Martina Kast

Stille

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Wie so oft in letzter Zeit war ihr heute mal wieder alles zu viel.
Die Arbeit, der Haushalt, die Kinder, ihr Mann, ihre Freunde und all die Probleme um die sie sich so kümmern musste und die sie sich zum Teil selber aufgehalst hatte.

Immerzu Hektik und lautes Getöse um sie herum. In ihrem Kopf gab es gar keinen Platz mehr. Sie hatte das Gefühl, dass selbst ihre Gedanken laut waren, damit sie sie wahrnehmen konnte. Ja sogar das Denken war zu einer Art Geräuschpegel geworden.

Sie musste raus. Weg. Irgendwo hin.

Zu einem Platz, an dem sich ihr Herzschlag nicht wie eine Buschtrommel anhörte und ihre Gedanken nicht so laut wie ein Düsenflieger durch ihren Kopf schwirrten. Kurzerhand zog sie sich eine Jacke über und verließ das Haus. Ihrem Mann sagte sie im Hinausgehen, dass sie mal kurz weg müsse.

Keine langen Erklärungen.

Was hätte sie auch sagen sollen? Sie ging nicht davon aus dass es jemand verstehen würde.
Die Türe viel hinter ihr ins Schloss. Sie hatte weder Geld noch einen Schlüssel mit.

Der Park war der einzige Ort in der Stadt, an dem man etwas Ruhe finden konnte.
Also nahm sie Kurs auf den Park. Betont langsam ging sie Schritt für Schritt und versuchte einfach an nichts zu denken. Doch schon nach wenigen Minuten ertappte sie sich dabei, dass sie wieder in ihre hastigen, Ich-habe-keine-Zeit,-Schritt verfallen war und ihre Gedanken im selben Tempo durch ihren Kopf sausten.
‚Stopp!’ , dachte sie und der Gedanke war so laut gewesen, dass sie sich umsah, ob ihn keiner gehört hatte.
Sie blieb stehen. Ein tiefer Atemzug, dann ging sie langsam weiter.
Eigentlich wollte sie ja an gar nichts denken. Doch da sich Gedanken nicht so einfach ausschalten lassen, begann sie darüber nach zu denken, warum es ihr so schwer viel abzuschalten. Daran, beschloss sie, wollte sie in der nächsten Zeit etwas ändern. Sie würde sich wieder Zeit für sich, ihre Hobbys und ihre Freunde nehmen.
Ihre Schritte eilten schon wieder.

Sie ermahnte sich selbst im Stillen und ging wieder langsamer weiter.
Bald würde sie den Park erreicht haben. Sie freute sich darauf, überlegte kurz welchen Weg sie durch den Park nehmen wollte und entschied sich für den Waldweg. Auf dem gepflasterten Weg kamen ihr immer so viele Radfahrer entgegen.
Sie schaute prüfend zum Himmel. Es war zwar ziemlich bewölkt, doch ab und zu drangen Sonnenstrahlen warm und hell durch die Wolkenfetzen. Sie lächelte in Vorfreude auf einen ruhigen Spaziergang.
Und wirklich - im Park waren, wie vermutet, kaum Spaziergänger unterwegs. Wie sie es sich vorgenommen hatte, bog sie rechts ab zum Waldweg. Hier war der richtige Ort um abschalten zu können. Zwar war es nicht wirklich ein richtiger Wald, man konnte zwischen die Bäume hindurch den gepflasterten Weg sehen, doch war es, als wäre sie hinter einem Vorhang verborgen durch den man alles sehen aber nicht gesehen werden konnte. Außerdem gab es noch eine Besonderheit die das Bild für sie abrundete. Der Park lag direkt am Rhein und neben dem gepflasterten Weg ging eine kleine Böschung hinunter. Dort floss der Rhein majestätisch und still in seinem breiten Bett. Von da wo sie jetzt spazieren ging sah es so aus als ob der Rhein direkt neben dem Weg her fließen würde. Die Fracht, -Schub, -Transport, und Passagierschiffe die rheinaufwärts oder abwärts fuhren, hinterließen den Eindruck von Ruhe und Gelassenheit.
Sie blieb ein Weilchen stehen um diesen Anblick zu genießen.
Der Wind hatte etwas aufgefrischt und ließ die Sonnenstrahlen auf dem Wasser tanzen. Wie goldene Pailletten auf einem graublauen Stoff, der im Wind weht.

Ein wundervolles Bild das sie ganz tief in sich aufnahm.

Dann ging sie weiter über den feuchten Waldboden. Sie mochte den moderigen und trotzdem lebendigen Duft der von der Erde ausging. Bald würde es Herbst sein. Eindeutig am Geruch erkennbar und an den Blättern die schon vereinzelt welk und matt am Boden lagen.
Ihre Sinne waren plötzlich geschärft. Düfte, Lichteffekte und Geräusche - alles konnte sie intensiv fühlen. Ja richtig körperlich spüren.

Eine Welle von Glücksgefühlen schien sie davon zu schwemmen und ohne darüber nachzudenken gab sie sich dem hin und ließ sich treiben. Ohne das Gefühl für Zeit und Raum glitt sie förmlich durch diese, von ihr schon fast vergessene Welt.
Sie verfolgte Vogelstimmen mit ihren Ohren, um die Vögel mit ihren Augen zu finden. Manchmal wusste sie sogar ihre Namen und freute sich darüber, als hätte ihr jemand ein Geschenk gemacht.
Sie sah sich Spinnennetze an, die kunstvoll und groß in Büschen am Wegesrand zu sehen waren. Die Weberinnen selber aber hielten sich noch versteckt und warteten auf ihre Beute, die in der Abenddämmerung sicher kommen würde.
Die Blätter der Bäume die ihre Farbe schon teilweise gewechselt hatten und in bunten Farben leuchteten schienen auch ihre Seele wieder in bunten Farben aus zu füllen.
Licht - und Schattenspiele in den Bäumen und auf der Wiese, die von den vorüberziehenden Wolkenfetzen und der Sonne in ihrem Spiel verursacht wurden erinnerten sie an kindliches Fangenspiel.
Überwältigt setzte sie sich auf eine alte, kleine, leicht schmutzige, hölzerne Parkbank. Eingebettet von Sträuchern und Bäumen hatte sie ein kleines Stück des Himmels hier ganz für sich alleine.
Sie hörte in naher Ferne einen Zug rauschend über die Gleise fahren.
„Glück“, dachte sie bei sich, „ich kenne dein Gesicht und schaue dich mit offenem Herzen an.“


Einige Minuten saß sie einfach nur so da. Dann stand wieder auf und machte sich auf den Weg, um ihre Runde durch den Park zu beenden.
Ein Jogger kam ihr entgegen, lief an ihr vorbei, zwei Leute die ihre Hunde ausführten kamen an ihr vorbei. Eine alte Dame die still auf einer Parkbank saß und glücklich aussah ließ ihr ein Lächeln über's Gesicht huschen.

Sogar einen alten verblassten Gartenzwerg, den Vater Rhein bei seinem letzten Hochwasser in einem Strauch versteckt hatte fand sie und versprach ihm Rettung zu schicken.

In einer einzigen Stunde hatte sie erfahren, wie Stille sich anfühlt.

Dass Stille nicht Unbeweglichkeit bedeutet, das Stille nicht Stummheit ist.
Stille, das wusste sie jetzt, war innerer Frieden.

Sie ging langsam nach Hause zurück und wusste nun wo sie Stille finden konnte.
Tief in sich selbst.

 


Hallo liebe Leser

Ich freue mich das ihr zu meiner Geschichte gefunden
habt.
Es wäre schön wenn ihr auch einen Kommentar oder eine
Bewertung übrig hättet.
An konstruktiver Kritik kann man nur wachsen und ich
möchte noch wachsen.
Ich wünsche euch viel Spaß beim lesen dieser
Geschichte und bei dem lesen meiner anderen
Geschichten und Gedichte.

Martina
Martina Kast, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.10.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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