Sokratis Tsiolakis

Der Große Animateur

Der Große Animateur

 

Schreckliche Langeweile plagt den Großen Animateur . Sauertöpfisch blickt er drein . Depressionen piesacken ihn . Was soll er nur tun ? Den wulstigen Schädel zwischen den eher schmächtigen Schultern eingesunken , sitzt er auf seinem , trotz der reichlichen Leibesfülle eigentlich immer noch zu groß geratenen , Fauteuil du Patron mit den in Äonen abgewetzten ledernen Armlehnen .

Genau betrachtet befindet er sich , was allerdings nichts Außergewöhnliches ist , zu dieser frühen Morgenstunde bereits in einem reichlich angeheiterten Zustand . Vielleicht denkt er , sollte er der Sonne einfach befehlen ihr gräßliches Antlitz zu verhüllen , um so sich der Illusion eines fortgeschritteneren Tages hinzugeben . Aber er winkt kraftlos ab und wirft noch einem hohlen Blick hinaus in seine Welt , die ihn verflucht zu haben scheint .

Die wievielte Flasche dieses von ihm so hochgeschätzten klebrigen Rumverschnittes es diese Woche schon gewesen ist , hinterfragt er schon nicht mehr . Wozu auch ? Er trinkt , weil er eben trinken will . Er ist niemanden Rechenschaft schuldig . Wäre ja auch noch schöner !

Despektierliche Fragen penetranter Aufdringlinge nach seinem Befinden , Wohlergehen , dem langen , langen Schweigen und was auch immer noch , pflegte er routinemäßig mit üblen Plagen zu begegnen . Besonders hartnäckige Quälgeister , die es nicht lassen konnten , holte er einfach kurzerhand früh zu sich , was nicht heißen sollte , daß er sie besonders lieb hatte. Im Gegenteil . Aus die Maus ! Sack zu und Schluß mit den nervtötenden Lobhudeleien !!!

Obwohl der Große Animateur im Grunde seines übersinnlichen Wesens ein ausgemachter Feigling ist und sich die wahren Gründe für seine Malaise niemals offen , vor anderen schon gar nicht , eingestanden hätte , ist er sich natürlich dennoch voll und ganz darüber im Klaren . Er ist ja schließlich nicht doof . Unentwegt , doch mindestens nach jedem Besäufnis , huschten durch die verschlungenen Gänge der Bleikammern in seinem Kopf , düstere Gedankengespinste seiner gepeinigten Seele , die die Bürden seiner Existenz darstellen und lachten laut schallend über ihn .

Seine , ganz und gar ungewollte , Tätigkeit als Gründer und Leiter in unkündbarer Position bis ins Unendliche eines mittlerweilen den Erdkreis umspannenden Unternehmens der Relibranche , macht ihm lange keine Freude mehr . Die Öde , die ihn gefangen hielt , schien mit jedem neu von ihm genehmigten Tag mehr und mehr von ihm Besitz zu ergreifen . Da halfen auch nicht zwischenzeitliche Zerstreuungen wie Buddelschiffchenbau , oder Welten zusammenkleben aus Streichhölzern nicht wirklich weiter . Zumal er tun und lassen konnte , was er wollte , denn zum Schluß sahen alle Dinge aus wie eine spezielle Komponente der weiblich Geschlechtsorgane .

Ehrlich gesagt , ein Weltunternehmen ist es auch schon lange nicht mehr . Gut , die Geschäfte laufen einigermaßen , trotz stagnierender Marktanteile . Aber die Konkurrenz schläft nicht und Kopierschutz für Monotheistisches Fertigprodukte gibt es nicht . Andere pfiffige Jungs hatten auch den Dreh raus und machten in der Zwischenzeit mächtig Dampf mit ihre eigene Produktlinie , was er , der Große Animateur , jedoch nur als Markenpiraterie bezeichnen konnte .

Scheiß drauf , die Achseln des Großen Animateurs zucken arhythmisch . An der Seelenbörse bleibt seine Firma auf jeden Fall eine Größe für sich und notierte in letzter Zeit wieder fester . Atheismushaussen kommen und gehen , das ist nun mal so . Viel ärgerlicher waren neuerdings die , durch verschwommene weltliche Solidität verursachte , massenhafte Fahnenflucht der Kunden aus der finanziellen Verpflichtung gegenüber seinen örtlichen Filialleitern durch Kündigung der Mitgliedschaft . So oder so , er kannte das Geschäft In - und Auswendig und eigentlich war es immer schon so gewesen .

Nein , Nein und nochmals Nein , das war es nicht , was ihn quälte . Etwas weniger Rendite hier , die Fahnenflüchtigen dort , eine Pleite mehr oder weniger ließen sich immer verschmerzen – die tägliche Monotonie seines Wirkens nicht .

Tag ein Tag aus die immer selben nervtötenden Fragen nach dem Sinn des Lebens , die sich auf seinem Schreibtisch in der Fanpost stapelten . Die völlig bescheuerten , überaus infantilen Bitten nach einem neuen Wunder , nach einem neuen Auto , Baby , Tralala – das kann es doch nicht gewesen sein ???

 

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Der Große Animateur hat schlichtweg die Schnauze voll . Warum verwehrt man ihm das Recht auf etwas wirklich Aufregendes . Etwa Wildes , Gemeines , aber bestimmt aber nichts Gutes ! Etwas außerhalb der Norm , was garantiert nicht : Lobet den Herrn , zur Folge haben dürfte . Einen simplen Ladendiebstahl zum Beispiel . Nervenaufwühlende Situation , alle Nerven gespannt bis zum Zerreissen , dann der erlösende Griff ins Regal . Seine PR-Abteilung winkte immer nur entsetzt ab . Und schmutziger , anonymer Sex mit willigen , aufgedonnerten Zufallsbekanntschaften in den hinteren Reihen eines stockdusteren Schmuddelkinos , würden schon mal gar nicht gehen , sagen sie . Na Super !!!

Als ob dies nicht alles ausreichen würde , ereilte ihn auch noch ein gänzlich unerwarteter Schlag ins Gesicht vor ein paar Tagen . Sein langjähriger Sicherheitschef , der dicke Pete , genannt der Portier , quittierte ohne Angaben von Gründen seinen Dienst fristlos . Innerhalb eines Tages hatte er seine Dienstwohnung ausgeräumt und das Firmengelände verlassen und war auf Nimmerwiedersehen verschwunden . Die Putzfrau hatte Reste von Tabletten und einer undefinierbaren weissen Substanz auf seinem Nachtisch gefunden , was sich niemand erklären konnte , denn er trank in der Regel eigentlich nur gelegentlich einen über den Durst .

Der Große Animateur schüttelt den Kopf . Pete ging auch nicht mehr ans Telephon . Nur die Mobilbox zwitscherte penetrant , wenn er versuchte ihn zu erreichen. I`m gonna Highway to Hell – echt komisch !!!

Mist ! Pete war einfach der Beste gewesen . Hart und unerbittlich von seinem Naturell her , scheute er nie unpopuläre Entscheidungen . Der vom Großen Animateur , gegen alle Widerstände im Aufsichtsrat durchgedrückte Einlassstop , hatte Pete konsequent durchgesetzt . Sollten die armen Seelen da draußen vor dem Werktor jammern und schreien bis sie Schwarz wurden . Was schert es ihn ?? Der Himmel ist nun mal voll . Punkt !!!

Der Große Animateur seufzt . Probleme über Probleme . Wohin er auch blickt – der Berg derselben wird immer größer – da half auch keine Predigt .

Gedankenverloren nuckelt der Große Animateur an seiner Flasche . Doch die ist leer mittlerweile . So leer wie sein Kopf sich anfühlte momentan und in letzter Zeit überhaupt . Die Gedanken daran bereiten ihm Schmerzen , also gibt er das Denken schnell wieder auf . Er legt sein Kinn auf die kühle Schreibtischplatte und rollt seinen Kopf langsam ab . Erst nach Rechts , dann nach Links . Herrlich !! Leichter Druck auf die Schläfen ist die Folge , was in Kombination mit der eindringenden Kühle , sein schmerzendes Haupt etwas beruhigt . Dann fixiert er die vor auf dem Schreibtisch stehenden leeren Flaschen . Er kneift ein Auge zu , weil er glaubt sich besser konzentrieren zu können . Doch es gelingt ihm nicht ganz . Die Konturen verschwimmen irgendwie immer . Der Große Animateur läßt die Mundwinkel hängen . In dem Semi-Relaxanten Zustand in der er sich jetzt befindet , bemerkt er nicht wie sich ein Speichelfaden aus seinem Mundwinkel löst und auf die Schreibtischplatte tropft . Wo ist nur die andere Flasche , denkt er . Sein Sinn kreist jetzt um einen neuen Schluck . Blind , ohne die Körperhaltung zu verändern , tastet seine rechte Hand den Schreibtisch nach unten und sie findet , was sie sie sucht Auf super geölten Schienen gleitet die Lade butterweich aus dem Schreibtischbauch heraus . Da ist es schon das Geräusch auf das der Große Animateur hofft . Das Hin – und Her rollen einer Flasche , gedämpft von einem Stoß alter , verschmutzter Papiertaschentücher . Süsser die Glocken niemals klangen !

Der Große Animateur richtet sich wieder auf . Die neue Flasche fest im Griff seiner Hand . Er spürt wie das Gesöff in der Flasche schwappt . Sein verfetteter Körper ächzt , denn er mag keine heftigen , für ihn überraschen Bewegungen mehr . Der Große Animateur zittert vor Anstrengung . Es gelingt ihm nicht Anhieb die blecherne Kappe der Flasche zu öffnen , weshalb er sie kurzerhand mit den Zähnen abdreht und den Verschluß im hohen Bogen vor seinen Schreibtisch spuckt .

Kaum ist dies vollbracht - was ihm in diesen Moment ähnlich erheiternd vorkommt , wie die Blutverflüssigungsveranstaltungen und Wunderheilungen im Rahmen der alljährlich wiederkommenden Werbekampagnen der Firma – die Leute wollten eben betrogen werden - ,

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nimmt er einen tiefen Schluck aus der Flasche . Sein Adamsapfel hüpft aufgeregt , als die Flüssigkeit warm in seinen Körper rinnt . Ein kleiner Rinnsal läuft sein Kinn herunter und tropft über den ausgefransten Bart auf das nikotingelbe Oberhemd . Selbst wenn der Große Animateur es gemerkt hätte , über verschmutzte Kleidung oder ungepflegtes Aussehen macht er sich schon lange prinzipiell keinen Kopf mehr .

Als er genug hat stößt der Große Animateur ein-zweimal kräftig auf . Das macht Spaß , da hat er noch das Gefühl am Leben zu sein . Außerdem scheint sein Rülpsen Einfluß auf großstädtische Wetterlagen zu haben . Wie genau das funktioniert weiß er selber nicht . Jedenfalls freut es ihn all diese psychisch labilen Wetterfühligen piesacken zu können .

Der Große Animateur lehnt sich zurück . Er kratzt sich in der speckigen Achselhöhle , währen seine andere Hand eine neue Zigarre aus der Brusttasche seines Hemdes zieht . Wenn er es sich recht überlegt , geht es ihm durch den Kopf , dann hatte alles damals auf der Kunstakademie begonnen . Oh Ja , er kann sich noch sehr genau an den Spott seiner Kommilitonen erinnern . Die feinen Pinkel aus den sogenannten Guten Familien , die ihn zu gerne seine Herkunft haben spüren lassen . Dabei war er es gewesen , der mehr Talent im kleinen Finger besessen hatte als all die schnöden Ignoranten um ihn herum mit den teuren Klamotten , den schnellen Sportwagen und den herausgeputzten Freundinnen mit den riesigen , üppigen außerordentlich festen Brüsten und großen Nippeln , die ihn hämisch in die Augen stachen , ihn auslachten , ihn quälten beim Vorbeigehen , ihn verhöhnten , ihn weiter quälten mit all dem zarten Fleisch auf den runden Gesäßen und Schenkeln , oh , oh , diese Qualen , Tag ein Tag aus . Ja , Ja , Ja , er kann sich noch so genau daran erinnern , als ob es gestern gewesen wäre !!!

Der Große Animateur schüttelt heftig den Kopf . Aber diese bösen Erinnerungen umschwirren ihn immer noch , wie ein Schwarm lästiger , blutgieriger Insekten , die aus seiner Vergangenheit heraufgestiegen sind um ihn mit ihren Stichen zu martern . Alles Schütteln half aber nichts – er kann sie einfach nicht loswerden !!!

Schnell noch einen Schluck und einen Zug an der qualmenden Zigarre . Der Große Animateur saugt und Trinkt zugleich . Eine Übung , bei der er es zu wahrlich meisterhafter Größe gebracht hat . Welches Jahr ist es nur gewesen , wo er sich um ein Haar für die Vorentscheidung zur Nominierung

zur Simultan-Trink-und Zigarrenrauchen-Olympiade qualifiziert hätte ?

Jedenfalls , der Große Animateur kratzt sich die juckenden Stoppeln im Gesicht , irgendwann damals auf der Akademie , getrieben vom Ehrgeiz die erlittenen Demütigungen zu vergelten , hatte er sich vorgenommen ein einmaligen , nie zuvor gesehenes , seines Gleichen suchendes Kunstwerk zu schaffen , vor dessen gleißenden Glanz und Gloria sich die Bande der Dilettanten und Speichellecker , die in den Hallen der Kunst wie die Schmeißfliegen hockten , nur noch in den Staub fallen lassen hätten können , um demütig im Staub vor ihm sich zu winden .

In sechs Tagen und Nächten, voll von wahnsinniger Schaffenskraft getrieben , riskierte er alles – und er gewann . Am Morgen des siebten Tages , an die Grenzen gelangt und auch ein bisschen hungrig und außerdem war ihm auch noch das Bier ausgegangen , im Angesichts dieses wundervollen blauen Balles durchströmte ihn ein Glück , wie er es noch nie zuvor verspürt hatte . Aus diesem Grunde machte er an diesem Tage dann auch nichts mehr und legte sich in seiner Studentenbude auf die Faule Haut .

Dann , ein paar Tage später , es ward noch Dunkel , aber dann knipste plötzlich jemand das Licht an und eine Abordnung der höchsten Honoratioren der Akademie marschierte in sein Zimmer . Überschüttet mit Ehrungen aller Art , noch fassungslos dem Geschehen vor seinem Bette folgend , fing jeder der Hohen Herren an mit jedem anderen im Raum Befindlichen , um das Privileg seiner Gunst zu buhlen .

Er , der Große Animateur war stolz , Ja , Ja , was anderes zu behaupten wäre schlichtweg gelogen . So stolz , daß er fast geplatzt wäre . Herumgereicht als junges Genie vergingen die Tage und plötzlich zwinkerten ihn Luxusfrauen zu , die ihn ansonsten nie beachtet hätten .

Doch dann fingen die Probleme an . Als er seine blaue Kugel blankpolieren wollte für die erste

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große Präsentation im Auditorium Maximum , wies sie die von ihm benutzte Möbelpolitur immer wieder ab , so daß er sie anhauchen mußte – und plötzlich begann die Kugel , so mir nicht dir nichts , ein Eigenleben an zu führen .

Mit ihrer Erschaffung war es offensichtlich nicht getan . Eine weitere ungeheure Arbeit verlangte sein Werk ihm ab . Es ließ ihn nicht in Ruhe . Es zerrte und zog und wollte immer noch mehr . Sogar an seinem Ruhetag ließ es ihn nicht zufrieden . Dieses Ding wuchs ihm über den Kopf . Er war zum Sklaven seiner Schöpfung geworden . Alle Gebote die er aufstellte fruchteten nicht im Geringsten !!! Ganz im Gegenteil . Schon wieder wurde über ihn gelacht . Einmal dann , aus tiefster Verzweiflung , versuchte er sein Werk mit Wasser zu zerstören . Der Versuch mißlang . Er brauchte 150 Tage bis er die Sauerei wieder aufgewischt hatte .

Zum Künstler berufen , sank er zum bloßen Verwaltungstechnokraten herab . Jetzt grinst der Große Animateur unvermittelt bei der Erinnerung daran , wie er das Beste aus der entstandenen Situation zu machen gewußt hatte . Denn die Schlußfolgerung war nämlich : Du blaues Ding nervst total , ich kann nicht schlafen und ich kann nicht essen und ich kann dich nicht entsorgen – also werde ich wenigsten einen Haufen Kohle mit dir machen !!!

Gesagt getan .

So viel Zeit war seit dem vergangen . Wenn wenigstens Aussicht auf eine vernünftige Nachfolge bestanden hätte , dann wäre ihm sein Los vielleicht nicht mehr so hart erschienen . Doch wem sollte er die Firma überantworten ? Der Große Animateur verzieht die Mundwinkel . Seinem Sohn etwa ? Der zog es lieber vor sich den Verlockungen der Großen Hure Babylon hinzugeben , anstatt an der Seite seines Vaters seinen ehrlichen Messias zu stehen .

Bei den Gedanken an seinen Sohn verzieht sich das Gesicht vom großen Animateur immer mehr .

Wenn er ehrlich ist , denkt er , dann hatte er auch gerüttelt Maß Schuld an dem was aus seinem Sohn geworden ist . Liebe hatte er ihm nicht nicht wirklich geben können . Das Geschäft ging immer irgendwie vor . Vielleicht hatte er ihn auch zu sehr gegängelt und dann zu Früh in die Firma genommen .

Ach Ja , idealistisch , ehrlich , schlicht gut war sein Sohn gewesen . Dazu noch talentiert . Immer war er mit der Verbesserung der in der Firma benutzten Philanthropischen Software beschäftigt . Auch sozial war er engagiert gewesen . Wie junge Leute eben so mal sind für kurze Zeit in ihrem Leben .

In einer Trial-and-Error Methode eignete sich sein Sohn einige medizinische Grundkenntnisse an und konnte sie erfolgversprechend an Lahmen und Blinden ausprobieren . War dies schon sehr erfolgreich ( nebenbei , es sparte der Betriebskrankenversicherung der Firma auch jede Menge Moos , aber psst , nicht weitererzählen !!!) , hätte man den Großen Animateur dann vor Vaterstolz erstrecht platzen sehen können , als sein Sohn die von ihm genmanipulierten , sich selbst vermehrenden Lebensmittel unter die gläubigen Konsumenten seiner Vaters Firma warf. Heißa , war das ein Bombengeschäft . Da konnten die beiden anderen Neider der Konkurrenz nur dumm aus der Wäsche kucken . Soe twas hatten sie nicht zu bieten . Aber dann alles aus und vorbei !

Der Große Animateur glaubt , daß es ein Montag gewesen sein muß an dem sein Sohn völlig verändert wiedergekommen ist . Er hatte nie wirklich aus ihm herausbekommen , was passiert war . Ob es eine spätpubertäre Laune war , oder nicht , keine Ahnung . Im war damals zugetragen worden , daß sein Sohn kurz zuvor mächtig Ärger nach einem üppigen Abendessen im Freundeskreis bekommen haben soll . Näheres allerdings unbekannt . Also , an der von ihm immer überreichlich ausgestatteten Firmenkreditkarte mit Überziehung bis auf Ewig jedenfalls konnte es nun wirklich gelegen haben .

Ab diesem Tage ließ sich sein Sohn praktisch nur noch hängen . Er verschwand Wort und Grußlos aus seines Vaters Leben , vergaß dabei aber nicht den monatlichen Scheck abzuholen und bei den Geldwechslern zu schnellem Baren zu machen . War er dann wieder pleite , was nicht lange auf sich warten ließ , dann schnorrte er sich den Rest zusammen .

Der Große Animateur schüttelt wieder den Kopf . Verflucht , eine Menge Leute warteten auf seinen

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Sohn , denen der Große Animateur nun schon alle nur erdenklichen Ausreden und Ausflüchte erzählt hatte um sie hinzuhalten , aber das interessierte der Herrn nicht mehr . Scheinbar ist sein Sohn in eine Art Inneres Exil gegangen und hielt sich weit von den Kunden seines Vaters zurück , die allerdings schließlich ja auch mal seine Kunden sein würden . Traurig , traurig , der Große Animateur empfindet in diesem Moment seinen Sohn als für immer verloren . Ein leichter Tränenfilm bedeckt dabei seine Augen .

In der ersten Rage darüber ,wie seinem Sohn damals mitgespielt worden ist , wollte der Große Animateur in einem Anfall von Jähzorn , seine irdischen Anlagen sofort und unbedingt abziehen . Ein regelrechter Blutrausch überkam ihm ihn in dem Moment als ihn die Nachrichten bezüglich seines Sohnes erreichten .

Zum Glück war er gerade zu dieser Zeit wieder einmal auf einer ausgedehnten Geschäftsreise gewesen , so daß ihm Zeit blieb die Sache zu überdenken und sich eines Besseren zu belehren . Alle unbedachten Handlungen hätten nur sehr negative Auswirkungen haben können auf einen sensibel reagierenden Markt . Als auslösender Faktor für eine schwere Glaubenskrise wollte der Große Animateur nun auch nicht wieder vor die zuständige Aufsichtsbehörde zitiert werden .

Ohnehin erscheint dem Großen Animateur , den Zigarrenstummel im Mundwinkel kauend , die Hand im juckenden Schritt , jedwedes Eingreifen als überflüssig . Das geistige Defizit in den ausführenden Filialen erhöhte sich von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr stetig weiter , während dessen die Notierung im Evolutionsindex auf ein Allzeithoch zustrebten . Irgendwann würde die Blase einfach platzen und etwas Neues würde auf der Bildfläche erscheinen . Gut das er von alles etwas im Portefeuille hielt . Außerdem stehen seine Werte zwar noch offiziell in seinem Buch , sind aber in Wirklichkeit längst abgezogen und woanders krisensicher angelegt . Buddha Buddies Corporation beispielsweise und deren Be-Happy-Zertifikate mit eingebauter Renditesicherheit . Kann man eigentlich nichts falsch machen . Seitdem er auch noch auf der Zielgeraden zu seinem Allerneusten Testament ist , macht sich der Große Animateur höchsten noch geschäftlich Sorgen , was es wohl zu Mittag geben würde. Hier an der Stelle hinterlegt der Große Animateur über sein Diktatorphon eine Gedankennotiz für sein Allerneustes Testament bezüglich das Kapitels : Die heilsame Wirkung von zügelloser Wollust , da ihm einige Formulierungen noch zu seifig erscheinen .

Andere Leute sollten sich viel mehr Sorgen machen als ER . Da fällt ihm sofort sein Regionalvertreter auf Erden ein . An sich ein quickes Kerlchen , wenn da nicht sein Hang zu spitzen Papierhüten und Frauenkleidern gewesen wäre , was ihn selbstverständlich für weitere Verwendungen sofort disqualifizierte . Mit Grausen denkt der Große Animateur an einen fatal in die Binsen gegangenen kollektiven Puffbesuch mit ihm . Wahrscheinlich würde er sie alle ausnahmslos feuern bei nächster Gelegenheit . Die unterschriftsreifen Entlassungsurkunden aus dem Leben das sie führen , lagen bereits geraume Weile auf seinem Schreibtisch . Einer mußte ja für die Öffentlichkeit schuld sein .

Der Große Animateur ächzt ein wenig . Schwerfällig verändert er seine Sitzposition und massiert sich sie eingeschlafene rechte Gesäßbacke . Seine Augen starren in die Unendlichkeit . Da tut sich aber im Moment auch rein gar nichts .

In dem Moment fällt dem Großen Animateur auch noch seine Frau ein . Er seufzt . Zu allem Überfluß gibt es diese Dame ja auch noch . Aus seiner Hosentasche zieht der Große Animateur eine alte , abgegriffene Geldbörse . Er klappt sie auf und stellt sie dicht vor seinem Gesicht vor sich auf den Schreibtisch . Die Arme baumeln ihm wieder den Körper herab . Er fühlt , wie sein träges Blut seine Finger anschwellen läßt .

Da ist sie nun , seine ihm Angetraute , die alte Mistschlampe . Der Große Animateur grunzt nur verächtlich , als der das alte Schwarz-Weiss Photo seiner eigentlichen Ex-Frau betrachtet . Ließ sich auch nur noch blicken , wenn sie Geld für irgendeine neue teure Marotte brauchte . Ob sein Sohn doch mehr von ihr hatte , als er ahnen konnte , fragt sich der Große Animateur und erschrickt dabei ein wenig .

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Vielleicht lag es ja an ihrem faden Sexualleben ( er hatte eine Weile lang wirklich heftig getrunken , was sich sicherlich irgendwie diesbezüglich auch ausgewirkt hat ) , daß ihrer beider Eheglück so elendig zu Grunde gegangen ist .

Eigentlich nicht , beantwortet sich der Große Animateur die Frage im Heiligen Geiste gleich selbst und dabei ballen sich seine blutschweren Finger zu Fäusten . Zum einen war sowieso nur einmal richtig etwas drin gewesen und zum anderen konnten man den blassen Rest getrost unter dem Stichwort : Verkehrsstreitigkeiten , ablegen .

Ihr gegenwärtiger Favorit ist dieser feiste Herr Gabriel . Muskelbepackt , stets braungebrannt , perlweisse Zahnreihen , wallende Mähne und ein stetes , hinterhältiges Lächeln im Gesicht . Erzprokurist aus der Abteilung für Lindwurmfragen ist er und das würde er auch für immer bleiben , daß ist für den Großen Animateur schon völlig Klar . Der Große Animateur stutzt einen Augenblick lang . Hatte sich der Herr Gabriel damals , als er diesen Offenbarungsjob bei der jungen , aufstrebenden Konkurrenz zu Ausschreibung stand , auch wirklich als außerbetriebliche Nebenerwerbstätigkeit genehmigen lassen ?

Mmmhh , so sicher ist sich der Große Animateur nicht mehr . Außerdem , hatte er nicht auch bei diesen Job vielleicht nicht auch Betriebsgeheimnisse an die noch junge Konkurrenz verraten ?

Der Große Animateur ist sich sicher , daß er schon etwas finde würde um den Herrn Gabriel zu Fall zu bringen und ihn und seine Schnalle zu seiner mißratenen Schöpfung zu schicken – ohne Abfindung für ihn selbstverständlich . Dann hätte sich es mit den wochenendlichen Liebesnestern auf einsamen Berghütten für die beiden Turteltauben .

Mist , da fällt es dem Großen Animateur wieder ein . Er würde sich noch in Geduld üben müssen . Seine mißratene Schöpfung konnte vorläufig ja gar nicht in Anspruch genommen werden , denn sie hatte sich krankschreiben lassen und unterzog sich gerade einer Kur in einem berühmten Schwefelbad , wo ihm zugleich eine neuer orthopädischer Schuh angepasst werden sollte .Wenn es kommt , dann kommt es aber !!!

Jedenfalls , die Rache ist immer mein , denkt der Große Animateur . Er freut sich schon auf die Gesichter der beiden schamlosen Ehebrecher , wenn er sie hinaus ins Nichts katapultieren würde . Dort könnten sie sich dann so lange vergnügen bis es ihm gefiel , ihm dem Großen Animateur , das Jüngste Gericht zum abschließenden Geschäftsbericht einzuberufen .

Der Große Animateur grinst jetzt über das ganze Gesicht . Mühevoll und umständlich fingert er das Photo seiner Frau aus der Brieftasche . Er setzt sich auf und lehnt sich zurück . Dann hebt er das Photo hoch , saugt nochmal kräftig an der Zigarre und brennt dann genüßlich und fein säuberlich den Kopf seiner Frau aus dem Photo mit der Zigarrenglut heraus . Beißender Qualm macht sich breit und dem Großen Animateur fangen an die Augen zu tränen . Er steckt die Zigarre wieder in den Mund . Mit dem Handrücken reibt er sich die Augen , wobei seine schweren Tränensäcke ganz eigene Geräusche von sich geben , die er eigentlich ganz gerne hat .

Genau in diese , nach dem Geschmack des Großen Animateurs erste erheiternde Aktion des Tages , platzt seine Sekretärin . Tadellos gekleidet , makellos im Teint , eine Mappe unter die Achsel geklemmt erinnert sie ihn , mit sehr bestimmter Tonlage , an die kurz bevorstehende turnusmäßige Sitzung des Aufsichtsrats . Schwach winkt der Große Animateur ab , doch seine Sekretärin läßt nicht locker . Sie kennt das schon . Der Alten Zausel neigte für ihren Geschmack in letzter Zeit etwas zu sehr zum Bockig sein . Sie zieht die Augenbrauen hoch und sagt , daß sie nicht noch ein zweites Mal bitten würde . Wenn er jetzt nicht käme , wären alle weiteren entspannenden Massagen in näherer Zukunft sehr gefährdet . Diesem Argument kann sich der Große Animateur nicht entziehen .

Er drück die Zigarre aus , aber gerade mal so , daß er später noch den Stumpen weiter qualmen kann . Sein Atem rasselt und der Rest pfeift , als er sich erhebt . Unter den barschen Worten seiner Sekretärin sich duckend nimmt er noch endlich die ewig aufgeschobene und vom Aufsichtsrat lange angemahnte : Novellierung der Zehn Gebote umfassenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen , aus seinem Aktenschrank , wobei er verlegen im Teppich mit dem Zeh

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bohrt und nuschelnde Entschuldigungen von sich gibt .

Vergeblich versucht er mit verklausulierten Wendungen die Sekretärin davon zu überzeugen , bei ihm , mit quicker Hand , den fünften Gang für die nächsten Minuten einzulegen . Freundlich aber entschieden weißt diese , mit Hinweis auf ihre frisch desinfizierten Finger , von sich und verweist auf den üblichen Termin in der kommenden Woche . Dann geht sie ab .

Der Große Animateur schnauft ein wenig . Dann rafft er sich auf . Nach relativ wenigen Versuchen gelingt es ihm sich in diese ungemein effektvolle , von ihm so geliebte , so unheimlich und zugleich schön aussehende Gewitterwolkenfront eines mittleren Tropensturms zu hüllen . Kurz bevor er seinem Zimmer in Richtung Aufsichtsrat entschwebt , entdeckt er noch das sein Leibesumfang wieder zwei Knöpfe aus seinem Hemd gesprengt hat .

 

 

 

 

 

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