Silvia Pree

Du lügst!

Karin rührte in ihrem Kaffee.
Vor ihr ein Stück Torte.
Mit viel Schlagobers.
Sie rührte.
Den Blick gerade aus gerichtet.
Irgendwo verloren.
In einer Ecke des Lokals.
Verdammter Lügner.
Dachte sie.
Und ihre Hände zitterten.
Du bist ein verdammter Lügner!
Das Rühren wurde langsamer.
Sie löffelte die Torte auf.
Nach und nach.
Immer die Szene im Kopf.
Letzte Woche.
Mittwoch Abend.
Sie war über die Straße gelaufen.
Um den Bus zu erreichen…
Eine Besprechung für das neue Projekt…
Sie hatte länger gedauert.

Ein Lokal in der Seitenstraße.
Hell erleuchtet.
Es zog ihre Augen an.
Fast magisch.
Die Tür öffnete sich.
In diesem Augenblick.
Ein Pärchen trat heraus.
Er.
Groß.
Im dunklen Mantel.
Sie.
Klein und zierlich.
Dann drehten sich die beiden um.
Das Licht.
Es fiel direkt auf sein Gesicht.
Und sie, Karin, erschrak.
Mein Gott.
Das war Günther!
Ihr Mann.
Jetzt erkannte sie auch den Mantel.
Sie hatten ihn ausgesucht.
Gemeinsam.
Im April oder Mai…

Karin legte die Dessertgabel hin.
Ja.
Ein Schock.
Und.
Sie war unfähig gewesen.
Sich zu rühren.
Zu Reden.
Sie konnte nichts sagen.
Nur schweigen.
Mit entsetztem Gesichtsausdruck.
Und richtig.
Weiter vorne war auch das Auto geparkt.
Ein roter Mazda.
Auffällig.
In dieser Seitenstraße.
Das Kennzeichen.
Es stimmte…

Karin zitterte wieder.
Sie hatte gestritten mit Günther.
Ihm eine Szene gemacht.
Noch in der selben Nacht.
Du hast dich geirrt.
Sagte er.
Zuerst noch ruhig.
Ganz sicher.
Ein ähnlicher Typ.
Ein ähnlicher Mantel
.
Sie hatte beharrt.
Der Streit ging weiter.
Günther war laut geworden.
Du bist paranoid.
Merkst du das nicht?
Du verrennst dich in etwas!

Da war sie gegangen.
Ohne ein Wort.
Paranoid.
Natürlich.
Was sonst?
Sie hatte im Kinderzimmer geschlafen.
Der Sohn.
Im Studentenheim.
Genaugenommen.
Hatte sie kein Auge zugetan.
Und sie fragte sich immer wieder.
Ob sie sich geirrt hatte.
Ging die Szenerie durch.
Immer wieder.
Und sie kam zu dem einen Schluss.
Immer wieder.
Sie hatte sich nicht geirrt.
Bestimmt nicht.

Karin stand auf.
Zahlte.
Ein Blick auf die Uhr.
Ein Rechtsanwalt.
Sie wollte ihn treffen.
Um 14:00 Uhr.
Grundsätzlich…
Einfach um sich zu informieren.
Ihre Rechte.
Und was sie jetzt wissen sollte…
Günther.
Am Morgen war er aufgekratzt gewesen.
Ganz charmant.
Mit seinem berühmten Lächeln…
Sie ließ ihn stehen.
Trank ihren Espresso in der Küche.
Paranoid.
Das Wort.
Festgenagelt in ihrem Kopf.
Paramoid.
Sie hatte die Faust geballt.
Am Wochenende.
Da war sie in das Lokal gegangen.
Hatte sich etwas ausgedacht.
Eine simple Geschichte.
Ihr lange vermisster Bruder.
Konnte sie ihn hier gesehen haben?
Sie hatte der Kellerin Günthers Foto gezeigt.
Die hatte genickt.
Sofort.
Kommt 2 oder 3 mal die Woche.
Mit einer Blondine.
Ich schätze.
Seine Freundin.
Er ist sehr verliebt.
..
Ihr, Karins, Herz raste.
Paranoid!

Sie war ausgezogen.
An dem Wochenende.
Wortlos.
Den Schlüssel.
Hatte sie in den Briefkasten geworfen…
Der Rechtsanwalt.
Ganz bei ihr.
Versprach ihr.
Dass Günther zahlen müsste.
Bei einer Scheidung.
Zahlen.
Dass es ihm weh tat.
Sie hörte ihm kaum zu.
War den Tränen nahe.
Währende der Anwalt erläuterte.
Fünfundzwanzig Jahre.
Nichts mehr Wert.
Nichts.
Der verdammte Lügner.
Holte sich eine Blondine.
Günthers Geld?
Interessierte sie nicht.
Sie ging wieder arbeiten.
Seit vielen Jahren.
Aber die Jahre mit ihm.
Die wollte sie auslöschen.
Die Jahre.
Die wollte sie zurück.
Und mit einem besseren Mann teilen…

Vivienne
www.aus-den-tiefen-meiner-seele.com

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.09.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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