Arthur Diner

Szene am Morgen in einem Münchner Cafè



Auf der anderen Straßenseite bauten sie gerade ein Fenster aus, welches in der Nacht, wohl durch einen trunkenen Passanten, zerstört wurde. Der Himmel war grau, aber es regnete nicht. Unweit meiner Selbst vernahm ich das Gespräch eines Paares. 

"Du hast dich heute komisch verhalten!", sagte der eine, der nicht so muskulös wie sein Partner war.
Stille.
Sie betrachteten beide den Ausbau des Fensters bis, unterbrochen durch die Wirtin, die Stille aufgelöst wurde. Diese Dame war eine Dame, elegant gekleidet. Sie trug am Ohr goldene, nach unten hängende Tropfen, eine passende Kette im selben Stil zierte den Hals. In der Hand zwei Kaffee, die dampfend auf den Tisch gestellt wurden. "Darfs sonst noch was sein?". 
Keine Antwort. Stille. 
Die Dame ging ohne ein Wort. Einer, der Muskulöse, blickte schließlich auf. 
"Du warst nicht anders. Mehr als ein `Guten Morgen` hast du auch nicht raus gebracht". Wieder schauten sie sich an, schauten weg, der Schmalere der Beiden wollte etwas entgegnen doch er schwieg, schloss die Lippen und hob die Tasse zum Mund. Sie rauchten. 

"Und sonst?"
"Nix!"
Kaffee. Tasse niederlegen, auf die andere Straßenseite blicken, Kaffee heben. 
Als schließlich der junge Kellner kam um zu fragen ob ich noch einen Tee haben wollte, erhob sich der Muskulöse schrie schon schier in das Geschäft hinein "Hallo Liebchen!" und umarmte den Kellner auf Äußerste. Bussi links, Bussi rechts, Kuss auf den Mund. 

Ich bemerkte, dass der Schmale sich nicht halten konnte, er sah auf das Trottoire, blickte auf die Straßenseite, blickte der Straßenbahn nach und versank in Gedanken, während der Andere scherzend mit dem Kellner sprach. Fetzen von Worten konnte ich verstehen, denn es herrschte bald reger Verkehr in der aufwachenden Stadt. "...nicht angerufen!". ".... gewartet am Samstag...", "... ich liebe SMS..."

Während dessen trank der Sitzengebliebene an seinem Kaffee, trank diesen leer. Er sah sich um. Schmerz zeigte sich in seinem Gesicht und als wolle er die Beiden auseinander treiben um den einen wieder zu haben verlangte er nach einem weiteren Kaffee. Zögernd machte sich der Kellner davon, kam aber alsbald mit der vollen Tasse Kaffee wieder und setzte sich zu den Beiden. Es entstand ein Gespräch, dass ich nicht hören konnte, denn ich beschäftigte mich mit meiner Zeitung und wurde von der Wirtin angesprochen, die mir erzählte wie sie früher als Mädchen genau so geschwärmt hatte. Für einen Mann natürlich. Ihr Sohn sei schwul. Aber das mache ihr nichts aus. Sie sei glücklich. Ihr Sohn sei es auch, denn er habe diesen Mann kennen gelernt. "Wissen Sie? Er macht viel Sport, das sieht man doch gleich. Und er ist jedes mal so nett!" 

Die Unterhaltung der Drei habe ich dann doch verfolgt, als die Wirtin wieder gegangen ist. 

Sie sprachen über Prüfungen, der Jüngere der beiden Sportler schien einer anstrengenden Tätigkeit nach zu gehen. Der Muskulöse hingegen, etwas älter, schien sich noch mit Studien zu quälen, sprach davon, dass er zwei Prüfungen "versaut habe". Die Dritte schaffe er jedoch, da sei er sich ganz sicher und dann wolle er der Wirtin seine Tasche schenken, da ihr diese so gefalle.
Er könne aber zur Zeit sich nicht einlassen auf Männer, das widerstrebe ihm aufs Äußerste. Selbst wenn sein Traummann nun an ihm vorüber gehe, würde er diesen vertrösten müssen. Der Jüngere sah ihn schließlich an und entgegnete, dass er dachte sein Traummann säße ihm gegenüber, das habe er ihm oft gesagt. Stille. 

Nur das Lachen des Kellners, der die Ernsthaftigkeit dieser Aussage überhörte oder bewusst lachte überhallte den Schmerz. 

Es fielen Regentropfen. Nur leicht und zögerlich. Die Uhr schlug viertel vor Zehn. 

Der Jüngere stand auf und wollte zahlen, denn er müsse um zehn arbeiten, ihm aber kam der Ältere zuvor und besprach, dass er alles begleichen wolle.
"Danke".
Sie küssten sich kurz und lieblos. Der Muskulöse versprach noch, ihm zu schreiben oder ihn anzurufen. Nicken. 


Als er ging regnete es. Er ging schnell, schaute nicht zurück und bog in die andere Straße ein bis er schließlich verschwand. 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.09.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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