Karl-Heinz Fricke

Das Treffen ohne Verabredung

Und noch ein großer Zufall

Im frühen Februar des Jahres 1979 hatte der knallharte Winter seinen Höhepunkt erreicht. Eisige Winde bei Temperaturen von 40 Grad unter Null färbten die Augenbrauen frostig weiß, aber das Herz schlug unter dem dicken Parka weiter. Nach 17 Jahren in Thompson im nördlichen Manitoba über dem 55. Breitengrad, waren wir im Prozess unsere Zelte dort endlich abzuschlagen. Ich war am Packen des bereitgestellten Möbelwagens, denn in wenigen Tagen wollten wir für immer dem unwirtlichsten Teil der Prairieprovinz den Rücken kehren. Nachdem ich den Möbelwagen sorgfältig bis zur hinteren Tür beladen hatte, ging es am 5. Februar los. Unser Sohn, neugierig auf unser neues Domizil Fruitvale im fernen Britisch Kolumbien, begleitete den Fahrer des Möbelwagens. Sie verließen Thompson um 5 Uhr morgens, und wir schickten uns an um 8 Uhr in unserem Chevrolet ihnen zu folgen. Die ersten 300 von den insgesamt 2400 Kilometern führten über eine hartgefrorene Schotterstraße auf der zu schnelles Fahren oftmals Pannen eingebracht hatte, und wer möchte schon bei der großen Kälte eine Panne haben auf einer Straße mit sehr geringem Verkehr. Im Laufe der Jahre hatten Unglückliche dort den Erfrierungstod gefunden, weil ihr Fahrzeug versagt hatte. Also hieß es langsam zu fahren, was natürlich wertvolle Zeit in Anspruch nahm, bis wir den Asphalt Highway 10 nach etwa 5 Stunden am frühen Nachmittag erreichten. Zu dem Möbelwagen hatten wir wider Erwarten nicht aufgeschlossen. Dann ging es mit Volldampf genau nach Süden. Kurz vor der Indianerstadt The Pas stoppte uns die Polizei wegen zu schnellem Fahren. Der Beamte erwies sich jedoch als Mensch, als er hörte, dass wir schon so lange unterwegs und am Unziehen waren. Obwohl wir im Eiltempo weiterfuhren, war von unserem Möbelwagen nichts zu sehen. Wir fuhren an den Städten Swan River und Dauphin vorbei und trafen auf den Trans-Canada Highway, der von Ost nach West durch ganz Canada führt. Im Westen lag unser Ziel, und weil wir keinen Gegenverkehr mehr hatten, waren wir bald in Saskatchewan, fuhren an der Provinzhauptstadt Regina vorbei und beschlossen nach weiteren 80 Kilometern in Moose Jaw über Nacht zu bleiben. Wir waren etwa 800 Kilometer gefahren und sehr müde. Bereits im Dunkeln fuhren wir von der Straße ab und hielten in einer Service Area, die ein Motel, ein Restaurant und eine Tankstelle anbot. Auf dem Parkplatz stellten wir unser Auto neben einem hohen Gefährt ab und nahmen ein Zimmer in dem Motel. Hungrig wie Wölfe betraten wir dann das Restaurant, um zu Abend zu essen. Jetzt kommt der Zufall. Unser Sohn und der Fahrer saßen an einem der Tische und aßen. Erstaunt fragten sie, ob wir den Möbelwagen gesehen und deshalb gehalten hätten. Das war jedoch nicht der Fall, aber wir hatten neben unseren Möbeln geparkt und das Gefährt in der Dunkelheit nicht erkannt. Nachdem die Beiden gegessen hatten, wollten sie noch 200 Kilometer bis nach Swift Current fahren, um dort zu übernachten. Wir fuhren am folgenden Morgen nach dem Frühstück weiter, durchquerten die restlichen 300 Kilometer von Saskatchewan und anschließend die Provinz Alberta, ohne zum Möbelwagen aufzuschließen. Erst vor Cranbrook in Britisch Columbien, tauchte er vor uns auf. Wir überholten ihn und waren um 17 Uhr in Fruitvale, nachdem wir den hohen Pass von 1775 Meter westlich der Stadt Creston überwunden hatten. Der Möbelwagen kam schließlich um 20 Uhr in Fruitvale an. Nun könnt ihr im Atlas unsere Route verfolgen und feststellen, wie groß schon ein knappes Drittel dieses riesigen Landes ist.

 

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