Rüdiger Nazar

pilgerweg VII.

 

Die Nacht   war warm...noch...wir wußten daß es sich immer so um vier oder fünf  in der Früh`änderte. Dann zog  leichter Nebel auf...Morgentau der sich auf unsere Decken und Haare breitmachte. Aber das waren wir gewohnt...hauptsache es würde nicht in Strömen regnen. Das Wasser der Loire war eiskalt...egal wie warm es auch tagsüber war. Jetzt ging die Sonne vor uns unter...gestern war es hinter unseren Köpfen. Er war malerisch schön...das gelb ging in rot und orange über...dann ein Gemisch aus graublau...das dann langsam und unaufhörlich in ein tiefes schwarz überging. Kleine Fledermäuse flogen sehr nah über unseren Köpfen hin und her...waren das kaotische Flieger.

Kennt ihr den ? Mutter Maus geht mit Kindmaus im Feld spazieren...kommt eine Horde Fledermäuse am Himmel vorbeigeflogen...sagt Kindmaus...zu Muttermaus...wenn ich groß bin...gehe ich auch zur Luftwaffe !Blöder Witz..haha!

Nun gut...das war mal so am Rande. Jetzt lagen wir auch nicht mehr so nah an der Brücke wie am Vortage...also war das Rauschen des Flusses halbwegs erträglich.  Renate hatte wieder Schwierigkeiten mit dem Einschlafen...ihre Beine schmerzten...einige Krampfadern die ihr zu schaffen machten.

Soll ich dir die Beine massieren fragte ich ...nein...nein...geht schon. Ok...sie wollte einfach keine Schwäche zeigen. Meine schmerzen sagte ich...kannst du mir mal die Füße massieren ? Ja...gerne...sie tat es...und es tat gut. Danach...und nun du versuchte ich es wieder. Nein ist schon gut. Na dann eben nicht.

Die Nacht war ruhig...es blieb trocken...der Schlaf war leicht...aus Vorsicht.

Am nächsten Morgen...es wird wohl so acht Uhr gewesen sein...wir lebten nun seit einigen Tagen zeitlos...keine Uhr...und mein Handy war leer. Machte aber garnichts...wenn es hell wurde...standen wir auf...wenn es dunkelte...gingen wir schlafen...wie die Hühner.

Schnell gefrühstückt...die kärglichen Reste wurden verspeist und mit einem kalten Kaffee heruntergespült. Dann der Aufbruch. Der steile Hang nach oben zur Brücke wurde wieder erklommen...! Oben standen wir noch mal kurz auf der Brücke und schauten auf die Loire...die im Sonnenlicht golden glänzte. Schüss mein guter...und danke für die zweitägige Übernachtung. Der Fluss murmelte so dahin als er zwischen Felsen seinen Weg suchte. Hat er nun auch schüss gesagt und bon courage...oder sagte er...haut bloß ab.

Rechts ging unser Weg von Nevers weg...immer die Strasse entlang...und wir kamen wieder in Nevers Süd an...wo wir vor zwei Tagen einliefen . Dann ein Schild...Moulins...scharf links. Wieder eine endlose Asphaltschlange...   bergauf...bergab. Äh...weißt du was sagte ich zu Renate...merkst du was ?  Ich wollte es nicht sagen sagte sie...aber ja...wir laufen den Weg paralell nach Nevers zurück. Das glaube ich wohl nicht....nein...nein...nein. Und doch...es war so. Entweder war es Verarsche von dem Pommesbesitzer...und dem Mann auf der Mauer...oder sie...sie ...keine Ahnung.

Jedenfalls liefen wir über eine Stunde zurück...etwas spreizte sich die Strasse nach rechts ab...etwas.  Dann war Hängen im Schacht...nichts mehr...keine Strasse...nur noch Autobahnauffahrten...auch eine nach Moulins logischerweise. Renate hatte keinen Führerschein und kannte sich auch sonst in Verkehrstechnischen Sachen nicht aus...daher ihre Frage...können wir auf der Autobahn weitergehen ?

Ich bekam keine Luft mehr...erstickte bald an der Antwort die ich geben wollte...und prustete heraus...doch können wir...warum nicht...müssen dann wohl etwas schneller als  sechzig Stundenkilometer laufen...! Ich fand es köstlich und bekam mich nicht mehr ein...Tränen schossen in meine Augen...hatte einen Lachkrampf. Ok...sagte sie...krieg`dich mal wieder ein. Ich tat es...mußte mir aber doch immer wieder vorstellen...wie wir mit sechzig Stundenkilometer ...die schweren Rucksäcke auf dem Rücken...über die Autobahn schossen.

Ein Feldweg...der irgendwann auf eine Landstrasse mündete. Ich versuchte mich immer in Sichtkontakt mit der Autobahn Moulins zu halten. Mehr oder weniger liefen wir schon  mit der Autobahn. Der nächste Ort hieß...Sermois  s/Loire.

Eine Landstrasse schlängelte sich durch diesen Ort der klein...aber sehr malerisch war. Eine Natursteinmauer...Stein auf Stein gesetzt...so wie man es in Schottland oder Irland sieht...ohne Beton  als Haftmittel...lief quer durch das ganze Dorf. Wildblumen und kleine Farne in den Ritzen der Blöcke...Eidechsen die sich in der Sonne sonnten. Eine Luft wie in einem Kurort. Einige Bäume waren besetzt mit Raben...hunderte...die lauten Halses krächzten...ein schauriges Konzert. Der Boden lag voller Federn...nahm mir einige und befestigte sie an meinem Wanderknüppel...sie wehten mit den anderen Federn der früheren Wanderung im Winde...kam mir vor wie Sitting Bull.

Gehen nun in Richtung Decize-Dornes...so wie das Schild uns sagt...aber wir sind richtig...sehe es auf der Karte. Unterwegs eine schöne alte Kapelle aus dem 12 Jahrhundert ...St.Etienne...! Innen ist es feucht...und düster...ein Echo wie im Gebirge. Ich stimme einen gregorianischen Gesang an der von den Wänden zurückgeworfen wird...hohl wie in einer Gruft. Jetzt Santana voll aufgedreht sagt Renate...dann geht die Post  aber ab. Joooo sage ich...oder das Palestinalied von Luc Arbogast. Wer ist das denn...fragt sie. Zeige ich dir zuhause unter  Youtube.

Die Strasse läuft an einem Nebenarm der Loire vorbei ...immer schön nebenher ein Feldweg. Diesen nahmen wir jetzt...war einfach romantischer wie dieser dauernde Asphalt...außerdem stank er...weil die Sonne...immerhin 42 Grad...ihn zu verflüssigen drohte. Der Teer klebte unter unseren Sohlen.

Nach einiger Zeit...unsere Schritte schleppten sich so dahin...ein lautes Lachen...Hey...I don´t believe it...its you two. Verwundert sahen wir uns um...!

Und wer war es...der freundliche Mann den wir vor Nevers auf dem Fahrrad gesehen hatten.  Hallo...hallo...do you want a ride ? Wir trauten unseren Augen nicht. Er war mit seiner Frau auf einem Boot...und was für ein großes Geschoss...das Boot meine ich natürlich. Er lenkte es vorsichtig an`s Ufer...eine metallene Plattenwand...die beidseitig den ganzen Fluss entlang lief. Rumms...setzte das Boot an. Seine Frau nahm meine Hand und zog mich langsam an Bord...hoffte nicht das Gleichgewicht zu verlieren durch den schweren Rucksack...und stand wackeligen beines auf der schmalen Fläche hinter der Reeling. Komm`Renate sagte ich...und hielt ihr die Hand hin. Schwups...war auch sie an Bord. Die Rucksäcke wurden vorne auf dem Boot auf  Deck  verstaut...wo schon zwei Fahrräder der beiden lagen.

Jetzt wurde nur noch englisch geredet...schreibe aber natürlich die Gespräche jetzt auf deutsch. Hallo...schön euch wieder zusehen sagte er...ich heiße Osvald...das ist meine Frau Susan. Susan lächelte...freut mich. Wollt ihr einen Kaffee ? Was für eine Frage...oh ja bitte...Renate strahlte. Osvald saß wie ein alter Seebär hinter dem Steuerrad auf seinem Hochstuhl. Einen grauen Bart hatte er und schneeweiße Haare...eine blaue Strickrollmütze auf...so richtig urig.

Susan sah etwas jünger aus...kurze braune Haare und war die Freundlichkeit in Person...sie lachte gerne. Sie erzählte uns...daß Osvald aus Norwegen sei...sie ist gebürtig aus Neuseeland...wo sie auch seit 45 Jahren lebten. Eine riesige Farm hatten sie dort...Obstzucht...Kiwis...Avokados...und allerlei  sonst. Sie wollten jetzt Europa bereisen...waren schon zwei Monate hier...Flug von Neuseeland nach Japan...kurzer Aufenthalt...dann London....Holland...Portugal...Spanien...jetzt Frankreich. Was für eine Tour...ich war begeistert. Osvald war 74 Jahre alt und Rentner...nach einem Herzinfarkt wollte er die restliche Zeit seines Lebens nur noch reisen...so auch Susan.Sie war fünfzig...eine Spaßkanone. Ich erzählte ihr von Renate...von mir...wo wir herkamen...wo wir hinwollten. Very good sagte Osvald...ich habe Hochachtung davor.  Das Boot tuckerte auf dem Nebenarm der Loire dahin...an endlosen Feldern und Wäldern vorbei...das Boot teilte das Wasser am Buk. Alle paar Kilometer kam eine Schleuse...das Boot hielt und wurde vertäut. Susan sprang an Land und nahm beide Taue entgegen und befestigte sie an Pöller.

Ich half...hielt das Boot vorne nah an der Wand...Osvald hinten...dann wurde die Schleuse geöffnet und das Boot stieg wie von Geisterhand mit dem Wasser. Als dann der Wassergleichstand erreicht war...Leinen los und die Fahrt ging weiter...ein freundliches Winken zum Schleusenwärter der die Schleuse wieder schloss. Ach machte das Spaß. Es kamen etliche Schleusen...Osvald lächelte zufrieden...danke sagte er...macht Spaß was ?  Wir haben zu Danken sagte ich.

Die Fahrt ging über vier Stunden...das Boot durchquerte Gegenden...man glaubte am Amazonas zu sein. Überall lagen tote Tiere im Wasser...die Nachts hineingefallen waren und durch die absolut steilen Metallwände nicht mehr raus kamen...sie schwammen sich zu Tode.  Füchse...Rehe...Dachse...aber auch große Fische lagen mit dem Bauch nach oben im Wasser. Verendet im Alter oder von Schiffen angefahren...gerieten vielleicht in die Schiffsschraube.

Es waren nette Menschen...Susa und Osvald...und wir tauschten unsere Anschriften und e-Mail Adressen aus...stehen jetzt mit ihnen in Kontakt. Hier müßt ihr jetzt leider raus sagte Susan...bei der nächsten Schleuse müssen wir rechts ab...dort teilt sich der Fluss. Da hinten ist Decise...wo hier hin wollt...ist nicht mehr weit...so zwei Kilometer vielleicht. Osvald lenkte das Boot links an`s Ufer...Susan sprang raus und hielt das Seil stramm...ich sprang...dann Renate. Osvald achtete nicht auf den Abstand zum Ufer...das Schiff zog etwas nach rechts...und Susan schrie...OOOOssssvald. Hätte nicht viel gefehlt...und sie hätte im Fluss gelegen.

Eine herzliche Verabschiedung und eine lange Winkerei...viele Fotos haben wir gemacht. Wir liefen gestärkt die Landstrasse entlang...in Richtung Decise...von da aus sollte es weiter nach Moulins gehen. Der Ort schien schon etwas größer zu sein. Wir kommen an einem Supermarkt vorbei...hmmm sagt Renate...hamm hamm. Tja...hamm hamm...aber wovon. Stehen am Eingang und sehen Menschen mit vollen Taschen Lebensmittel herauskommen...oooooooooohhhhhhhhhhhh!

Sieh mal...sagt Renate...ein Geldautomat...versuch`es doch noch einmal. Ich stehe resignierend da und sage mehr automatisch als überzeugt...naja...ok...aber wofür ?

Stecke meine Karte ein...drücke auf Sprachenwahl...deutsch...meine Pinnummer...und...und...und. GGGGGGGGGGeeeeeeeellllllllllldddddddddddd

ist auf meinem Konto. Wir lachen und tanzen im Kreise...uns an den Händen fassend...wie zwei Irre...die Menschen schauen uns zu...und lächeln. Mag ihnen wohl etwas seltsam vorgekommen sein...aber wußten sie denn was wir durch hatten ?  Erst mal Luft hohlen...Renate verschwand im Intermarche.

Kam mit einer  vollen Tüte wieder an`s Tageslicht und strahlte wie ein Komunionskind.  Genau vor dem Eingang...uns war das so egal...packten wir alles aus...und begannen unser Festmahl.

Ein Kind sagte zu seiner Mutter...Mama schau mal...was die für große Säcke haben...machen die Picknick ?  Qui sagte Mama...und zog ihr Kind eilig fort.

Danach gehen wir noch eine Weile...schlagen dann unser Nachtlager in einem kleinen Wäldchen...so hundert Meter von einem Campingplatz auf.

Wir aßen Patee...Baguette...Käse...eine Suppe wurde gekocht...Kaffee...endlich mit Milch...Apfelsinen...Vitamine. Naja...Vitamie hatte wir schon unterwegs...diese Brausetabletten...Calcium Multivitamin...Eisen und einige andere Sorten noch. Eigens dafür stempelten wir eine Feldflasche ab. 

Die Nacht war ruhig und trocken.

Durch die Schiffsfahrt mit Susan und Osvald hatten wir drei Tage harten Fussmarsch eingespart...oh Danke ihr zwei beiden.  Es war ein tolles Pärchen...wo mögen sie jetzt wieder sein ? Werde morgen mal ein e-Mail nach Neuseeland senden...vielleicht sind sie wieder zuhause.

 

 

Bin jetzt jurz mal mit Renate für drei Tage weg...kleine Wanderung nach Haltern am see...schreibe Montag oder Dienstag Abend weiter...Liebe Grüße an euch alle. Rudevicus...äh...Rüdiger

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.07.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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