Eigentlich wollte ich mir diesen Song Contest nicht antun.
Lena mit diesem typisch deutschen Doppelnamen, den man inzwischen weg gelassen hat, damit der Name eingängiger ist, mit ihrem Lied, das man seit Wochen pausenlos hört und der einem schon aus den Ohren quillt, zusammen mit den meist englisch singenden Interpreten vieler Staaten, die hinterher ihren Nachbarländern die Punkte zuschanzen. Damit keiner böse sein kann?
Nein, dafür war mir die Zeit eigentlich zu schade.
Okay, das Lied „Satellite“ ist ein Ohrwurm. Es verfolgt einen innerlich und äußerlich, aber schreiben denn nicht auch andere Komponisten diverser Länder gute Songs? Warum dann dieses Hochgelobe von deutscher Seite?
Aufbau des nach dem Kriege verloren gegangenen Nationalstolzes? So wie beim Fußball? Wo es eine nationale Tragödie zu sein scheint, wenn ein- oder zwei Spieler vor dem Turnier ausfallen? Wo "wir" doch so gern auf allen Gebieten wieder ganz vorn mitspielen möchten?
Welch eine Belastung für ein so junges Mädel. Alle Zeitungen wussten vorher, dass sie siegen würde. Was würde sein, wenn die anderen Staaten ihre leicht quäkige Stimme nicht so toll fänden? Wurde hier nicht ein Mensch benutzt, um Träume von Spießern und Produzenten zu verwirklichen?
Nun gut. Man konnte vorher überall hören und lesen, dass sie bei Fachleuten des Auslandes gut „ankam.“ Aber war das nicht auch das Ergebnis einer gezielten, mit einer Waschmittelwerbung vergleichbaren Promotion?
Ich war also gespannt. Im Grunde wollte ich die Bestätigung für meine Meinung, mehr nicht. Aber ich wurde überrascht. Sie gewann mit riesigem Abstand. Sie kommt europaweit gut an. Aber was steckt dahinter?
War es ihre Performance? Andere hatten eine aufwändigere.
War es das Lied? Okay, es geht ins Ohr und bleibt im Kopf. Aber andere... Siehe oben.
War es ihr Aussehen? Hilfe, nein, andere Interpretinnen sahen mindestens eben so ansprechend aus.
War es ihre Stimme? Auf keinen Fall. Ich denke, jedes dritte, vierte Mädel bei uns singt genau so gut.
Wenn es das alles nicht ist, was ist es dann?
Ich denke, es ist das stimmige Gesamtbild. Es ist ihre unkomplizierte, frische Art, sich bei Interviews auszudrücken, ihre Mimik, ihre Gestik, ihre Spontaneität, es sind ihre Bewegungen. Und dann das freche, mit Lebensfreude vorgetragene Lied, das hervorragend zu ihr passt.
Im Grunde habe ich keinen Song-Contest, sondern einen Star-Contest gesehen.
Der Beitrag von einem Singer-Songwriter hat mir besser gefallen, schon, weil hier eine hohe, individuelle Kreativität zum Ausdruck kam. Das, was einen Song-Contest eigentlich ausmachen sollte. Aber was soll’s:
Lena und ihr Erfolg, sie sind ein Abbild unserer Zeit. Meinetwegen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.05.2010.
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