Klaus-Peter Behrens

Der Wanderer (ein Entwurf) Teil 4

Liebe Leser,

ich muß mich entschuldigen, dass Teil 4 solange auf sich hat warten müssen, aber zum Einen ist es nur eine Idee, von der ich noch nicht weiß, ob ich sie zuende führe, zum anderen habe ich so gut wie kaum Zeit um zu schreiben. Gerade deshalb würde ich mich über Eure Meinung freuen, d.h. ob es sich aus Eurer Sicht lohnen würde, die Geschichte fortzuführen.

Euer

Klaus

 

 

Offenbarungen

Als der nächste Morgen dämmerte, saß Tork bereits auf den ausgestretenen Stufen, die zur Veranda des Hofes seiner Eltern hinaufführte. Er hatte in dieser Nacht keinen Schlaf finden können, und so hatte er beschlossen, der Enge seiner Kammer zu entfliehen.
Mit dem Kopf an den hölzernen Balken der Veranda gelehnt, betrachtete er das Scheiden der Nacht. Er mochte den anbrechenden Morgen, wenn die Sonne noch hinter dem Horizont verborgen war und die Wolken am Himmel mit leuchtenden Rosatönen, begleitet vom Zwitschern der erwachenden Vögel, ihr nahes Aufgehen verkündeten.
Diesmal jedoch blies ein frischer ungewöhnlich kalter Wind von Norden her und ließ ihn frösteln. Mit einem Seufzen zog er seinen Umhang fester um die Schultern, während er über die Geschehnisse des vergangenen Abends nachdachte.
Wer war dieser Fremde, der sich für ihn interessierte?
Eine Antwort hatte er bisher hierauf nicht erhalten.
Zu seinem Erstaunen hatten seine Eltern sich jedoch bereit erklärt, den Fremden bis zu seiner Genesung aufzunehmen. Tork hatte ihnen deshalb Fragen gestellt, doch seine Eltern hatten sich ungewöhnlich verschlossen gezeigt, und Tork hatte seine Mutter sogar in der Nacht weinen gehört.
Wieso?
Tork konnte sich das nicht erklären. Noch nie in seinem Leben war er so verwirrt gewesen. Gerne hätte er den Fremden hierzu befragt. Leider war der aber in einen tiefen Schlaf der Erschöpfung gefallen, nachdem der Heiler gegangen war, so daß Tork sich gedulden mußte. Stattdessen war es an ihm hängen geblieben, das Pferd des Fremden zu versorgen, das nun im Stall auf seinen Herrn wartete. Mit einem leichten Schaudern dachte er an die mentale Ausstrahlung des Pferdes, die er empfangen hatte, während er es am vergangenen Abend versorgt hatte.
Sie war durchsetzt gewesen mit Furcht.
Nackter Angst.
Was war Ross und Reiter widerfahren?
Und was hatte er damit zu tun?
Instinktiv spürte er, dass sein Leben mit dem Erscheinen des Fremden eine entscheidende Wendung erfahren würde. Allerdings bezweifelte er, dass die Änderung in seinem Leben so harmonisch verlaufen würde, wie der Übergang von der sterbenden Nacht zum Tag.
Das Knarren der Haustür in seinem Rücken verriet ihm, daß er nicht mehr allein war. Ohne sich umzudrehen spürte er anhand der Aura, wer hinter ihm stand und den anbrechenden Morgen betrachtete.
Sein Vater.
Die Emotionen, die er ausstrahlte, verrieten Tork, daß er innerlich aufgewühlt war. Tork beschloß, ihn direkt mit seinen Vermutungen zu konfrontieren, denn die Neugier brannte ihm auf den Nägeln.
„Du kennst ihn.“
Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
Tork konnte spüren, wie sein Vater sich bei diesen Worten innerlich versteifte. Fast konnte er sein Kopfnicken sehen.
„Das ist eine lange Geschichte“, brachte er mit belegter Stimme hervor, die deutlich machte, daß es sich um keine dieser Geschichten mit einem glücklichen Ende handelte. Langsam drehte sich Tork um und sah ihm ernst ins Gesicht.
„Ich habe Zeit. Der Morgen ist schließlich noch jung. Warum erzählst du sie mir nicht einfach?“
Ein gequälter Ausdruck huschte über das Gesicht seines Vaters, der händerringend nach Worten suchte.
„Wir haben beschlossen....“, brachte er stockend hervor, „daß er es dir selber sagen soll. Du wirst dich also bis zu seinem Erwachen gedulden müssen."
„Und wenn er nie wieder erwacht? Immerhin ist er schwer verwundet.“
Ein bitteres Lachen stieg in den jungfräulichen Morgen auf.
„Andere würden an dieser Verwundung möglicherweise sterben, aber nicht er“, sagte er mit einer Stimme, die mit jedem Wort düsterer wurde und Torks Unbehagen steigerte. „Er wird erwachen, und er wird dir mitteilen, warum er dich aufgesucht hat. Und es wird ihn nicht interessieren, ob uns das gefällt oder nicht und er...“
Abrupt brach er ab, als ihm gewahr wurde, daß er sich in seinem Kummer zu einer Äußerung hatte hinreißen lassen, die er nun bereute. Als wolle er das Gesagte ungeschehen machen, winkte er fahrig mit einer Hand ab. Tork entging nicht, dass seine Hand dabei zitterte. Allerdings zitterte nicht nur die Hand seines Vaters, sondern auch seine Stimme, als er weitersprach.
„Vielleicht irre ich mich aber auch, und es ist nur ein Freundschaftsbesuch. Wie auch immer, unserem Schicksal können wir ohnehin nicht entfliehen. Hoffen wir, daß das Auftauchen des Wanderers das unsere nicht zum Schlechten wendet, auch wenn ich wenig Hoffnung habe.“
Mit diesen düsteren Worten schritt er die Treppe hinunter an Tork vorbei und verschwand Richtung Stall, wobei er es tunlichst vermied, den ihn ungläubig anstarrenden Tork ins Gesicht zu sehen.
Der war mehr als verwirrt.
Solange er sich zurück erinnern konnte, hatte er seinen Vater noch nie so niedergeschlagen erlebt, auch wenn manchmal den Eindruck hatte, als ob eine gewisse Schwermut von Zeit zu Zeit wie eine leichte Decke auf seinen Eltern lastete.
Mit gerunzelter Stirn sah er seinem Vater nach, der in der Scheune verschwand und registrierte dabei beiläufig, daß er den Sonnenaufgang verpaßt hatte. Die ersten goldenen Strahlen tasteten sich über die Baumwipfel der den Hof säumenden Bäume hinweg und ließen ihn blinzeln. Mit einem Achselzucken, als könne er damit all die seltsamen Gedanken beiseite schieben, die ihm seit dem Erscheinen des Wanderers durch den Kopf gingen, erhob er sich und spähte über den nunmehr sonnenbeschienen Hof.
Es schien ein schöner Tag zu werden. Kaum eine Wolke verdeckte den tiefblauen Himmel, und selbst der kalte Wind hatte nachgelassen.
Wie konnte man angesichts dieser Schönheit von Schwermut befallen sein?
Fast hätte Michael laut gelacht, wäre da nicht das beunruhigende Gefühl gewesen, das der Fremde in ihm ausgelöst hatte. Vielleicht sollte er der Sache auf den Grund gehen.
Entschlossen wandte er sich der Haustür zu, bereit, den Fremden notfalls zu wecken, um den Grund seiner Anwesenheit in Erfahrung zu bringen.
Im Haus herrschte Stille, abgesehen von den leisen Geräuschen, die aus der Küche an sein Ohr drangen.
Leise schlich er die hölzerne Treppe zum ersten Stock hinauf und blieb unschlüssig vor der Tür stehen, hinter der die Kammer des Wanderers lag.
Sollte er es wirklich wagen?
Zögernd streckte er die Hand aus und ließ sie auf der Türklinke liegen. Das kalte Metall prickelte auf seiner Haut, und sein Herz schlug plötzlich heftiger. Vorsichtig streckte er seine mentalen Fühler aus.
Nichts.
Es war, als würde er gegen eine Mauer des Schweigens stoßen, die jenseits der Tür errichtet worden war. Mit einem mulmigen Gefühl erinnerte er sich daran, daß er schon am Abend zuvor keine mentalen Impulse des Fremdens gespürt hatte.
Wer war dieser unheimliche Wanderer auf der anderen Seite dieser Tür?
Es gab nur eine Möglichkeit, dies herauszufinden.
Sich innerlich einen Ruck gebend, drückte Tork die Klinke hinunter und öffnete die Tür einen Spalt breit.  Breit genug, um einen Blick auf den Fremden werfen zu können.
Im Dämmerlicht des verrammelten Fensters erkannte Tork die hagere Gestalt des Fremden, die unbeweglich auf dem Lager auf Stroh lag, das seine Eltern am Vorabend in der Eile gefertigt hatten. Nur die ruhigen, gleichmäßigen Atemzüge verrieten, daß der Fremde noch lebte.
Am Kopfende des Lagers entdeckte Michael den seltsamen Stab des Fremden sowie ein lederner Beutel, der bisher seiner Aufmerksamkeit entgangen war. Aber es war der Stab, der ihn anzog, wie das Licht die Motte. Die eingedrechselten Zeichen schienen aus sich heraus zu leuchten und weckten in ihm etwas, das er nicht beschreiben konnte. Es war, als habe der Stab in seinem Inneren eine Saite angeschlagen, die er bisher nicht gekannt hatte und die nun leise in ihm wiederklang.
Was hatte es mit diesem Stab auf sich?
Der Fremde hatte es nicht zugelassen, dass ihn irgendjemand berührte und ihn persönlich am Kopfende deponiert.
Was also war so besonderes an diesem Stück Holz?
Torks Neugier war entfacht.
Zentimeterweise öffnete er die Tür weit genug, um auf leisen Sohlen in die Kammer zu schlüpfen. Zum Glück wußte er genau, welche der Dielen knarrten und welche nicht. Vorsichtig darauf bedacht kein Geräusch zu verursachen, näherte er sich Schritt für Schritt auf Zehenspitzen dem Kopfende des Lagers, wobei sein Blick zwischen dem Fremden und seinem Stab hin und her huschte.
Endlich hatte er das Kopfende des Lagers erreicht.
Sein Blick verschlang die seltsamen Runen auf dem hölzernen Stab, so daß ihm völlig entging, daß sich die Augen des Fremden langsam öffneten.
Die Saite in seinem Inneren vibrierte inzwischen wie die einer überbeanspruchten Fiedel.
Welche Macht ging von diesem Stück Holz aus?
Zögernd streckte er die Hand nach dem Stab aus und schrie erschrocken auf, als plötzlich die knochige Hand des Fremden sein Handgelenk mit erstaunlicher Kraft umklammerte und so verhinderte, daß er den Stab ergriff.
„Du verbirgst deine Aura, aber die Magie in dir spricht eine eigene Sprache. Die Runen haben sie geweckt. Hoffen wir, daß ich der einzige bin, der darum weiß.“
„Wer .... wer seid ihr? Und was soll das Gerede über Magie?“, brachte Tork mühsam hervor, der sich unter dem festen Griff des Fremden wand. Auch wenn er kräftig an Statur war, fühlte er sich aus nicht erklärbaren Gründen unter dem Griff des Fremden wie ein wehrloses Kleinkind. Mit einer Leichtigkeit, die Tork schaudern ließ, stieß der Fremde ihn zurück und schwang die Beine über die Kante des Lagers, so daß er nun aufrecht saß. Erneut schauderte Tork unter dem intensiven Blick des Fremden, der etwas Wölfisches an sich hatte und ihm das Gefühl gab, als könne der Fremde bis auf die tiefste Ebene seiner Seele blicken. Zu seiner Verwunderung beantwortete der Fremde seine Frage.
„An einigen Orten nennt man mich nur Den Namenlosen, andernorts bin ich bekannt als Der Wanderer, aber mein wahrer, aus grauer Vorzeit stammender Name lautet Flyoris von Hohenstein, Hüter und Bewahrer des letzten Siegels. Und als dieser gebe ich dir den guten Rat. Berühre niemals diesen Stab, es sein denn, du möchtest herausfinden, wie Magie auf diejenigen wirkt, die nicht gelernt haben, damit umzugehen. Und nun laß uns hinunter gehen. Es gilt Wichtiges zu besprechen, was keinen Aufschub duldet.“
„Aber es gibt keine Magie mehr. Die letzten Magier sind während des großen Kriegs im Kampf gegen die dunklen Mächte gefallen. Seitdem ist die Magie verschwunden.“
„Ist es das, was du glaubst, oder das, was du glauben willst? Ist die Art, wie du deine Aura verbirgst oder die anderer empfängst nicht auch eine Art von Magie?“, fragte Flyoris, während er sich mühsam erhob. Offenkundig machte ihm die Wunde noch immer schwer zu schaffen.
„Woher wißt ihr, was ich empfangen kann? Abgesehen davon, ist das nur ein besonderes Talent, keine Magie. Magie bewirkt Wunder. Wenn ihr angeblich ein Magier seid, warum habt ihr Eure Wunde dann nicht mit einem Zauberspruch geheilt?“
Ein triumphierender Zug spielte um Torks Lippen angesichts der unbestreitbaren Logik seiner Argumentation. Flyoris nickte, als habe er die Frage erwartet.
„Valoggift“, sagte er mit bitterer Stimme, wobei sich seine Hand derart um den hölzernen Stab klammerte, daß die Fingerknöchel weiß hervor traten. „Dagegen helfen nur spezielle Kräuter, die tief im Wald der Elfen wachsen. Zum Glück hatte ich welche dabei, aber sie wirken nur langsam.“
„Ihr wart im Tylas Gran?“, brachte Tork ungläubig hervor.
Flyoris nickte, wobei ein Ausdruck über sein Gesicht huschte, den Tork nicht deuten konnte, ihn aber schaudern ließ.
„Und noch ein Stück darüber hinaus“, fügte Flyoris mit bebender Stimme hinzu.  
Mit Augen, die wie Lampen zu leuchten schienen, fixierte er sein junges, erschrockenes Gegenüber, bevor er mit dem Stock zur Tür wies.
„Aber das sollten wir besser unten besprechen.“


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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.07.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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