Marco Werner

Ü-Bahn

 

Ü-Bahn

 

Da oben würde ich auch gerne meine Bude haben,- denke ich mir,  als die U Bahn  quietschend und metallisch klingend hamburger Straße einfährt. Die U 3, die den größten Teil  und paradoxer Weise überirdisch durch Hamburg fährt. Eigentich müsste sie Ü-Bahn heißen. Aber wen stört es. Mich bestimmt nicht, höchstens diejenigen, die kein Bock auf Tageslicht haben. So sieht man wenigstens was von der schönsten Stadt Deutschlands. Wie die Hamburger immer wieder sagen müssen. Selten solch städtischen Patriotismus erlebt. Außer von den Berlinern vielleicht, aber die haben ja ehrenamtlich die große Klappe.
Schon ein bisschen kleinbürgerlich die Denkweise, aber durchaus berechtigt. Mir gefällt ´s auch hier. Die Sonne scheint direkt hindurch,  durch die Zwillingstürme in Spe. Endlich mal wieder Sonne. Seit Wochen dieses triste und öde Wetter. Genauso   langweilig  und grau wie die Köpfe der meisten Leute hier in der Bahn. Farblose Gestalten in schwarz-weiß. Die nur zu funktionieren scheinen, wie Duracellhasen, bloß langsamer, aber gleichermaßen mechanisch. Fast  schon gruselig die Roboter.
Ich schau wieder aus dem Fenster und  stelle mir vor wie es ist da oben zu wohnen, in den Zwillingstürmen. Und runter zuschauen auf die Stadt.
-Die Welt gehört dir, Hamburg gehört dir-.
Dann würde mich der Größenwahn packen und ich käme mir vor wie Toni Montana alias Al Pacino in der Rolle seines Lebens. Ja genau, und dann fliegt das Flugzeug mit dem Banner direkt auf mich zu und ich sag: „scheiß drauf ich fang eure Kugeln“, nachdem ich meinen Kopf in nen Haufen  Kokain getaucht habe.
-Wie viel so ne Bude wohl kosten mag da oben?
Ich mein, ist ja direkt an der Straße, ich würde sagen, eine der höchstfrequentierten der Stadt und dann noch an der Kreuzung. Egal, würde mich nicht stören. Unten ist gleich ne Schoppingmeile und wenn ich ganz oben wohne, dann hört man mit Sicherheit auch nicht viel vom Straßenlärm.
Ach, und wenn’s mir dann doch zu laut wird und zu stickig von den scheiß Abgasen der gestressten Metropoliten, dann mach ich einfach das Fenster zu und lass mich mit frisch gefilterter  Luft aus der Klimaanlage verwöhnen.  Ja, das mach ich, das wird  mein Ding.
Ein Mann muss sich Ziele setzen und die hab ich jetzt.  Schön gemütlich eingerichtet. Zeitlos, stilvoll, und ein bisschen elegant . Ein Platz zum verweilen. Ja, damit könnte ich mich arrangieren.
Was einem alles so durch ´n Kopf geht in der Bahn. Ich wache auf aus meinem Tagtraum und sehe wieder durch die graue beschlagene Scheibe. Meine Augen versuchen an vorbeirauschenden Werbetafeln halt zu finden.  Lieber durch die graue Scheibe glotzen als in  ausgelaugte, trübe Gesichter. Ein Großteil der Leute sieht  schon müde aus bevor sie überhaupt  ihre langweilige  Arbeit antreten. Aber was wollen se  machen. Irgendwoher muss der Lohn für die  Durchschnittswohnung und die zwei Wochen Freiheit im Jahr kommen. Ansonsten sind se doch gefangen. Den meisten fehlt doch der Mut den andern Weg zu gehen! Der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier und lebt lieber den Trott des sicheren Alltags und lacht über gekaufte Daily Soap Protagonisten oder „ die Auswanderer“, statt sich  selbst zu verwirklichen.
Ich glaube ich gehe nicht den Ja-Sager Weg, das war noch nie so mein Ding. Ich ecke immer an wenn es  ums ja sagen geht und ich nein meine. Lieber gehe ich den verrückten, einfältigen,kreativen .Wenn’s sein muss den kriminellen. Vielleicht gehe ich auch im Kreis. Aber leicht wird der bestimmt nicht, so viel steht fest.  Für mich steht auch fest, dass  das U-Bahn Fahrer Klientel und deren Laune, sich Wochen und Tageszeit abhängig ändert.Freitag und Samstagabend liegt der Altersdurchschnitt bei Mitte zwanzig und der gute-Laune und Alkoholpegel bei 100 Prozent. Und heute am Montag ist  missmutiges  glotzen angesagt, aber wehe man erwidert eure Blicke, dann suchen eure Augen schnell das Weite, wie ne aufgeschreckte Stubenfliege. Ich weiß nicht an welchem Wochentag ich lieber U-Bahn fahre. Richtig schlimm ist ja am Wochenende, wenn man selbst gar nicht besoffen ist, am Besten noch arbeiten muss. Das ganze gegröle und die Kids mit ihrer nervigen Handymusik. Dann müssen die das ganze Abteil beschallen. Schon mal drüber nachgedacht, dass nicht jeder den gleichen Musikgeschmack hat und eure Mucke einfach nur nervtötend ist, wie mein Zahnarzt?! Was soll mir das Verhalten eigentlich signalisieren?
Sowas wie: ich scheiß auf euch alle, ich mach mein ding. oder, ich nehm auch keine Rücksicht und hab null Respekt.
Nee, da sitze ich lieber hier am Montag zwischen Robotern und habe meine Ruhe.

Die Sonne scheint mir jetzt direkt ins Gesicht. Ich spüre ihre Kraft nochmal und ich kneife meine Augen bevor die Röhre uns verschluckt und wir wieder in den Untergrund abtauchen.

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.06.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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