Talula Zimt

Erinnerungen im Dunst des Nebels

 Ich war beeindruckt. Das war das absolut erste Mal, dass ich meinen Urlaub an einem See verbrachte. Und noch dazu an einem See wie diesem. Das Wasser war so klar, dass man die Fische, die auf dem Grund des Sees schwammen, sehen konnte, wenn man mit dem Boot darüber fuhr. Er spiegelte die Wolken, ebenso wie das Sonnenlicht und strahlte eine Ruhe und Wärme aus, wie ich es niemals geglaubt hätte zu erleben.
Dieser See war nicht gerade klein und unser Mietshaus lag direkt am Wasser. Es hatte einen eigenen Steg, inklusive dazugehörigem Boot. Einige Bäume rahmten unser Haus in ein romantisches und idyllisches Stillleben ein und ich konnte mir genau ausmalen, wie hier eine Familie ihren Tag verbringen würde, wenn ich es so von weitem betrachtete. Fast der gesamte See war eingefasst in ein dichtes Meer aus Bäumen. Doch ab und an blitzen ein paar Sonnenstrahlen durch eine Baumdecke und ließen erahnen, dass sich an manchen Orten eine verträumte Lichtung befinden könnte, die nur darauf wartete entdeckt zu werden, um dort die Ruhe des Waldes genießen zu können. Ein paar Stege, entlang des Ufers, verrieten mir, dass unser Mietshaus nicht das einzige Anwesen am See sein konnte. Dennoch hatte ich dieses Gefühl, als wäre ich hier mit meiner Mutter, im Umkreis von etlichen Kilometern, vollkommen alleine und niemand würde uns hier in unserer Ruhe je stören können.
Ein See hatte mich als Urlaubsort nie sonderlich gereizt. Doch meine Mutter hatte es in diesem Jahr geschafft mich umzustimmen und nun war ich wirklich froh darüber. Sie kannte diesen See bereits aus ihrer frühen Kindheit und mit ihm auch all seine kleinen verborgenen Sehenswürdigkeiten. Ich ließ es mir natürlich nicht nehmen, sie mir von meiner Mutter zeigen zu lassen und sie zeigte mir wirklich alles, was es zu sehen gab.
 
Das war damals. Und nun, nach all den Jahren, bin ich wieder hier. Mit Tränen in den Augen, die zur Erde fliehen und all die Gefühle mit sich nehmen, die mein Herz nicht zu fassen vermag. Ich bin hier um die Asche meiner Mutter in genau dem See zu verstreuen, der mir wundervolle Erinnerungen gebracht hatte. Doch mit der Zeit hat sich langsam ein Nebel des Vergessens über das beruhigende Glitzern des Sees gelegt und nun kann ich mich kaum noch daran erinnern, welche Orte sie mir damals hier gezeigt hatte. Was ich dabei empfunden habe? Ob sie vor Glück strahlte, wenn ich etwas ebenso schön fand wie sie, oder ob sie viel zu sehr damit beschäftigt war ihre Vergangenheit zu bewundern? Wie viele schöne Gespräche mit ihr, ich wohl schon vergessen habe? An wie viele Ausflüge mit ihr ich mich nicht mehr erinnern kann? Und wie lange es wohl noch dauern wird, bis der Nebel sich über das Bild von ihr, was ich noch in meinem Herzen trage, gelegt haben wird?
Ich wünschte, ich wäre früher nicht allzu kindlich mit meinen Eindrücken und Erinnerungen umgegangen und hätte sie nicht, wie Spielzeug, jahrelang achtlos in einer Ecke meines Gedächtnisses liegen gelassen. Wo sie einstaubten und in Vergessenheit gerieten, bis ich sie eines Tages gänzlich entsorgte, weil sie mir als nutzlos erschienen. Wo sind nur meine Erinnerungen?

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Talula Zimt).
Der Beitrag wurde von Talula Zimt auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.09.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Talula Zimt als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Schriftliche Kunstwerke von Manuela Dechsheimer



Mein erstes Buch ist endlich fertig.
Alle die mich schon kennen können sich endlich auf neue Gedichte von mir freuen und ein paar alte wieder finden.
In diesem Buch hab ich von allem etwas reingepackt, damit es euch auch ja nicht langweilt :)

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Einfach so zum Lesen und Nachdenken" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Talula Zimt

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Der Jahrmarkt von Talula Zimt (Einfach so zum Lesen und Nachdenken)
Sternstunden von Helga Edelsfeld (Einfach so zum Lesen und Nachdenken)
Gott schüttelt den Kopf von Gabriela Erber (Spirituelles)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen