Kurt Herchenbach

Hilfswerke

Kurt Herchenbach
 

Hilfswerke

 
  
Wirklich erfolgreiche Kreationen von Marketingagenturen sind selten genug. Doch gelingt dann einmal solch ein Wurf, so bringt dieser dem Kunden der Agentur enorme wirtschaftliche Vorteile. Springt bei einer solchen Aktion obendrein ein Slogan heraus der sich dem Publikum dauerhaft einprägt, so ist dieser fast unbezahlbar.
 
Ein solcher Wurf ist den Werbenden für die Bank Hypo Real Estate - im Fachjargon kurz HRE - bereits mit deren Namensfindung gelungen. Läßt sich doch aus dem Firmenkürzel der ungemein aktuelle Slogan formulieren
 
Hilfe! Rettung! Eilt!
 
Die jüngste Vergangenheit gibt dem Erfolg dieser Kampagne in geradezu vorbildhafter Weise recht. Schmiedet sie doch in diesem beispielhaften Fall - wenngleich zunächst unterschwellig - ein nahezu unverbrüchliches Band zwischen dem zu Helfendem und dem Helfer. Getreu dem Motto Hilfst du mir – so helf ich dir. *) Und genau so hat das in unserem Beispielsfall auch funktioniert.
 
Jeder Bundesbürger - ob Kind, ob Greis, ob Mann, ob Frau - steht bei der Öffentlichen Hand zur Zeit mit etwa 21.000 Euro in der Kreide. Um die diversen Haushalte auszugleichen, würde es den uns Regierenden natürlich schwer fallen, diese Schuld von den Bürgern einzutreiben. Denn welcher private Haushalt kann mal so eben auf die Schnelle 21.000 Euro / Person locker machen? - Meiner gewiß nicht.
Nicht wenige von uns Bürgern vertreten deshalb die Meinung, sie würden überwiegend von Kriminellen und / oder Volltrotteln regiert. Mit dieser Irrmeinung möchte ich mit diesen Zeilen jedoch ein für allemal gründlich aufräumen. Denn genau das Gegenteil ist der Fall.
 
Waren Sie bisher der Meinung, viele unter uns würden über ihre Verhältnisse leben, so muß ich Sie korrigieren. Nicht nur Viele, sondern auch Sie selbst! Denn wer hat wohl durch seinen Stimmzettel unsere Vertreter überhaupt erst ermächtigt, über unsere Verhältnisse zu leben? Das waren doch wohl auch Sie – Sie ganz persönlich!
Doch bevor Sie sich nun unnötig aufregen, atmen Sie einmal tief durch und lehnen sich bequem zurück. Denn unter den uns Regierenden gibt es gottlob einige recht pfiffige Kerlchen. Das kann ich Ihnen beweisen.
 
Um auch Ihre Nerven und Konten zu schonen, pflegen die jeweiligen Regierungen und die großen Banken seit langer Zeit ein inniges Verhältnis untereinander.
Dazu gehört, daß die Banker den Regierenden das Geld leihen, das sie Ihnen persönlichkeinesfalls leihen würden. So hat sich das Sprichwort Not am Mann gewandelt in Not im Volk. Verstehen Sie?
------
*) Sollte Ihnen jemals die Abwandlung dieser alten Volksweisheit in „Eine Hand wäscht die andere“ unterkommen, so weisen Sie die
diese Verballhornung bitte schärfstens zurück!  Solche sprachinhalt-lichen Entgleisungen treffen allenfalls auf Kölschen Klüngel oder ähnliche maffiöse Verbindungen zu.



Nun erschrecken Sie bitte nicht schon wieder! Das war schon immer so. Oder glauben Sie etwa, die Pyramiden, der Zwinger, Schloß Windsor, der Petersdom oder die Autobahnen wären von den Pharaonen, von August dem Starken, den Tudors, den Päpsten oder gar von Ihnen finanziert worden? Nein sind sie nicht. Aber Sie haben doch gewiß schon mal von Fugger, Rothschild, HRE & Co gehört. Oder?
Doch genug der Belehrung. Lassen Sie mich bitte wieder auf den Spruch Hilfst du mir – so helf ich dir zurück kommen.
 

Vor geraumer Zeit gerieten unsere Volksfinanziers in eine von ihnen völlig unverschuldete prekäre pekuniäre Klemme. Denn im Zuge ihrer weltweiten Großmütigkeit, hatten sie auch ihren amerikanischen Kollegen Geld geliehen. Denn die kamen mit ihren eigenen Geldern nicht mehr aus. Diese Klemme hatte tiefgreifende sowohl volkswirtschaftliche wie auch ethische Gründe. Speziell ethische deshalb, weil  gerade amerikanische Banker ihren Kunden stets Gutes tun wollen. - Folgendes war passiert.
 
Im Zuge mehrerer weit überdurchschnittlich guter Ernten im amerikanischen Mittelwesten sowie einem gleichzeitigen Autoboom in Detroit, wollten sich immer mehr Farm- und Automobilarbeiter ein eigenes Haus bauen lassen. Doch da die sich aber nicht gleichzeitig von ihrem hohen Lebensstandard verabschieden wollten, mußten sie sich in Form von Hypotheken Geld leihen. Besonders viele dieser Arbeiter forderten solche Gelder von den Brüdern Lehman an der Wallstraße in Manhattan und bekamen sie auch anstandslos.
 
Doch aus heiterem Himmel verhagelte im Mittelwesten esten eine Ernte nach der anderen, *) auch wollte plötzlich kaum noch einer die teuren Autos aus Detroit. Die Folgen?

  • Ein enormer Anstieg der Arbeitslosigkeit.
  • Wegen desaströser sozialer Verhältnisse kein Hartz IV. Daher
  • weder Zinseinnahem noch Hypothekentilgung bei den Banken.
  • Daraufhin die Pleite des Herrn Lehman samt seinen Brüdern sowie von    anderen honorigen Geldverleihern von der vordem so freigebigen Wallstraße.
 
Die deutschen Banken erwachten gleichsam aus einem Dornröschenschlaf. Doch derart zögerlich, daß eine von ihnen noch –zig Millionen an Herrn Lehman oder dessen Brüder überwies, als bereits das letzte Hinterwäldlerblättchen von deren Pleite berichtet hatte. Und so wäre auch diese Bank noch vor ihren Kollegeninstituten pleite gewesen, wenn – ja, wenn unser Staat die vormaligen Wohltaten der Banken an ihm vergessen hätte. Hatte er aber zu unserer aller Nutz und Frommen nicht!
So half unser Staat nun seinerseits den notleidenden Banken, die durch unvorher-sehbare Wetterkapriolen sowie Preisdumping japanischer und koreanischer Autohersteller, in unverschuldete Not geraten waren. Der Staat stützte die Banken, vorzüglich die, an denen er selbst war und ist, dankenswerterweise mit milliar-denschweren Summen. Das alles jedoch unter der einzigen, jedoch um so schwerer wiegenden Bedingung, daß die Vorstandsvorsitzenden dieser Institute nicht mehr als eine halbe Million Euro jährlich verdienen dürften.
Das war hart, doch wohl so eben noch an der Grenze der Einmischungslegalität.
------
*) Ja – ich weiß. Aus heiterem Himmel hagelt es selten.


   So weit – so gut? Doch welche Folgen derart herbe Einschnitte in die bisher weitgehend ungetrübte soziale Sphäre von Vorständen haben kann, ersehen Sie bitte aus folgendem Mitschnitt. Er wurde uns von einem nicht genannt werden wollenden namhaften Unternehmen der Telekommunikationsbranche zugespielt. Es handelt sich um eine Vorstandssitzung der Bank Hypo Real Estate.  
  Für die Authentizität und Inhalte der Abschrift des Tondokumentes, übernimmt der Autor keine wie auch immer geartete Verantwortung.
 
Hier nun der technisch nicht immer ganz saubere Mitschnitt:
 
Hintergründiges Gemurmel. Dann Klopfgeräusche eines harten Gegenstandes auf vermut-lich chinesisch  lackiertem harten Hirnholz. - Die Hintergrundgeräusche verstummen.
Meine Herren! Hiermit eröffne ich die turnusmäßige Sitzung des Vorstandes der HRE. Alle Mitglieder waren ordnungsgemäß eingeladen und sind auch vollzählig erschienen.
Ich komme nun ohne Umschweife zu Punkt römisch eins der heutigen Tagesordnung. Er betrifft primär meine Person, und ich weiß durch langjährige persönlich geprägte Zusammenarbeit, daß diese Vorgehensweise von ihnen kollegial goutiert wird.
Leichtes Räuspern.
Wie sie alle wissen, hat die Bundesregierung mit äußerster Härte in unsere angestammte Tarifautonomie eingegriffen. Denn mein Jahressalär wurde von ihr auf 500.000 Euro gedeckelt. Doch gottlob nur das meine. Ihre Einkünfte hingegen, meine Herren, werden nach wie vor ihren persönlich hervorragenden Leistungen entsprechend honoriert werden. Darauf kann ich ihnen mein Wort verpfänden.
Wenn ich sie nun mit persönlichen Problemen belästige, so geschieht das lediglich aus der Diskrepanz zwischen meinem persönlichen sozialen Abstieg und der sich deutlich steigernden Einkommenssituation ihrerseits.
Konkret. Zur Feier ihres 10. Wiegenfestes, hat sich meine Tochter von mir einen feurigen arabischen Hengst gewünscht. Da jedoch meine ehedem flüssigen Barmittel von staatlichen isländischen Institutionen für unbestimmte Zeit eingefroren wurden und ich meine Insel auf den Malediven bis dahin nicht in bares Kapital wandeln kann, erlauben mir meine momentanen Barreserven lediglich die Anschaffung eines alten hannoverschen Wallachs.
Mitleidig anmutendes Gemurmel.
Daher bin ich mir sicher, daß sie meinen Plan zu schneller Sanierung meiner dahinschmelzenden Barmittel unterstützen werden.
Wie sie wissen, steht es mir trotz meiner pekuniären und der damit verbundenen sozialen Abstufung frei, ihreaufopfernde Tätigkeit für unser Unternehmen mit kräftigen Bonuszahlungen zu honorieren. Und das würde ich bei einer zustimmenden Haltung ihrerseits auch über Gebühr kräftig tun. Nun meine Bedingung dafür.
Unüberhörbares Stühle rücken beidseits des Platzes des Vortragenden.
Jeder von ihnen überweist im Vorgriff auf diese als absolut sicher geltende Maßnahme 50.000 Euro auf mein Konto bei der ihnen seit längerem bekannten Bank auf den Antillen. Somit wäre ich in der Lage, meines Töchterleins Herzenswunsch doch noch zu erfüllen. - Ich stelle diesen Plan hiermit zur Diskussion.
Länger andauerndes Schweigen. Dann
Ja, Herr Kollege?
Liebe Mitkollegen. – Wie schon das Buch der Bücher sagt, ist Geben seliger statt Nehmen. Wenngleich …..
Nun hören sie doch mit ihrem religiösen Gesülze auf! Es geht hier um Geld – um unser Geld! Ob Araber oder Wallach – das kann uns hier doch wohl völlig egal sein!
Fast körperlich fühlbar betretenes Schweigen.
Verehrter Herr Franzmeyer, Das sind krasse Worte. Doch kann ich dem entnehmen, daß sie gegen den Plan unseres Vorsitzenden Herrn Axel Wieandt stimmen würden?
Eindeutig ja!
Ja, Kollege Krings?!
Dem schließe ich mich vollinhaltlich an. Und ich gehe sogar noch weiter  Es entsteht allgemein der Eindruck, als glitte unser renommiertes Institut so allmählich auf das Niveau eines Klingelbeutelvereins ab. Das ist auch die Meinung meines verehrten Kollegen Franzmeyer, mit dem ich mich im Vorfeld dieser Sitzung eingehend beraten habe. Um es kurz zu machen – wir beide kündigen hiermit unsere Tätigkeit für die HRE fristlos auf!
Weitere Wortmeldungen sind aus dem nun folgenden Wirrwar nicht herauszufiltern. Es dauert eine Weile, bis sich der Vorsitzende mit folgenden Worten wieder Gehör verschaffen kann.
Solch einen impertinenten Vertrauensbruch kann und will ich nicht hinnehmen! Auch ich lege daher mein Amt hiermit unter sofortiger Wirkung nieder! – Die Sitzung ist geschlossen!
Wieder sind in dem folgenden Tumult keine Einzelstimmen unterscheidbar.
Der Mitschnitt endet hier.
 
 
Welch eine Tragödie hatte sich da abgespielt! Sowohl für die betroffenen Herren, wie auch für das somit nun wirklich gebeutelte Institut. Wer soll nun bestimmen, wohin die staatlichen Miliardenhilfen fließen sollen?
Auch in welcher psychischen Verfassung die Tochter von Herrn Wieandt ihren Geburts-tag überstand, entzieht sich unserer Kenntnis.

Doch steht zu befürchten, daß sich die Spirale des sozialen Umfelds des Ex-Vorstandsvorsitzenden noch weiter nach unten dreht. Wird ihm doch nun nur eine jährliche Pension von 240.000 Euro zugestanden. Wie soll wohl ein Mann mit solch einer durch sein Handeln bewiesener ehrbarer Reputation, mit nur monatlich 20.000 Euro brutto, auch nur ein Islandpony durch den Winter bringen?

Aber die eigentlichen Auslöser dieses ungeheuren Schicksalsschlages sind doch wohl die sich als äußerst hartherzig erwiesen habenden Herren Franzmeyer und Frings. So erscheint es nicht mehr als recht und billig, daß sich die Pensionen dieser beiden, die simpelsten religiösen Grundsätze außer acht lassenden Männer, auf nur 186.000 Euro beschränken.
 
Doch bevor das Mitleid in Ihren Herzen überhand nehmen kann, sei Ihnen versichert, daß sich wahre Freunde gegenseitig niemals im Regen stehen lassen. Der mit –zig Milliarden bespannte Rettungsschirm für unsere Banken hat schon so manchen Sturm abgewettert.Daran sollten Sie denken.
Aber auch daran, daß Sie Ihrem gottlob noch im Kinderhort spielenden Töchterlein bis auf weiters noch mit einem Schaukelpferdchen ein holdes Lächeln auf das zarte Antlitz zaubern können. 
 
 
 
  
 
 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Kurt Herchenbach).
Der Beitrag wurde von Kurt Herchenbach auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.09.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Kurt Herchenbach als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Am Ende oder am Anfang? von Anke Treinis



Eine gescheiterte Affäre, die eigentliche Ehe in Gefahr? Es gibt keinen Ausweg mehr? Das Ende oder gibt es einen Neuanfang?

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Satire" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Kurt Herchenbach

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Spuckende Säuger von Kurt Herchenbach (Satire)
Rosalie von Christiane Mielck-Retzdorff (Satire)
Banales von Klaus Lutz (Humor)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen