Gisela Mach

Der grösste Wunsch

Ich schenkte ihm einen grossen Karton Lego-Steine.
Er durfte sich sogar aussuchen, welchen er em liebsten hätte.
Geburtstag... ? --- Nein.
Eine besonders gute Leistung in der Schule ...? --- Falsch geraten.

Ich war verzweifelt und ratlos.
Der kleine Kerl hatte eine riesen Dummheit begangen, die einen Denk-
zettel verlangte.
Das war die eine Seite.

Doch, - was mit Worten nicht zu bereinigen war, war sein Gefühl, es sei
so schlimm, sooo schrecklich schlimm.
Nichts erschien mir nun wichtiger, als ihm zu zeigen:
Du, ... du bist mir wichtiger, ... unendlich viel wert, ... ja, - und
wider alle Vernunft fühlte ich, ... das musste veranschaulicht werden.
Er musste es begreifen, ... anfassen können, ... um zu glauben.

So fuhren wir in das grosse Spielwarengeschäft.
Alles mochte er erwartet haben, ... aber nicht das.
Seine grossen, ungläubigen Augen, ... lächel, ... ja dann sein lieber,
vertrauter Blick, ... das Leuchten das zurückkehrte. ...

Ich sah, - er hatte verstanden, ich hatte sein kleines Herz erreicht. ...
Wieviel mehr man manchmal durch eine Geste sagen kann. ...

~~~~~~~

In den nächsten Tagen, ... ja, Wochen, ... bastelte und baute er.
Schenkte mir beinahe täglich eine neue “Erfindung“, die er ausge-
tüfftelt hatte.

Das schlechte Gewissen, das ihn sonst bedrückt hätte, machte durch
sein Geben einem Gefühl der Freude Platz. Freude darüber, geschätzt
und gebraucht zu werden, und noch mehr. ... Denn ...



Einige Zeit später, an einem Tag zwischen Fensterputzen und Mittagessen,...
da sieht er mich mit seinen treuen Kinderaugen an ...:
“Duuu, ... ich überlege, ob du jemals einen ganz, ganz grossen Wunsch hattest,
als du klein warst.“
“Hmmm, ... ja, du, ... ich hatte manchmal wirklich einen grossen Wunsch.“
“Und dein aller, - allergrösster ... ??“

Wie schön, eine kleine Pause einlegen zu können, ... und zu träumen.
Ich nehme meinen kleinen Sohn, ... und wandere zurück in meinem Leben. ...
“Nun, ... weisst du, ... einmal , da hatte ich einen ganz, ganz grossen
Wunsch. Viele Jahre lang sogar. ...“
“Ja, ...?“ gespannt schaut er mich an, ...“und als du es dann bekamst, -
das war toll. ...“
Er strahlt, ... erwartet das freudige Ende der Geschichte. ...
“Ich bekam es nie.“

“Waaas ?? Nie??“ Ungläubig sieht er mich an. ...
“Was hast du dir denn gewünscht?“
“Einen Vogel, - einen Wellensittich,“ antworte ich und schmunzel, ... ja, ...
ich fühle noch genau, wie sehr ich mir dieses Tierchen wünschte.

“Weisst du, ... unsere Nachbarn hatten einen zahmen Wellensittich, - ich war
noch jünger als du und sehr oft bei ihnen. Ich weiss noch ganz genau wie sehr
ich mich täglich auf ihn freute. Wenn er auf meine Schulter flog und bei mir
blieb, war ich richtig stolz. Später zogen wir um, und ich vermisste meinen
kleinen Freund sehr.“ ...

“Und so ein Vogel, - ist er sehr teuer?“ Nachdenklich schaut der Kleine vor
sich hin.
“Nein, -- so teuer wie du denkst ist ein Wellensittich wohl nicht, ... aber
ich schätze, man muss ungefähr 10 - 15 Euro für ihn bezahlen, - höchstens...-
aber das war ja nicht der Grund, ... meine Mutter mochte einfach keine Tiere
in der Wohnung, ... noch nicht einmal ne kleine Maus.“

Ich lache und schicke den kleinen Kerl zum Spielen nach draussen.
Kinder, ... wie schön !! Sie können mit uns Jahre zurückgehen, ... träumen,...
sogar Gefühle wieder wach werden lassen. ...

~~~~~~~

Kaum eine Stunde später kommt er wieder: ...
Ganz, ganz langsam kommt er auf mich zu. ...
Behutsam hält er einen kleinen Karton in seinen Händen. ...
Seine Augen leuchten...: “Für dich, Mama.“ ... “Ein Geschenk.“
Erwartungsvoll blickt er mich an. ...

Nun, was glaubt ihr, was in diesem kleinen Karton steckt? ...
Richtig! ... Ein Wellensitich, mein grösster, unerfüllter Kind-
heitstraum. ...
Nun sagen, ... sagen kann ich gar nichts mehr, - das könnt ihr
euch wohl denken.
Jedenfalls nicht in diesem Moment. Dafür kullerte eine Träne,...
Mein Kleiner strahlt vor Stolz über meine Freude.
Ich nehme meinen Sohn in den Arm und das ist es auch, was er am
besten versteht.

Am liebsten hätte ich ihm jetzt gesagt: “Weisst du was, ... am
allermeisten wünschte ich mir früher einen grossen Bruder. Der hätte
genauso sein müssen wie du. Seltsam, ... das hatte ich bereits vergessen,
es fiel mir erst gerade wieder ein.“ ....

Doch für manches gibt es keine Worte. ....






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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.01.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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