Karl-Heinz Fricke

Meine Schuljahre

 

Meine Schuljahre

Im Jahre 1934 zur Osterzeit wurde ich in der Goslarer Goetheschule eingeschult. Ich erinnere mich an die große Zuckertüte, die allerdings nur ein paar Süßigkeiten enthielt. Man sagte mir zwar, ich sollte nicht alles auf einmal essen, was ich dann auch nicht tat. Eigentlich war ich schon als Kind nicht scharf auf Bonbons, die beim Krämer in einem Glas auf dem Ladentisch standen.

 Als wir Schulanfänger alle in Reihen auf dem großen Schulhof standen erschall plötzlich das Deutschlandlied und wir mussten den rechten Arm zum Nazigruss erheben. Nachdem alle Strophen durchgespielt waren bei denen einige mitsangen, erfolgte gleich danach das Lied ‘Die Fahne hoch’. Der rechte Arm in der ungewohnten Haltung machte nun echte Schwierigkeiten und drohte schmerzhaft zu erlahmen. Auch meine nebenstehenden Kameraden machten verzweifelte Gesichter, aber niemand traute sich den Arm zu senken. Wir wurden dann in unser Klassenzimmer geführt und unser Lehrer wurde uns vorgestellt. Er hieß Heise, und er war sehr nett zu uns, was er dann auch im ersten Schuljahr beibehielt. Wir waren vierzig Jungens in der Klasse. Die Mädchenklassen befanden sich in dem gegenüberliegenden Flügel der Schule.

 Mein Schulweg dauerte ungefähr eine halbe Stunde, aber auf dem Rückweg dauerte er immer länger, weil wir es nicht eilig hatten. Besonders montags, wenn der Leierkastenmann in der Stadt spielte, hörten wir oft andächtig zu. Der Mann war blind, was an der gelben Armbinde mit den drei großen schwarzen Punkten erkenntlich war. Weil zu der Zeit die Mehrzahl der Bevölkerung recht arm war, fielen nur kleine Münzen hin und wieder in den Korb auf der Straße. Während der Mann die Orgel drehte, holte seine Frau aus dem Bäckerladen kostenloses Brot von gestern, was sie Deputat nannte.

 Wir unterhielten uns auch mit den Originalen von Goslar, die für die Stadt arbeiteten und meistens mit ihrem Besen die Straßen fegten. Einer davon wurde Ätepanne genannt, weil er einmal gesagt hatte: "Eck äte aut de Panne". Er sprach grundsätzlich das Goslarer Platt und seine Worte bedeuteten, ich esse aus der Pfanne. Sein Arbeitskumpel war ein Knirps, den wir wegen seiner schwarzen Nase August Negernase nannten, und weil er uns immer wegscheuchte, begannen wir ihn zu hänseln. Ätepanne hatte seine diebische Freude daran.

 In der Schule lernte ich fleißig das AB C, und versuchte das Rechnen zu verstehen,das mir allerdings im ersten Schuljahr nicht so gut gelang. Dagegen liebte ich Heimat -und Naturkunde, und ich schrieb gern Aufsätze. Die Lehrer waren Respektspersonen und sie hatten das Recht vom Rohrstock ausgiebig Gebrauch zu machen, was einige dann auch weidlich ausnutzten.Schlechte Schularbeiten wurden mit Stockhieben bestraft, und alles was außerhalb der Schule zu Klagen Anlass gab, endete normalerweise mit körperlicher Züchtigung in der Schule, egal ob man schuldig war oder nicht.

 Ein Lehrer, mit Namen Henkel, ein strammer S.A. Mann, war ein leidenschaftlicher Raucher. Er zündete sich während des Unterrichts oftmals eine Zigarette, wie er sagte, aus Lehrgründen an. Er sagte dann, er wollte uns nur warnen, das Rauchen niemals anzufangen. Warum er das so oft wiederholte ist mir jetzt allerdings klar.

 Ein anderer Lehrer hieß Hilgendorf. Das war ein regelrechter Sadist. Er liebte durch die Reihen zu gehen, und mit der flachen Hand an die Hinterköpfe zu schlagen.

 An diesen Beispielen ist erkenntlich, dass ich froh war, meine Schuljahre im Jahre 1942 zu beenden. Sitzengeblieben bin ich nicht, denn meine Zensuren waren recht gut. Ich konnte gut schreiben, und auch das Rechnen machte keine Schwierigkeiten mehr. An eine höhere Schulbildung war in finanzieller Hinsicht nicht zu denken, deshalb wurde ich kaufmännischer Lehrling in einer Kohlengroßhandlung, von der ich ein anderes Mal berichte.

 Wie ich in meiner Autobiographie ‘Der Stiefvater’ beschrieb, fehlte es zu Hause an an Harmonie was auch dazu beitrug, mir die Schuljahre zu versauern. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass ich im späteren Leben als Ausgleich den Humor in mir entdeckte.

 
Karl-Heinz Fricke  31.8.2010

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