Karl-Heinz Fricke

Meine Bergmannsjahre (dreizehnter Teil)

 

 

 

Meine Bergmannsjahre (dreizehnter Teil

Es gibt Menschen und es gibt Urmenschen. Moppy war so einer. Gerade so, als ob ihn die Steinzeit nach Goslar geschleudert hätte.Seine urwüchsige vierschrötige Gestalt war von einem wilden roten Schopf gekrönt, dessen Haare in alle Richtungen zu wachsen schienen. Mit Schuhgröße 46 und seinem schneepflugartigen Gang ersparte er der Stadt im Winter erhebliche Kosten auf den Bürgersteigen, denn er ging stets mit Riesenschritten zu Fuß. Das ehrbare Maurerhandwerk war sein erlernter Beruf. Als Grubenmaurer unserem Revier zugeteilt, war er auch mehrmals mein Helfer, wenn es nichts zu mauern gab. Deshalb hatte ich des öfteren die Gelegenheit diesen Menschen zu studieren. Sein Charakter war vielfältiger Art. Er konnte weich wie Butter sein, sehr leicht beleidigt und andererseits auch gemein. Dank großer körperlicher Kraft konnte er arbeiten wie ein Berserker. Dann wiederum konnte er im Männerchor singen wie eine Nachtigall.

Bei der Ausmauerung des Schachtes war er Maurer und beim Abteufen war er Bergmann. Einmal sollte ich sein Helfer sein. Er war beauftragt, mit Bruchsteinen einen Aufbruch auszumauern und ich sollte ihm handlangern. Meine Aufgabe wäre es eigentlich gewesen, auf der Sohle Zement zu mischen und Steine zu laden. Für den Transport nach oben in den Aufbruch hatte man uns einen Göpel zur Verfügung gestellt. Dieser wurde mit einem kleinen Motor in Bewegung gesetzt, die Handhabung war recht einfach. Moppy war dieses Hilfsmittel unheimlich. Er sprach nur Goslarer Platt und sagte: "Damidde will eck nischt tu daun hebben, datt most dau maken !" Da der Göpel dicht bei der Maurerarbeit oben im Aufbruch war und ich ihn bedienen sollte, meinte das, dass Moppy zum Handlanger wurde und ich zum Maurer. Damit hatte ich auch die leichtere Arbeit. Der Steiger, der nach uns schaute, schüttelte nur mit dem Kopf.

Dass Moppy auch gemein sein konnte, davon erzählt diese Geschichte, die sich allerdings nicht in der Grube abgespielt hat. In der Nachkriegszeit hielten sich die Menschen in der kalten Jahreszeit meistens in der Küche auf. Wohnstube und Schlafzimmer wurden aus Mangel an Kohlen nicht geheizt.In den Wäldern gab es allerdings Holz, das man sammeln durfte. Sehr beliebt waren dicke Baumäste, die man auf Hauungen einfach liegen ließ. Moppy hatte von einer solchen erfahren und er teilte es einem Nachbarn mit. Nach einer Kurzschicht an einem Sonnabend, zogen die Beiden mit ihren Beilen bewaffnet zu der Hauung los. Der Nachbar wollte praktischerweise seinen Wagen gleich mitnehmen, aber Moppy meinte, es wäre besser, erst das Holz vom Tannengrün zu befreien, um am Sonntagmorgen mit ihren Handwagen die zugerichteten Äste abzuholen. Jeder stapelte seine Äste gesondert auf. Am späten Nachmittag machten sie sich auf den Heimweg. Als es dunkelte, holte Moppy seinen Wagen vom Hof. Im Dunkeln machte er sich auf den Weg zur Hauung, lud des Nachbarn Äste auf seinen Wagen, fuhr damit heim und verstaute das Holz in seinem Schuppen. Nachdem der Nachbar am Sonntagmorgen an Moppys Tür geklopft hatte, machten sich beide mit ihren Wagen auf den Weg zur Hauung. Der Nachbar war sehr aufgebracht, als er seine Äste nicht mehr vorfand. Beide schimpften lauthals über die Schlechtigkeit der Menschen. Seelenruhig lud Moppy sein Holz auf und der Nachbar zog seinen leeren Wagen wieder nach Hause. Er ärgerte sich, dass er sein Beil nicht mitgenommen hatte, um sich neues Holz zurecht zu hacken.

Den Vogel schoß Moppy mit dieser Geschichte ab. Fast vierzig Jahre alt, überraschte er uns mit der Mitteilung, in den Stand der Ehe zu treten. Seine Auserwählte, die auch schon den ersten Frühling versäumt hatte,wohnte in einem Nachbardorf, 10 km

von Goslar entfernt. In Gestalt und Aussehen passten die Beiden vorzüglich zusammen. Das große Fest sollte am folgenden Freitag auf dem Hof der Braut stattfinden.

Moppy, der zu der Zeit mit uns im Schacht arbeitete, beeilte uns zu versichern, dass er nicht daran dächte, wegen der Hochzeit die Nachtschicht zu versäumen. Wir sahen ihn verwundert an und machten eine Anspielung auf die Hochzeitsnacht. Er meinte, das hätten sie schon ausprobiert und man könne das alle Tage tun. Seit Wochen ging er schon zu Fuß den Weg hin und zurück zu dem Dorf. Unsere Vermutung schien sich zu bestätigen, denn bei der Einfahrt war Moppy nicht am Schacht. Nach einer halben Stunde kam er tatsächlich im Kübel zu uns herunter. Wir trauten unseren Augen nicht, Moppy im Hochzeitsanzug zu sehen. Eine Blume steckte noch im Knopfloch, seine Gummistiefel über den Hosenbeinen und den Grubenhelm auf dem Kopf. Ein Bild zum Schießen. Auf unsere Frage warum er sich nicht wenigstens umgezogen habe, erwiderte er, dass es ohnehin schon spät gewesen sei, und wer Schuld daran sei, könne den geliehenen Anzug gefälligst reinigen.

 

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