Werner Gosdzick

Deine Sehnsucht


Der Tag geht zu Ende, gemütlich sitzen wir beide bei einem Glas Wein in unserem mollig warmen Wohnzimmer, während es draußen friert und schneit.
Deine dunklen rehbraunen Augen funkeln im Licht der sich im Ringen um den letzten Wachs verzehrenden Kerze. Manchmal scheint es, als wolle sich eine Träne aus ihnen über deine Wangen ergießen, um doch gleich wieder von einem Lächeln, das wie ein leichter Sommerwind über dein Gesicht gleitet, eingefangen zu werden.

Deine Stimme klingt wie Musik, leise, fast unhörbar sanft und harmonisch und dann wieder mit dieser impulsiven Kraft, die ein wahres Feuerwerk deiner Gefühle widerspiegelt, aber manchmal auch voller Wehmut und mit einem Hauch Melancholie.

Wie ein verdörrtes, altes Stück Holz jeden noch so kleinen Regentropfen langsam in sich einsickern lässt, sauge auch ich jedes deiner Worte in mir auf.
Mein Blick klebt an deinen Lippen, die mit so viel Leidenschaft und Gestik erzählen, dass ich das Feuer in dir förmlich spüren kann, bis es schließlich zu mir überspringt und auch ich diesem Zauber erliege.

Dieser Zauber, den zu empfinden nur der in der Lage ist, der die Sehnsucht kennt, die in deinem Herzen unaufhörlich brennt. Und ich kann es fühlen dieses Verlangen. Dein Verlangen, all jene wieder zu sehen, die einen Platz in deinem Herzen haben. Du möchtest sie jetzt in diesem Moment gerne wieder liebevoll in die Arme nehmen und mit ihnen am weißen Strand deiner Heimat spazieren gehen können. Sie sind aber so viele Kilometer weit entfernt, dass dir hier und jetzt nur der Gedanke an sie reichen muss und vielleicht für einen kurzen Augenblick trösten kann. Weil du ja auch mir einen großen Platz in deinem Herzen gegeben hast, das mich mit deiner Liebe umschließt, so dass du nicht das eine erreichen kannst ohne das andere aufgeben zu müssen, und sei es auch nur für kurze Zeit.

Aber mir wird bewusst, wie sehr du es doch vermisst und liebst, du liebst dieses Land. Dein Land, über das du mit so viel Begeisterung berichtest und in schier unendlich scheinend vielen Farben beschreibst, als maltest du ein Bild, das alle Facetten dieses Landes in seinem Ursprung und seiner Schönheit wieder gibt ohne zu vergessen, ein Teil des Ganzen zu sein, und auch die Kehrseite der Medaille dabei nicht außer acht lässt, dein Land, in dem ich leider noch nie war, das mir aber schon so vertraut vorkommt, als müsste ich nur aus dem Fenster sehen, und es wäre zum Greifen nah, und ich kann sie verstehen deine Sehnsucht, die jetzt auch die meine ist. Diese Sehnsucht nach Madagaskar.
© Werner Gosdzick

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