Diethelm Reiner Kaminski

Gourmets



Im Laufe des Gesprächs kamen wir auch aufs Kochen zu sprechen. Ich wollte ihn
nicht gleich von Anfang an enttäuschen, wo ihm so viel an gutem Essen gelegen zu sein schien. Und wo unsere junge Bekanntschaft gerade so vielversprechend anlief. Also behauptete ich kühn, kochen gehöre zu meinen liebsten Freizeitbeschäftigungen.
„Schon als Ausgleich für das, was einem heutzutage in den Gourmet-Tempeln zugemutet wird, wo man nur den Namen bezahlt, während Frische und Qualität …“ Ich legte eine wirkungsvolle Pause ein. Nun weiß jeder, der mich kennt, dass ich vom Kochen null Ahnung habe, und wenn ich null sage, dann meine ich null. Ich wüsste nicht einmal, wie lange ein Frühstücksei überbrüht oder Dr. Oetkers Schokoladenpuddingpulver eingeweicht werden müsste. Wozu auch? Das alles rangierte in meinem bisherigen Leben unter der Rubrik „sinnloses Wissen“, denn immer gab es Menschen in meinem Leben, die sich darum rissen, eine hübsche junge Frau zu bekochen. Erst meine Eltern, dann meine Verehrer. Und wenn keine zur Stelle waren, gab es immer noch die Wahl zwischen Fastfood und Nulldiät.
Ich weiß also gar nicht, was an diesem Tag in mich fuhr. Jedenfalls verstieg ich mich zu Beschreibungen von persönlich kreierten Gerichten, von Festessen paradiesischen Zuschnitts, so dass ihm das Wasser im Munde zusammenlief. Woher ich die Beschreibungen nahm? Aus meiner Fantasie. Offenbar eine Art Fata Morgana, weil ich den ganzen Tag nichts gegessen hatte und völlig ausgehungert war.
Immer wenn er nach den Rezepten fragte, wich ich aus: „Die bleiben mein Geheimnis.“
Er machte an diesem Abend keine Anstalten, mich zum Essen einzuladen. Offenbar hatte ich ihn zu sehr eingeschüchtert mit meinen hohen kulinarischen Standards.
Und mir selbst war dieser Schritt erst recht verwehrt. Ich hatte keinen blassen Schimmer von der hiesigen Restaurantszene. Da bin ich auf der Stufe des Neandertalers stehen geblieben: Obst und Beeren, rohes Fleisch und abgerissene Blätter direkt auf die Hand.
Da hatte ich was Schönes angerichtet. Nach dem fünften Glas Rotwein erhörte ich – getragen auf den Flügeln der Sehnsucht, ihn bald wiederzusehen - sein Flehen und lud ihn für Samstagabend zu mir nach Hause zum Essen ein.
„Aber nicht zu üppig. Bin sehr knapp mit der Zeit in diesem Monat. Ich habe noch Analysen fürs Labor zu erstellen. Die müssen am Montag vorliegen.“
Bitteres Erwachen am Morgen danach. Was hatte ich mir da eingebrockt? Ich ließ meine Freunde und Freundinnen vor meinem geistigen Auge Revue passieren. Alle von meiner Sorte. Genügsame Körnerfresser oder in bequemen Versorgungsverhältnissen. Da war keine Hilfe zu erwarten. Ich griff zu ‚Die Gelben Seiten’und schlug nach unter dem Stichwort ‚Partyservice‘. Wenigstens dort herrschte kein Mangel.
Ich griff zum Hörer und rief beim ‚Partyservice Elias Gutzeit‘ in der Gutenbergstraße an, dem mit dem größten Inserat. Ich verhandelte fast eine Stunde, bis wir ein Schlemmermahl für einen unvergesslichen Abend zu zweit zum Preis eines halben Nettogehalts zusammengestellt hatten.
Zwei Mitarbeiterinnen des Partyservice trafen pünktlich ein, deckten den Tisch – festlich und makellos. Sogar die schneeweiße Damastdecke, das Porzellan, die Kristallgläser und das Tafelsilber hatten sie mitgebracht. Für einen Imbissdauergast wie mich ein nie gesehenes Schlaraffenland.
Der Abend verlief wunschgemäß. Er schien rundum zufrieden zu sein mit den Speisen und sparte nicht mit Lob, das ich bescheiden abwehrte. „Nichts Besonderes, beim nächsten Mal, wenn ich mehr Zeit für die Vorbereitung habe …“
Bald schon lag seine Hand auf meiner. Feierlich hob er das Champagnerglas, schaute mir tief in die Augen und sagte: „Wir sollten uns duzen. Ich freue mich, dass ich dich kennenlernen durfte. Elias Gutzeit, Partyservice, der in der Gutenbergstraße. Du hast eine gute Wahl getroffen.“
 

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