Rüdiger Nazar

Pilgertour XI.

 

Endlich..nach langem hin und her...fanden wir unsere Landstrasse wieder. War es auch die richtige ? Ich war überzeugt davon...denn mein Orientierungssinn hatte mich noch nie im Stich gelassen.

Der nächste Ort hieß...le Plaix... fragte an einem Haus wo Kinder im Garten spielten nach Wasser. Und großer schwarzer Hund schoß uns entgegen. Eine Frau erschien...Max...arret...arret Max. Dieser verstummte so...als wäre er vom Blitz getroffen. Naja..vor dem brauchten wir so wie so keine Furcht zu haben...er war sicherlich froh...das er noch lebte...ein sehr alter und im Fell  zerzauster  Vierbeiner...aber ein liebes Tier. 

Renate war es satt und legte sich vor dem Haus in eine große Wiese...und war augenblicklich eingeschlafen. Sie war überhaupt nicht zu sehen. Unsere Rucksäcke standen am Strassenrand an einer Hecke des Hauses.

Die Frau ist sehr freundlich...aber zurückhaltend und vorsichtig...wäre ich auch...wenn mir so ein Typ gegenüber stehen würde. Lange Haare zum Pferdeschwanz gebunden...Bart...und nicht gerade sauber. 

Ich bekomme das Wasser und bedanke mich freundlich...sie sah mir nach als ich ging. Saß neben den Rucksäcken und machte meine Eintragungen.

Ich hörte  meine Wölfin laut schnarchen...oh was muß das arme " Mädchen " kaputt sein...sie tat mir so leid. Schmerzen hatte sie in den Beinen...und seit Tagen auch in der Hüfte. Ich schaffe das schon...sagte sie...aber ich sah sie humpeln...wenn sie auf der Landstrasse vor mir lief. 

Als sie dann so nach einer Stunde wach wird...sagte sie...ich will nach Hause...ich schaffe das nicht mehr...meine Beine schmerzen.

Ich atme tief durch...nun gut sagte ich...was nicht geht..geht eben nicht. Laß uns bis Saint Clermont laufen...dann fahren wir mit der Eurolines wieder nach Hause...nach Mönchengladbach. Sie sieht mich fragend an...meinst du das im Ernst ? Natürlich sagte ich...todernst. 

Ja sagte ich...wir fahren nach Hause...und wenn du willst...beginnen wir die Tour nächstes Jahr genau dort...in Saint Clermont...wo wir aufgehört haben. Sie schluckt. Kannst auch alleine weiter gehen...ich fahre dann zurück. 

Alleine schoss es durch meinen Kopf. Einen Bruchteil von Sekunden war ich bereit dazu...weiter zu gehen...alleine...warum auch nicht...war sonst auch immer alleine unterwegs. Ja...sagte ich...fahre du...und ich gehe alleine weiter...und wußte genau...daß ich dieses niemals machen würde.  Sie sah mich an und in ihren Augen standen tausend Fragen. Ich vertraue dir. Ich dir auch sagte ich. 

Nein ...niemals würde ich soetwas machen. Wir haben diese Pilgertour zusammen begonnen...haben Freud`gehabt und auch gelitten...sie war so tapfer .

Mein Verstand sagte...gehe alleine weiter...vielleicht machst du diese Tour nie wieder. Aber mein Gefühl...mein Gefühl für meine Wölfin sagte... diese Frau läßt du niemals alleine...das hat sie nichr verdient... entweder zusammen oder garnicht.

Und fragte sie...wie hast du dich entschieden ? Was meinst du denn...fragte ich ? 

Sie lächelte mich an...und mein Herz schmolz dahin...oh ja...sie kannte mich gut. 

Es mochte jetzt so sechzehn Uhr gewesen sein...keine Ahnung...die Sonne brannte unbarmherzig...42 Grad. Wir konnten beide nicht mehr. Die Rucksäcke waren so schwer...die Riemen fraßen sich in den Schultern fest...es schmerzte...die Haut war rot und aufgerissen...da half auch keine Creme.

Und keine Schlafstelle zu finden...an der Strasse entlang...alle paar Meter Häuser...hier konnten wir nicht bleiben.

Jetzt Stop sagte ich und überquerte die Strasse...ohne auf  Renates Einwände zu hören..überstieg eine Strassenbegrenzung...sie folgte. Hier bleiben wir gleich...nur noch ein paar Meter. Es wurden mehr und mehr. Häuser und wieder Häuser...wo man auch hin sah.  Ich kann nicht mehr sagte sie...gehe keinen Schritt mehr weiter. Alles klar sagte ich...dann kannst du ja hier direkt an einem Haus schellen...und fragen ob du im Garten schlafen kannst. Dieses Argument sah sie ein. Also gingen wir bestimmt noch zwei...drei Kilometer...immer Feldeinwärts...dann Wald. Ein langer Weg führte in ein Stoppelfeld. Ich ging vor...und ließ mich ganz ganz hinten in diesem Feld fallen...Ende.

Du glaubst doch nicht...daß ich hier bleibe ...sagte sie ? Ich verdrehte die Augen...und hatte eigentlich keine rechte Lust zu Antworten. Und warum nicht...sagte ich...absolut genervt  ? 

Bin ich denn ein Fakir...sieh dir doch nur mal diese Stoppeln an...hier können wir nicht richtig liegen...und außerdem...es macht unsere Plane kaputt.

Hallo...es sind Grasstoppeln...wir haben schon schlimmer gelegen...und außerdem...du könntest mich an einem Baum aufhängen...ich schlafe überall....aso müde bin ich.  Ja du...aber nicht ich. Es ergab sich ein handfester Streit...und sie zog ab...wohin weiß ich nicht...sie ging einfach. 

Ich saß dann da...absolut frustriert so einige Minuten herum...fünf Minuten...zehn Minuten...fünfzehn Minuten...zwanzig Minuten...dann reichte es mir...keine Renate zu sehen.

Ich war so sauer...ließ unser ganzes Gepäck einfach auf diesem Stoppelfeld liegen und ging los...um sie zu suchen...sie konnte so furchtbar stur sein. Sollte doch unser Hab und Gut klauen wer wollte...mir war es im Augenblick so egal.

Meine Augen fieberten hin und her...wo war sie bloß ? Nach geraumer Zeit...ich hatte wirklich schon Sorgen...fand ich sie an einem Waldweg siztzen...und...und...und...

ich flippte total aus...und schrie sie an.  Meinst du eigentlich...wir wären hier im Stadtpark...wo man so einfach spazieren gehen kann. Weißt du eigentlich wo du hier bist...und was dir alles geschehen könnte ?  Wütende Platzhirsche...Wildschweine mit ihren Frischlingen...was meinst du...wenn du ihnen in die Querre gekommen wärst ? Und...es treiben sich auch hier zwielichtige Typen herum.

Sie sah mich an...als wenn ich Grimms Märchen zitieren würde. Puh...ich war sauer...weil erregt...erregt vor Sorge...aber das sah sie nicht ein. Ich machte kehrt um die Rucksäcke zu holen...sollte sie doch übernachten wo sie wollte...sie blieb einfach sitzen. Meine Warnung und Hinweis auf die eventuellen Gefahren ließen sie anscheinend kalt...oder sie war sich der Tragweite meiner Worte nicht bewußt.

Verdammt...ich hatte wirklich viel eingesteckt auf unserer Tour...aus Erfahrung die ich hatte...die ich ihr mitteilte...sie wußte alles besser...schwieg ich um des lieben Friedens Willen.  Aber das nun war einfach zu viel.  Ich war kein dummer Junge...den man so herumkommandieren konnte. Mach`dies`so...und nicht so...hallo...wer war ich denn ?  Ich packte die Rucksäcke...nun trug ich zwei...zusätzlich beide Wanderstöcke..und ging wieder in Richtung...wo ich sie zurückgelassen hatte. Ich konnte vor lauter Gewicht kaum gehen...brach bald zusammen.

Als ich dort ankam...wo ich sie zurückgelasen hatte...saß sie immer noch da...sich keiner Schuld bewußt. Dann laß uns hier bleiben sagte sie...mir platzte der Kragen...warf ihr ihren Rucksack unsanft vor die Füße...und ihren Stock. Bleib`wo du willst...sagte ich...ich gehe weiter. Und ich ging. Sie saß noch immer da...als ich in einigen Metern Entfernung um die Ecke in den Wald einbog. 

Niemals würde ich sie so sitzen lassen...so ganz alleine...und so stand ich dann da...in hundert Metern Entfernung und wartete. Nichts geschah. Ich wartete lange.

Nach cirka zwanzig Minuten...sah ich erst ihren Rucksack...der höher als ihr Körper war...den Feldweg entlang kommen...dann sie...sie...die inne hielt...und nach rechts und links schaute. Bist ja nicht weit gekommen ...sagte sie. Ich schluckte meine Kommentar hinunter...obwohl ich an den zurechtgelegten Sätzen bald erstickte. Ohne eines Wortes...ging ich weiter...voran...sie folgte. 

Blieb dann stehen..weil es mir zu dumm vorkam...sie überholte mich...und übernahm die Führung....ich ließ sie.

Bist ein Arschloch sagte sie...ein blödes dummes Arschloch. Mein Blutdruck stieg...wie eine Dampfmaschine...aber ich schwieg. Sah sie denn wirklich nicht ein...das es nur Sorge um sie war ?   Was hätte alles geschehen können ?

Du bist ein Pessimist...sagte sie einmal zu mir...mußt überall nur Negatives sehen. Aber bitte...hatte sie das erlebt was ich erlebt hatte...war sie aus Vertrauen zu Menschen mitgegangen...dann in einen Hinterhalt geraten...in Irland...war sie vielleicht so aufgeschlitz worden wie ich ? Meine Narbe zieht sich vom Schritt bis zum Solar Plexus. Vertrauen...ha...nein danke...nur zu mir...und das manchmal noch nicht mal. Ich schwieg...schwieg...weil ich in einer Ohnmacht versank...die ich nicht erklären konnte...nicht erklären wollte.

Ich war sauer.

Wir gingen weiter...immer weiter und weiter...kamen dann an einer Stelle an...Strassenbegrenzung...Leitplanke. Ich ging einfach rüber...wurde bald von einem laut hupenden Wagen überfahren....ich sah ihn noch nicht einmal...zeigte ihm den Stinkefinger...zu unrecht...er war im Recht. 

Es war ein unwirkliches Terrain...Steine...und hohe harte Gräser. Und sagte ich...besse als ein Stoppelfeld ?  Vor uns lag ein künstlich angelegtes Biotop.

Renate stapfte los...ihre Blicke wanderten hin und her...sie wollte ihre Niederlage nicht eingestehen. Hier sagte sie...eine geeignete Stelle. Ich sagte garnichts mehr dazu. Wir lagen hinterher abschüssig...eine Schräglage von 25 Prozent...Beine nach unten. Unsere Isomatte hatte Beulen...dicke Steine im Rücken ließen mich die ganze Nacht nicht schlafen.... es schmerzte in der Leistengegend. 

Und dann...nachts...was war das denn ? Der Teich...sahen wir doch beim Ankommen einen oder zwei Frösche...nun ein Konzert...drei Uhr in der Nacht...tausende...und das ist nicht übertrieben. Ein ohrenbetäubender Lärm...ein Inferno an Geräuschen...ein Frosch übertraf den anderen im Werbungsgesang...es hörte sich  an...wie ein Lied von Deep Purple rückwärts  gespielt...ich verzweifelte.

Scheiß Nacht..sagte sie zu mir am anderen Morgen.  Wieso sagte ich..habe gut geschlafen...aber meine Nerven vibrierten...und ich war geladen wie ein E-Werk ohne Auslaß...hatte ich doch kein Auge zugemacht.

Am nächsten Tag...der Ort heißt...Le Mayet de Ecole...unsere Nerven sind vom Vortage immer noch gespannt wie Sehnen eines Bogens. 

Halten an einem Bistro an...bestellen Kaffee...und Panasch...oder Panasche...auf deutsch...Alsterwasser...ein Gemisch aus Bier und Limonade. 

Der Akku meiner Digitalcamera war leer... fragte den Wirt ob ich es kurz mal laden könnte...so für eine halbe Stunde oder so...halte ihm zwei Euro hin. Kein Problem sagte er...und steckte die zwei Euro ein...bongte sie aber ordnungsgemäß in seiner Kasse ein. Wir saßen draußen und ließen uns die Sonne auf den Pelz brennen. Renate war immer noch vom Vortage sauer...aber so auch ich...es kam kein Gespräch auf.

Nach einiger Zeit zogen wir weiter...bon Courage sagte der Wirt...als wir seinen Hof verließen. Es kam ein Kirche...eine wunderschöne... eine Kreuzung...eine Hexengabelung...ein Kreuzung in Form eines Kreuzes. Auf einer Bank saßen wir so eine halbe Stunde...zeitlos...irgendwie ziellos...dann ging es rechts herum weiter.Wir haben unsagbaren Hunger...die Vorräte gehen mal wieder zur Neige...die Sonnne brennt...43 Grad im Schatten...spinne ich denn...sind wir hier in Afrika...oder wo ?

Wir auf unserer Wanderschaft...waren eine Attraktion für Autofahrer und Fussgänger. Hatte man so etwas noch nie gesehen...zwei Wandere mit Rucksäcken ?

Der nächste Ort...ist...Petit le Village...ein sehr kleiner Ort...wir waren sehr schnell durch...zu Fuss...mit dem Auto...vielleicht so eine Minute...also sehr klein.

 

Und jetzt kann ich nicht mehr...24.15 Uhr...ich bin müde...und schreibe morgen weiter...liebe Grüße an euch alle in die Nacht...oder in den Tag...oder ...oder...

euer Rudevicus...

 

 

 

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.07.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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