Joana Angelides

Der neue Kollege


Brrrr, das Wasser ist heute aber kalt, kälter als gestern.
Ich stehe unter der Dusche und lasse es über meinen Körper fließen, mit Abscheu und ein wenig zitternd. Aber, es soll gesund sein. Das Blut in Bewegung bringen und dadurch wird die Haut besser durchblutet, auch schöner und feiner, steht in diesem Buch. Es ist ein Buch über die zu treffenden Vorbereitungen, meinen Wunschmann zu angeln.

Vorher habe ich mich mit der rauhen Bürste aus der Parfümerie 10 Minuten lang abgerieben, bis besagte Haut ganz rot war. Dann die pflegende Badelotion mit dem Schwamm auf die besagte Haut verteilt und jetzt dusche ich kalt.
Jetzt ist es aber genug, beschloß ich und drehte den Wasserhahn zu.
Ich frage mich, ob das Erreichen meines gesteckten Zieles, das auch wert ist?


Zitternd greife ich mir den Bademantel und hülle mich ein.
Ahja, eincremen muß ich mich auch noch, sonst nützt das alles Nichts.
Noch immer ein wenig vor Kälte zitternd setze ich mich dann hin, um zu frühstücken. Natürlich gesund. Yoghurt, Müsli, einen Orangensaft, Kräutertee mit Zitrone.

Ich trimme seit Wochen meinen Körper, mache Gymnastik bei offenem Fenster, trage täglich eine andere Gesichtsmaske auf und esse nur Obst und Gemüse. Und alles nur um mir mein jugendliches Aussehen zu bewahren (oder zurück zu holen?)

Es wird nämlich mit heutigem Tage der begehrteste Junggeselle der Firma in meine Abteilung versetzt. Groß, schlank, dunkelhaarig, witzig und gebildet soll er sein. Mit einem Wort, Superlativen vereint in einem männlichen Exemplar, das noch dazu unverheiratet ist.
Natürlich habe ich gemerkt, daß er zu allen Frauen nett und charmant ist, das ist eben so seine Art. Jedoch mir gegenüber ist er besonders aufmerksam und sein Blick bleibt immer einen Herzschlag länger an mir haften, wenn ich ihm im Lift begegne. Glaube ich! Das hat mich angespornt!

Jetzt noch schnell die Haare fönen, die Fingernägel lackieren und dann die schwere Entscheidung vor dem Kleiderkasten bewältigen.
Mit ungeheurem Selbstwertgefühl, voller Tatendrang und großer Erwartung in den heutigen Tag, betrete ich dann das Büro.
Sofort fällt mir auf, daß auf allen Schreibtischen der weiblichen Belegschaft Blumen stehen. Meine Kollegin, die mir gegenüber sitzt, war scheinbar beim Friseur, hat einen jugendlich Kurzhaarschnitt und ihr Make-up ist auch etwas stärker betont als normal.
Es liegt eine fühlbare Spannung in der Luft.

So gegen 10.ooh geht plötzlich die Türe zu unserem Großraumbüro auf und der Personalchef erscheint in Gesellschaft eines kleinen untersetzten, etwas dicklichen Mannes. Er hatte eine kleine Glatze, nur rückwärts von einem Haarkranz begrenzt und eine sehr dicke Brille auf.
Wir schauen alle gespannt in seine Richtung.
„Liebe Kollegen und Kolleginnen, darf ich ihnen ihren neuen Kollegen vorstellen. Herr Pammer war jahrelang in der Abteilung Entwicklung erfolgreich tätig und wurde nun von der Konzernleitung zu uns versetzt. Er wird die Stelle des in Pension gegangenen Herrn Kober einnehmen. Herr Pammer, hier ist ihr Schreibtisch. Ich wünsche ihnen viel Glück!“. Er schüttelte dem neuen Kollegen herzlich die Hand und ließ ihn dann alleine.

Einen Moment war es ganz still im Raum, Herr Pammer räusperte sich und ein breites Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit. Er nahm die runde Brille in die Hand, verbeugte sich in alle Richtungen und steuerte auf seinen neuen Schreibtisch zu.
Im Raum war es so ruhig, daß man eine auf den Boden fallende Stecknadel hören hätte können.

Wir lächelten zurück und widmeten uns dann unseren Schreibtischen. Nur ganz hinten war ein leises Kichern zu hören.
Wir sind scheinbar einem Gerücht zum Opfer gefallen.

Ab Morgen, das weiß ich genau, da werde ich mir einen Kaffee machen, mit viel Zucker und Milch, keinen Süßstoff, mir Butterkipferl mit viel Marmelade bestreichen und das genüßlich verzehren. Duschen werde ich auch mit warmen Wasser, und ich werde wieder meinen bequemen Pullover anziehen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.01.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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