Petra Rügner Koch

Nur ein Lachen

Eine schwarze Locke Es war an einem winterlichen Nachmittag und ich ging, etwas später als gewöhnlich, zu meinem täglichen Spaziergang aus dem Haus. Ich benutzte immer denselben Weg, vorbei am Rande eines großen Maisackers, dann links herum einbiegend in einen Wirtschaftsweg, der sich kerzengerade an Wiesen, Pferdeweiden und niederem Mischwald anlehnte. Es war ein guter, ein bekannter Weg und ich konnte alle Veränderungen spüren ohne hinschauen zu müssen. Es war ein Weg für Gedanken, die mir entgegenkamen wie Blätter, schwungvoll, manchmal stürmisch aber auch mit einer gewissen Regelmäßigkeit. Heute war die Luft besonders schön! Es lag leichter Frost auf den Wiesen und der Nebel versuchte die letzten Sonnenstrahlen zu verdrängen, die sich mit aller Kraft dagegen wehrten, so als wollten sie noch eine Weile den beginnenden Abend hinaus zögern. Glutrot stand die scheidende Sonne am Horizont und gab ihre letzte Wärme und ihr Licht ab vor der beginnenden Dunkelheit, als plötzlich eine schwarze Locke in ihrem Schein auftauchte. Ihre feinen Haare kräuselten sich im entgegenkommenden Wind und es schien als hüpfe sie hin und her, schüttelte sich und begann erst zaghaft und dann immer stürmischer zu winken. Es sah aus, als wolle sie der scheidenden Dämmerung hinter her, aber sie drehte sich schließlich dem Morgen entgegen. Ihre Konturen wurden kleiner, verloren an Schärfe bis sie dem Licht entgegen, verschwunden waren. Bewegungslos stand ich am Wegesrand und schaute der untergegangenen Sonne nach ohne zu begreifen was geschehen war. Verwirrt und doch auch voll des Glückes begab ich mich geradewegs nach Hause, mit meinem kleinen Geheimnis. Jeden Abend lief ich zu der gleichen Stelle und wartete geduldig auf meine kleine, schwarze Locke, wartete auf ihr freudiges Winken und Hüpfen in der Abendsonne und ließen mein Herz vor Freude überlaufen. Manchmal bemerkte sie mich nicht und ich sah wie die Kleine neugierig über alles hinweg schaute, so dass sie mich viel zu spät entdeckte und der kommende Morgen sie einhüllte und mitnahm. Manchmal verdeckten aber auch tiefe Regenwolken die scheidende Sonne und ich wusste, dass die unbändige Freude die ich empfand wenn meine kleine Locke auftauchte, warten musste. Es waren viele Tage vergangen seit unserer ersten Begegnung. Der Winter hatte dem Sommer nachgegeben und der Sommer dem Herbst und immer wieder traf ich meine kleine Locke, mal mehr mal weniger. Erwartungsvoll sah ich der Dämmerung entgegen und sie dem Morgen. Eines Tages, das Jahr war schon fortgeschritten kam ich ein wenig traurig nach Hause, denn wir hatten einander schon lange nicht mehr gesehen. Ich öffnete die Tür, zog meine Jacke aus, als das Telefon klingelte. Es war ein Anruf von dem anderen Ende der Welt. Es war Barbara, überglücklich hielt sie ihr in Tüchern eingewickeltes Baby im Arm, aus dem eine kleine, schwarze Locke keck hervorschaute.

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