immer noch mit dem Rücken zur Schwester. Ein Schweißtropfen rollte ihm über die Stirn und einem Moment lang wusste er keinen Ausweg. Seine Pulsader pochte. Normalerweise dürfe sie nicht in diesem Flur sein. Er begann zu gehen und zeigte über seine Schulter den Daumen nach oben. Es kam keine Reaktion von der Schwester, doch er wagte es nicht, einen Blick nach hinten zu riskieren. Er ging mit beschleunigtem Schritt den Gang entlang und bog rechts ab. Er hörte keine Schritte, die ihm folgten und atmete auf. Es war noch nicht geschafft. Eine dumpfe Ruhe füllte den Gang, es war fast schon unheimlich.

   Er schlich mit schnellem Schritt weiter durch den Gang, bog noch einmal links ab und erkannte schon von weiten die Rezeption der Station 5. Zwei Pfleger hielten immer die Nachtschicht. Er betete nun zu Gott, dass die Pflegerin von gerade eben seinen Plan nicht durchkreuzt und dort bleibt, wo sie eben

war. Er trat hinter die Rezeption, die er zuvor noch nie gesehen hat. Hektisch suchte er nach den Rekordern der Videokameras. Nach kurzem Gewusel zog er die Kassetten aus den Recordern und machte sich aus dem Staub. Er hastete zum Personaldurchgang, schloss diesen mit dem Schlüssel auf und trat durch. Auch hier war er noch nie zuvor gewesen. Er wusste nur eins: Irgendwo musste es hier einen Aufzug geben. Er blickte sich schnell im Gang um, schlich von Tür zu Tür, bis er die große Doppeltür zum Aufzug entdeckte. Es wischte sich den Schweiß von der Stirn,  trat hinein und beförderte sich ins Untergeschoss 1.

   Dort angekommen wusste er genau wohin. Es war alles Stockfinster, doch er machte keine Anstalten, das Licht anzumachen. Er tastete sich bedachtsam den Gang entlang und stoppte an der Tür. Dies war die Tür zur Gemeinschaftswerkstatt der Patienten. Mit zitternden Händen suchte er den passenden Schlüssel und nach einigen Versuchen hatte er den Richtigen gefunden. In der Werkstatt drin war es ungewöhnlich kalt. Hier kannte er sich wiederum bestens aus. Er verbrachte viel Zeit hier unten. Er durchquerte die dunkle Werkstatt. Der nächste Raum war sein Ziel. Er betrat eine große Lagerhalle, mit vielen Kartons, Werkzeugen, Medikamenten und Lebensmitteln. Am Ende der Halle war das große Tor und durch den Schlitz unten leuchtete das schwache Licht der Freiheit. Er begutachtete die Kartons, besonders die beschrifteten, fertig gepackten - die in innerhalb 3 Stunden dieses Gebäude verlassen. Er zog sich aus einem Stapel von Umzugskartons einen heraus. Und genau dieser Karton war sein Ticket in die Freiheit.      

 

 

 

Sechs Monate später. New York Police Department.

 

 

 

„Guten Tag, mein Name ist Mathew Collington. Ich möchte eine Anzeige gegen Mr. Valentin Collington aufgeben. Er ist im April dieses Jahres aus dem NYSPI geflüchtet.“

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.05.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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