Nicolai Rosemann

Geisel der Meere

Sie glitten auf den Planken durch den schwarzen Pulverrauch.

Das Schiff erzitterte unter der Breitseite. Die Orkgaleere längsseits backbord schien sich zusammenzuziehen bevor sie in einem gurgelnden Feuerball verging. Die versklavten Ruderer und die Orkkrieger gingen in dem Feuer unter, Bretter und geschmolzener Stahl hagelten auf die umliegenden Schiffe nieder. Irgendwo explodierte eine Kanone und löste eine Kettenreaktion aus, die schließlich ein ganzes Schiff ebenfalls in die Tiefe schickte.

„Bringt uns an die nächste Galeere!“ schrie der erste Maat durch den Lärm seinen Männern zu. Er hatte ein kantiges, wettergegerbtes Gesicht mit einer weißen Narbe auf der rechten Wange, die vom Auge bis zum Kinn reichte. Eben das rechte Auge war blind, weshalb er eine schwarze Augenklappe trug, die mit dem Emblem der Flotte beschlagen war. Im Nahkampf pflegte er die Augenklappe jedoch abzunehmen um den Feind einzuschüchtern. Bei Menschen mochte das funktionieren, die Orks schien der Makel jedoch nicht zu stören.

Langsam wendete das Schiff zum Manöver, die Kanonen wurden nachgeladen. Vereinzelt riefen Matrosen kurze Befehle.

Weit entfernt begann eine Kettenreaktion. Das Leitschiff, die Esmeralda, senkte die königliche Flagge. An Deck tobten Kämpfe, die Orks schienen dabei die Oberhand zu gewinnen. Da brach die Götterhammer durch das sinkende Wrack einer feindlichen Galeere und versenkte das eigene Schiff mit einer totalen Breitseite. Kurz darauf wurde sie selber geentert und verlor die Flagge. Die Besatzung hatte durch diese tapfere Manöver zwar verhindert, dass das Leitschiff in die Hände des Feindes fiel, damit hatten sie aber selbst auf dem Präsentierteller gestanden. Von den Kämpfen geschwächt und schwer beschädigt war es den Orks ein leichtes das Schiff zu entern und die verbliebenen Matrosen und Ritter niederzukämpfen. Mit bedenklicher Breitseite scherte das Schiff schließlich aus und rammte die schwere Fregatte Albatros. Erneut schwangen sich Orks an Bord eines königlichen Schiffs während ihr eigenes Schiff von der aufgewühlten See verschlungen wurde.

Die Galeere Himmelstor eilte schließlich der Albatros zu Hilfe, beschädigt eine Orkgaleere, die sich dem angeschlagenen Schiff näherte und drängte eine weitere Galeere ab. Kurz darauf rammten gleich drei Orkschiffe das mutige Boot und ließen es wie einen morschen Ast zerbrechen. Besatzung und Schiff gingen lautlos in die Tiefe.

„Kapitän?“ fragte der erste Maat als er das Geschehen verfolgte. Der Kapitän, ein kampferprobter Seebär, nickte stumm und streckte seinen Arm aus. „Bringen Sie uns in den Schlund der Hölle!“ befahl er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch erlaubte. Das verbliebene Auge des Maats leuchtete auf als er den Befehl bestätigte: „Aye! Bringen wir diesen Barbaren bei aus welchem Holz unsere Engelskrieger geschnitzt ist.“

Wie beiläufig versenkte die Engelskrieger kurz darauf eine der letzten verblieben Galeeren des Feindes und setzte Kurs auf den Pulk, der sich um das sinkende Wrack des einst stolzen Schiffs Himmelstor gebildet hatte. Obwohl sie schnell sank, wurde an Deck verbissen gekämpft.

Zur Engelskrieger schlossen schnell die beiden letzten Schiffe der Flotte auf. Die Rabenrecht und die Sturmbringer setzten volle Segel und brachten sich wie ihr neues Leitschiff mitten in den Bauch der Hölle. Das ohrenbetäubende Knallen der Kanonen entlud sich in einem beinahe zeitgleichen, kurzen Gewitter.

Rümpfe wurden aufgerissen oder zerschmettert, Material und Leichen gingen hoch in die Luft bevor das Meer sie verschlang.

Freund war im Pulverrauch kaum von Feind zu unterscheiden. So konnten die Reste der Orkflotten sich zwischen die Angreifer schieben und sie entern. Schwer gerüstete und bewaffnete Orks schwangen sich an Tauen herüber, wo sie bereits von Matrosen und Rittern erwartet wurden. Viele Enterversuche misslangen und die Angreifer wurden zurück ins Meer geworfen, doch wo sie Fuß fassen konnten, zahlten die Verteidiger bald großen Blutzoll.

Orks waren an Land schon gefährliche Gegner, doch mit dem Wasser im Rücken fochten sie noch verbissener. Mit ihren primitiv wirkenden riesigen Äxten und Schwertern waren sie den Piken, Entermessern und Beilen der Matrosen natürlich weit überlegen. Nur die Ritter, selbst schwer bepanzert und bewaffnet, konnten ihnen Einhalt gebieten.

Ab und an knallte eine Muskete, doch der Kampf wurde von klirrendem Stahl dominiert. Die blutigen Zweikämpfe wogten hin und her. Orks grunzten, Menschen schrien. Und natürlich färbte sich das Deck schnell rot vom Blut der gefallenen und verwundeten Kämpfer.

Eben noch schlug ein Matrose an der Seite des Kapitäns einem Ork sein Beil in den Schädel, als er auch schon von einem anderen Ork gepackt wurde, der ihn in die See schleuderte. Der Kapitän, mit einem Krieghammer bewaffnet, zerschmetterte den Kopf des Angreifers und schrie in Ekstase auf als ein neuer Gegner auf ihn zusprang. Beide Waffen trafen einander, Funken stoben und die Muskeln beider Kämpfer traten hervor. Verbissen standen sie sich mit gekreuzter Waffe gegenüber, die freie Hand am Arm des Gegners, und knurrten sich an. Schließlich versuchte der Ork nach dem Gesicht des Gegners zu schnappen, was sein Verhängnis wurde. Der Kapitän versetzte ihm einen gewaltigen Kopfstoß und brachte den Feind ins Taumeln. Mit einer schnellen Kombination von drei Schlägen trieb er ihn dann zu den Resten des Geländers am Hinterdeck und versetzte dem Feind einen kräftigen Fußtritt vor die Brust. Brüllend stürzte der Ork nach hinten, hatte jedoch noch genug Kraft sein Schwert zu schleudern. Es traf den Kapitän in die Brust und ließ ihn zusammensacken.

Das Gefecht schien still zu stehen als der Mann fiel. Der erste Maat reagierte dann als erster und stieß einen lauten Kriegsschrei aus. Ebenso geschickt wie fanatisch trieb er seinen Gegner ins Meer, streckte den letzten Feind an Deck mit dem Wurf seines Säbels nieder und eilte zu seinem Kapitän.

„Herr“, keuchte er. Doch der Kapitän lächelte, obwohl ihm Blut aus dem Mundwinkel rann. „Nur ein Kratzer, mein Freund. Haben wir gesiegt?“ fragte er mit schwacher Stimme und wurde von einem Hustanfall geschüttelt. Er spuckte weiteres Blut. Der Maat sah sich schnell um. Doch nirgends mehr auf diesem Schiff wurde gekämpft. „Aye, wir haben gesiegt.“

„Dann bringt das Schiff in einen sicheren Hafen. Lasst nichts für die Orks übrig.“

„Ja, Herr, natürlich.“

„Das Meer wird sich meiner annehmen. Ihr seid jetzt Kapitän.“ Mit diesen Worten schloss der Kapitän die Augen. Bevor der Heiler eintraf wurde er schon kalt. Doch bis zuletzt hielt ihm der Maat die Hand. Dann stand er auf, klopfte sich den imaginären Staub von der Kleidung und ergriff das Steuerrad. „Neuer Kurs: nach Hause!“

Neben ihnen sank die Rabenrecht auf Grund, die Kämpfe an Deck waren mit einem unentschieden verebbt, als die letzten Kämpfer in den Armen des Feindes ihr Leben aushauchten.

Die Sturmbringer wurde von der verblieben Besatzung verlassen. Im Rumpf klaffte ein riesiges Loch und auf dem Vordeck tobte ein Feuer.

Aus dem Ausguck ertönte schließlich ein Ruf. „Segel am Horizont!“

„Nachschub“, jubelten die Matrosen. Der erste Maat ergriff ein Fernrohr und stellte fest, dass es zerbrochen war. Trotzdem warf er einen Blick hindurch. In einem unscharfen Bild erkannte er die Standarten der Orks an Deck. Kein Nachschub, noch mehr Feinde.

„Setzt alles was wir haben!“ befahl er. Dann leiser: „Vielleicht können wir ihnen entkommen.“

Doch die feindliche Armada, die bald das gesamte Blickfeld ausfüllte, holte schnell auf. Die erschöpfte Besatzung machte sich wieder kampfbereit. Schnell wurden einige Waffen noch nachgeschliffen, Ausrüstung ersetzt. Die meisten sprachen jedoch ein kurzes Gebet zu den Göttern.

Bald schon hörten sie die Kriegstrommeln der Orks, die immer lauter und drohender geworden waren. Sie verkündeten das baldige Ende.

Da zogen dunkle Wolken auf. Donnergrollen war zu hören, in der Ferne zuckten Blitze. Das Unwetter schien aus dem Nichts zu kommen, und vor allem kam es sehr schnell näher. Bald schon schob es sich zwischen das letzte königliche Schiff und die Verfolger.

Die Wolken waren von einer unsagbaren Dunkelheit als hätte das Böse selbst sie geschickt. Die Blitze zuckten ungewöhnlich häufig und das Donnern war bald schon so laut, dass die Matrosen das eigene Wort nicht mehr vernehmen konnte.

Schließlich begannen die Orks aus der Ferne auf das Schiff zu schießen. Eine verirrte Kanonenkugel durchschlug das Segel, doch meistens peitschten die Schüsse nur weit entfernt Wasser auf.

 

Angespannt stand die Besatzung an Deck, die Waffe im Anschlag. Ritter stopften noch ihre Musketen, Matrosen wiegten nervös ihre Waffen.

Plötzlich meldete der Ausguck: „Segel backbord!“

Gespannt wandte die Besatzung ihren Blick. Am Horizont war ein kleiner Punkt zu sehen, der schnell näher kam. Hoffnungsvoll streckten sich die Matrosen. Doch dann rief der Ausguck: „Kein bekanntes Feldzeichen zu erkennen.“

„Was zur Hölle ist das?“ keuchte ein Matrose als das neue Schiff innerhalb weniger Sekunden zu einem deutlichen Schemen heranwuchs. Wie von einer dunklen Macht angetrieben schien dieses Schiff Kraft und Geschwindigkeit zu gewinnen. Immer mehr Details wurden sichtbar.

„Keine Besatzung oder Bewaffnung zu erkennen, Kapitän“, setzte der Ausguck seinen Bericht fort.

Nervös kratzte sich der alte Seebär am Kinnbart. „Weiter auf Kurs bleiben. Mal sehen was passiert.“

Inzwischen war die Orkflotte mit dem Sturm im Rücken auch bedenklich nahe gekommen. Die Kriegstrommeln waren nun ein alles übertönendes Stakkato von Schlägen.

Das neue unbekannte Schiff schob sich nun zwischen das Flüchtende und die Verfolger. Kanonenkugeln flogen im weitem Bogen darüber und mischten die See auf. Ein Schuss zerschmetterte schließlich das Ruder des königlichen Schiffs.

Verzweifelt lösten die Matrosen ihre Formationen an Deck auf und flohen in die Wanten oder unter Deck. Die Ruder wurden gestreckt um weiteren Antrieb zu geben. Die Orks kamen jedoch bedrohlich näher, ihre Schüsse wurden gezielter und ihre Treffer zahlreicher. Das Segel wurde schließlich zerfetzt, ebenso wie unzählige Taue und die Wanten, sodass das Schiff weiter an Fahrt verlor.

Da wendete das unbekannte neue Schiff sich plötzlich gegen die Verfolger und fuhr mitten hinein. Die aufgewühlte See schien es in einem Moment noch zu verschlingen, im nächsten Moment war es von den Blitzen des Sturms erleuchtet mitten in den Reihen der Verfolger.

Erst jetzt waren genaue Details zu erkennen. Der Rumpf war bleich und hautfarben, auf jeden Fall nicht aus Holz gefertigt. Der Mast war kreidebleich als wäre er aus Knochen geschnitzt, an ihm hing ein schwarzes Segel, geflochten wie aus Haar. Der Rumpf war zusätzlich mit schwarzen Eisen beschlagen, aus dem Bauch des Schiffs ertönte ein dumpfes Pochen. Knarrend öffneten sich zu beiden Seiten Luken wie der Rachen unzähliger Dämonen. Unfertig wirkende Kanonen schwenkten aus. Mit dumpfem Donnergrollen entluden sie ihr Gewitter auf die Orks und zerschmetterten auf einen Schlag weit über ein Dutzend Schiffe. Die gezielten Schüsse gingen durch die Galeeren wie ein Messer durch die Butter.

Da trat die Besatzung an Deck. Knochige, mit Fetzen behangene Skelette mit plump wirkenden Waffen, die sich sofort auf die Gegner warfen.

Die Kriegstrommeln der Orks verloren den Takt, als die Kämpfe an Deck begannen. Wie die Flut wogten die neuen Angreifer über ihre Feinde und schlugen jeden Widerstand nieder, während weitere Krieger immer noch aus dem Bauch dieses Schiffes hervorquollen.

Entsetzt verfolgten die Matrosen des königlichen Schiffs das Massaker unter den Orks. Die Verfolger verloren durch die Kämpfe an Fahrt, wodurch sich der Vorsprung des Schiffs wieder vergrößerte. Doch dieser Angreifer war Niemandem geheuer. Selbst ihre schlimmsten Alpträume hatten nie solche Ausmaße angenommen.

Der Sturm schien durch den Kampf weiter an Stärke zu gewinnen. Immer höher wogten die Wellen auf, bis sie schließlich der Reihe nach Schiffe der Orkflotte verschlagen. Wo nicht gekämpft wurde, tat das Meer seinen Dienst.

Währenddessen nahm das flüchtende königliche Schiff weiter Fahrt auf und entfernte sich, bis meterhohe Wellen dieses Höllenschiff dem Blick der Besatzung entzog.

Weiter auf Kurs in den Heimathafen blieb dieser Vorfall in aller Munde. Abenteuerliche Gerüchte gingen in Umlauf, von wegen das es das verfluche Höllenschiff sei, mit dem Auftrag, alle Gefährte auf See auf den Grund zu schicken, bis hin zu dem Gerücht dieses Schiff sei die Strafe Gottes für die Verfehlungen aller Seeleute bis zum heutigen Tage.

 

Als das Schiff in Sichtweite des Heimathafens kam, brauchte es nicht lange, bis sich Frauen mit Kindern und vereinzelt Handwerker und Tagelöhner versammelt hatten. Dazwischen standen Ritter mit starrem Blick, mit der Hand am Schwert.

Die Hoffnung, den Feind besiegt zu haben, stand im Gesicht aller. Doch je weiter sich das Schiff näherte, desto mehr schwand diese Hoffnung.

Dem Zustand des Schiffs nach zu schließen war der Sieg, falls es überhaupt einer gewesen war, bestenfalls ein Pyrrhussieg gewesen. Die Segel hingen in Fetzen, der Rumpf war angeschlagen und das Schiff hatte leichte Schlagseite. An Deck war kaum ein Mensch zu sehen.

Der Kommandant der Hafenwache hatte inzwischen Piken ausgeben lassen und befahl den Rittern nun den Pöbel etwas zurückzutreiben.

Sehr, sehr langsam legte das schwer beschädige Schiff schließlich an. Sofort bildeten die Hafenwachen einen Wall um den Anlegesteg und verstellten allen den Weg.

Bettelnde Frauen, weinende Kinder und fluchende Männern wurden hart zurückgestoßen, bis schließlich die Stadthöchsten, der Stadthalter, der Richter und der Kommandant der Stadtwache, auftauchten und in dem freien Bereich zwischen Schiff und Pöbel Aufstellung nahmen.

„Wir verlangen den Kapitän zu sprechen“, rief der Stadthalter mit bedrohlicher Stimme. Auf dem bis jetzt eher leeren Deck begann es sich zu regen und die Reste der Besatzung traten in die Mittagssonne. Ganze achtzehn Männer hatten das Gefecht ohne schwerere Wunden überstanden. In ihrer Mitte ragte der Maat auf, der nun vortrat und sprach: „Der Kapitän ließ sein Leben im Kampf. Ich habe das Kommando übernommen und spreche nun für die Besatzung.“

„Dann folgt uns ins Rathaus. Den Pöbel hat diese Angelegenheit nicht zu interessieren“, befahl der Richter.

Da rief eine Frau aus der Menge: „Hier geht es um unsere Männer. Unsere Söhne. Unsere Brüder. Was ist geschehen?“ Die Frau verfiel in ein Wimmern und Wehklagen, sodass sie von einer anderen Frau gestützt werden musste. Viele Kinder und Frauen setzten sofort mit ein.

Doch die Hafenwache drängte die Leute nur noch härter zurück. Der erste Maat verließ inzwischen langsam alleine das Schiff und folgte den drei Abgesandten. Hinter ihnen schlossen die Wachen den Schutzkreis und riegelten das Schiff ab. Die Matrosen waren auf diesem Wrack ebenso gefangen wie der Pöbel an Land. Auf Befehl des Kommandanten der Hafenwache zog sich die Besatzung dann wieder unter Deck zurück.

 

Der Richter, der Stadthalter und der Kommandant nahmen stumm ihre Plätze in mächtigen Sesseln ein. Der Stadthalter schenkte sich aus einer Karaffe schweren Wein ein und senkte seinen Blick dann. Der Richter verschlang den Maat jedoch mit seinen Blicken.

„Dann berichten Sie einmal, Marius. Erster Maat, habe ich Recht?“ brach der Kommandant schließlich das Schweigen.

„Ich nehme mir jetzt nicht das Recht heraus die Taktik der großen Herren zu kritisieren. Ich werde sachlich bleiben. Jedoch war die Expedition eine Katastrophe. Unsere Ausrüstung ist dem Feind an Land zwar überlegen, aber wenn die See nicht das Element der Orks ist, schlagen sie uns auf See einfach ohne großen Aufwand zurück. Ihre Schiffe sind zahlreicher, wendiger und besser gebaut als unsere. Außerdem setzen sie die Flotte ohne Schonung von Material und Mensch ein. Mit eigenen Augen sah ich wie sie unsere kleine Armada auslöschten.“

„Eure Rückkehr ist wohl der Beweis unseres Sieges, oder?“ schnarrte da der Richter. Marius entglitt ein trockener Lacher. „Wohl kaum. Der Kapitän befahl mit seinen letzten Worten zu wenden und zu fliehen. Ich habe seinen Befehl Wort für Wort im Logbuch vermerkt, falls ihr daran zweifelt.“

„Hochverrat!“ geiferte der Stadthalter. „Fahnenflucht! Und er gesteht den Hochverrat auch noch.“

„Marius, die königliche Order war eindeutig. Den Feind zu stellen und bis zum letzten Mann zu kämpfen, falls nötig. Eure Rückkehr verleitete uns dazu einen Boten durch die Reihen der die Stadt belagernden Orks zu schicken, um unseren Sieg zu melden. Nun sagen Sie uns aber wir müssen noch einen Mann schicken, um diesen Boten zurückzuholen?“

„Es war wohl sehr voreilig an den Erfolg zu glauben. Doch mein Bericht ist noch nicht zu Ende, hohe Herren. Denn der Kapitän starb nicht in dem Glauben einen Verrat zu begehen. Als er sein Leben verlor, hatten wir die Orks wirklich geschlagen. Doch unser Schiff war das letzte seetüchtige Schiff auf See. Wir nahmen die Überlebenden unserer Schwesterschiffe auf, als eine weitere, noch viel größere Flotte des Feindes am Horizont erschien. Hätten wir uns gestellt, lägen wir nun auch auf dem Grund des Meeres und niemand hätte die Stadt vor dem nahenden Feind warnen können.“

„In den letzten drei Tagen sandten wir vier Schiffe aus. Sie hätten uns gewarnt“, antwortete der Kommandant böse.

„Einzelne Schiffe gegen hunderte? Mit diesem wahnwitzigen Befehl zum Kampf bis zum letzten in der Tasche? Niemand wird zurückkehren, um euch zu warnen.“

„Das hört sich wirklich nach Hochverrat an, Marius. Wollt Ihr etwa sagen die Befehle des Königs seien unausgereift und schlecht für das Wohl seiner Bürger?“

Marius biss sich auf die Zunge. Eine Prüfung, dachte er dauernd. „Nein. Nur eine Flotte wäre besser bedient.“

„Nun gut. Ihr könnt gehen. Die Engelskrieger wird wieder flott gemacht und wird baldmöglichst wieder in See stechen. Mit den alten Befehlen, wie ich glaube.“

„Hohe Herren, ich habe weiters zu berichten, dass wir auf See eine seltsame Entdeckung gemacht haben. Ein besonders starker Sturm zog auf unserem Rückzug auf und legte sich bald schon zwischen uns und die Verfolger. Dieser Sturm scheint ein seltsames Schiff hervorgebracht zu haben, das den Feind angriff und ihm wohl schwere Schäden zufügte. Diese Geisel der Meere war nicht von dieser Welt. Cedric, der letzte Ritter auf meinem Schiff, war so frei eine ungefähre Skizze anzufertigen“, erklärte Marius und reichte dem Kommandanten das Pergament.

Dieser nahm es zornig an sich und erbleichte. „Marius, Ihr sagt uns Ihr habt das Knochenschiff gesehen?“

„Das Knochenschiff?“

„Ein Fluch der alten Welt. Das Schiff der Verdammten, das dort, wo Blut unnütz vergossen wird, dieses Blut trinkt bevor es vergossen werden kann. Ein böses Omen für jedes Schiff da draußen.“

„Eine alte Legende“, winkte der Richter ab.

„Mit der niemand spaßen sollte. Kein Seemann wird mehr in See stechen, wenn das Gerücht dieses Schiffs die Runde macht. Wir halten Euch an darüber zu schweigen, Marius. Eure Befehle werden wir überdenken und uns morgen melden. Ruht nun aus. Die Männer dürfen das Schiff verlassen, den Hafen jedoch nicht.“

„Wir ihr wünscht, hohe Herren. Nur erinnert euch meiner Worte: da draußen lauert nur der Untergang. Schickt ihr uns auf See, schickt ihr uns auf Grund. Die Flotten der Orks sind zu zahlreich, um zu siegen. Wir sollten sie an Land bekämpfen, wo wir ihnen überlegen sind.“

„Wir werden den Einspruch in unsere Entscheidung einfließen lassen. Geht nun.“

 

Am nächsten Morgen verließ die Engelskrieger wieder einigermaßen flott gemacht den Hafen. Doch nicht um zu kämpfen, sondern um den Hohen der Stadt einen Beweis für das Knochenschiff zu bringen. Doch durch diesen Befehl war den Matrosen nicht mulmiger zu Mute als mit dem Wissen gegen die Orks ziehen zu müssen, um auf dem Meeresgrund zu enden.

Marius führte das Steuer mit ruhiger Hand, zitterte jedoch selbst wie Espenlaub. Ritter Cedric, an seiner Seite, zitterte nur wegen des scharfen Ostwinds. Er war ansonsten noch gewärmt durch die Hände seiner Geliebten und dementsprechend gut gelaunt.

Zumindest bis dichter Nebel aufzog. Marius ließ Segel abnehmen und stellte zusätzliche Wachen ab.

„Wir laufen Gefahr auf Grund zu gehen“, warnte Cedric. Wie auf Kommando schlug etwas gegen den Rumpf. Das Schiff erzitterte, glitt jedoch ohne Schäden weiter.

„Was war das?“

„Wohl Trümmer. Entzündet Lampen!“ befahl Marius. Sofort stiegen Matrosen aus den Wanten und entzündeten zusätzliche Lichter überall rund um das Schiff. Doch der Nebel war zu dicht um wirklich etwas zu erkennen. Inzwischen schlugen weitere Trümmer gegen den Rumpf. Teilweise ganz beachtliche Brocken.

Da riss die Nebelwand wie von Zauberhand wieder auf. Ein böiger Wind trieb den Nebel schnell vom Schiff fort.

Die Engelskrieger schwamm inmitten eines gigantischen Trümmerfeldes. Überall schwammen Holzteile im Meer. Auf einigen lagen Orks oder Menschen und klammerten sich daran. Die meisten waren jedoch bereits tot. Zwischen den Trümmern loderten vereinzelt Ölfeuer.

Viele Matrosen schlugen ein Kreuz oder sanken zum Gebet auf die Knie. Marius und Cedric sahen sich stumm an.

„Holen wir einen Überlebenden an Bord?“ fragte Cedric schließlich.

„Aber einen Ork. Die Sklaven haben bestimmt nicht viel gesehen.“

 

Schließlich fanden sie einen bis auf die Haut durchnässten, schwachen und leicht verwundeten Ork, der sich mit letzter Kraft an ein Holzstück klammerte und als das Schiff ihn passierte den toten Mann markierte.

Nach leichtem Widerstand ergab sich der Ork seinem Schicksal und ließ sich von den misstrauisch wachsamen Matrosen an Bord schaffen. Sofort legten sie ihn in Ketten und brachten ihn vor den neuen Kapitän. „Beantworte die Fragen wahrheitsgetreu und wir schonen dein Leben, Ork.“

„Ich Wahl?“

„Wohl kaum. Also, Ork, was ist geschehen.“

„Dämonenschiff zermalmte große Flotte auf Jagd nach Menschenschiff. Ich überrascht, Schiff ausgesehen wie dieses.“

„Es war dieses. Also, was ist geschehen.“

„Schiff mit Sturm gekommen. Riesige Wogen, Blitze und Sturm. Dazwischen Dämonenschiff. Kanonen und Schwerter nutzlos, Besatzung nicht von dieser Welt. Sturm verschlingen Schiffe, Dämonenschiff verschlingen Schiffe. Orks tapfer kämpfen, aber Dämonenschiff zu stark. Verschlingen alles und zurücklassen rote Flut und geschlagene Orks.“

Gespannt verfolgte die Besatzung die Schilderung des Gefangenen. Einzig Cedrik und der Kapitän hielten ihren ernsten Blick aufrecht. Schließlich erhob der Paladin die Stimme: „Das ist wohl Beweis genug. Kehren wir um!“

„Eine Frage noch, Ork. Ist das Schiff noch in der Nähe?“ flüsterte der Kapitän. Der Ork nickte langsam. „Wolken am Horizont. Dämonenschiff riechen Blut.“

Und wirklich zogen am Horizont wieder dunkle Wolken auf, die schnell näher kamen. Entsetzt kletterten die Matrosen in die Wanten, um wieder volle Segel zu setzen.

Doch der Wind fegte Sekunden später über das Deck und zerfetzte die Segel. Kurz darauf fiel Regen hart Eisen auf das Deck.

„Kapitän, verlasst mit dem Zeugen und vier der besten Männer das Schiff. Ich werde sie ablenken, damit die Nachricht überbracht werden kann!“ rief Cedrik gegen den Sturm. Doch der Kapitän schüttelte bestimmt den Kopf. „Ich werde mit dem Schiff untergehen falls nötig! Du gehst, teurer Freund.“

„Ihr braucht mein Schwert hier, Herr“, widersprach Cedrik.

„Wir brauchen kein Schwert, sondern ein Wunder. Bringt das Beiboot zu Wasser und dann runter vom Schiff. Bevor der Dämon der See uns einholt.“

Credrik wollte erneut widersprechen als ein Horn durch den Sturm schallte. Neben dem Schiff wühlte sich die See auf und das Dämonenschiff schälte sich aus der See. Sofort donnerten Kanonen los und zerfetzten das Vordeck des Schiffs. Einige Matrosen wurden über Bord gefegt und von der See verschlungen. Eine einzelne Kanonen krachte, doch die Kugel prallte einfach vom Rumpf des Gegners ab.

„Musketen! An die Schwerter!“ befahl Cedrik und wollte sein Schwert ziehen. An Deck des Feindes sammelten sich Truppen um zu entern. Doch bevor Cedrik weitere Befehle geben konnte, donnerte ein Knüppel auf seinen Helm. Ihm wurde schwarz vor Augen.

 

Als er wieder zu sich kam war die See wieder ruhig. Das Beiboot trieb ruhig auf See und vier Matrosen und der Ork legten sich kräftig in die Ruder.

Am Horizont zeichnete sich eine Küstenlinie ab, auf die sie zusteuerten.

Cedrik stöhnte leise und richtete sich langsam auf. „Was ist passiert.“

„Versenkt, Herr. Aber wir haben es geschafft.“

„Die Engelskrieger versenkt?“

„Sie hatte keine Chance. Sie haben sie geentert, dann gerammt und versenkt. Außer ein paar Brettern blieb nichts übrig.“

„Hoffnung, Krieger. Insel von Menschen. Piraten. Kämpfen mit Menschen gegen Orks. Ich verloren, ihr gerettet.“

„Nicht wenn ich es verhindern kann. Du bist der einzige Beweis, dass es das Dämonenschiff wirklich gibt. Denn wenn wir ohne dich zurückkehren wird mein Kopf rollen.“

 

Diese Geschichte war die erste von dreien für einen
Wettbewerb. Nachdem die Überlebenden mit einem Beweis für die Existenz dieses Höllenschiffs zurückkkehrt, wird der Ritter Cedric ausgesandt Ersatztruppen aus Bürgern und Bauern zu rekrutieren, da die Orks nun vom Nachschub abgeschnitten, zurückgetrieben werden können.
Nicolai Rosemann, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.05.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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