Hannelore Sagorski

(M)ann hat e nicht leicht

(M)ann hat es nicht leicht
 
Nee, dieser Samstagvormittag ist überhaupt nicht nach meinem Geschmack. Schon Stress am Morgen, da meine Gattin Ella unbedingt noch zum Frisör muss. Sie will sich für heute Abend mal so richtig aufbrezeln. Wie das aussehen soll, weiß ich allerdings nicht. Man kann aus einem Elefanten keine Elfe machen. Ob es das Alter ist? Wir sind heute Abend bei meinem Freund Kurt zum 50gsten eingeladen Weit entfernt sind wir von dieser magischen Zahl auch nicht mehr. In den letzten dreißig Jahren hat sich unsere Optik gewaltig verändert. Natürlich nicht nur bei Ella, auch an mir hat der Zahn der Zeit genagt. Besonders an meinem Haupthaar, das ist immer weniger geworden. Dafür wurden die Rettungsringe bei Ella immer üppiger.  Ist ok für mich, denn ich liebe jedes Gramm an meiner Ella.
 
 
Kurz bevor ich sie beim Frisör absetze, drückt sie mir noch eine Einkaufsliste für den Supermarkt in die Hand. Anschließend wollen wir uns dort in der Cafeteria treffen. Mit einem großen Frühstück, und einer Zeitung setze ich mich direkt an´s Fenster. Nach vier Kännchen Kaffee, und intensiven Zeitung lesen sind drei Stunden vergangen.  Ella ist immer noch nicht da. Das muss ja eine Wahnsinnsfrisur werden. Aus Langeweile beobachte ich die Leute draußen vor dem Fenster. Besonders achte ich auf die Frisuren. Und dann steuert so eine Dame mit ner unmöglichen Frisur direkt auf meinen Tisch zu. Knallrote Haare, und eine Dauerwelle. „Hier ist besetzt“, sage ich schnell. Ein herzhaftes Lachen ertönt. Dieses Lachen kenne ich, es gehört meiner Frau. Entsetzt schaue ich sie an. Sie nimmt es aber als Kompliment. „Hast mich nicht erkannt? Sieht doch toll aus“, sagt sie mit strahlenden Augen. Was soll ich darauf antworten? Wenn ich ehrlich wäre, würde ich sagen: „Scheußlich, es macht dich zehn Jahre älter, und sieht aus, als hättest du aus Versehen in die Steckdose gegriffen.“ Aber ich will sie nicht verletzen, und so kommt nur ein kurzes „ist schon in Ordnung“, über meine Lippen.
 
Zuhause setzt Ella ihr Schönheitsprogramm fort. Kann mir nur recht sein, so kann ich mir am Spätnachmittag noch die Bundesliga im Fernsehen anschauen. Umgezogen habe ich mich schon vorher, ich brauche kein Schönheitsprogramm. Und dann kommt Ella die Treppe heruntergeschwebt. Mir bleibt fast die Luft weg, aber nicht vor Begeisterung. Ella nimmt es erneut als Kompliment. Sie dreht sich wie ein Brummkreisel, und stellt mir die entscheidende Frage. Diese Frage muss sich wohl jeder Mann vor einer Feier anhören. „Kann ich so gehen“? flötet sie mir ins Ohr. Was soll ich dazu jetzt sagen? Wenn ich jetzt ehrlich wäre, würde ich sagen, „zieh doch besser etwas Anderes an“. Bedeutet, ca eine Stunde Wartezeit. Wir sind schon spät dran, ich habe Hunger, und so empfinde ich mein „du bist die Schönste des Abends“, auch nicht als Lüge.
 
 Als wir bei Kurt eintreffen, bugsiere ich Ella erst mal zu den anderen Damen. Ich selbst stürze mich auf das kalte Büffet, mein Magen hängt mir nämlich schon in den Kniekehlen. Mit einem Teller voller Köstlichkeiten verziehe ich mich in eine stille Ecke. Gerade bahnt sich der erste Bissen den Weg in meinen Magen, kommt Kurt aufgeregt auf mich zu. „Kalle komm mal mit. Deine Frau will unbedingt nach Hause“. Verstehe ich nicht. Vor zehn Minuten war sie doch noch putzmunter. Heulend finde ich sie am Auto vor. Sie will nach Hause. Was war passiert? Unterwegs gesteht sie mir, dass ihre beste Freundin gesagt hat, dass Ihr Kleid und die Schuhe total unvorteilhaft für sie wären. Und dann bekomme ich mein Fett. Es wäre alles meine Schuld. Ich hätte ehrlich sein müssen, wie sie mich gefragt hat. Ich hätte sie blamiert, sie könne sich nirgends mehr sehen lassen. Sprachlos lasse ich Alles über mich ergehen. Was soll ich auch sagen, ich habe es nur gut gemeint, wollte sie nicht verletzen. Als sie zu Hause immer noch keine Ruhe gibt, platzt mir der Kragen, mache mir so richtig Luft. „Ja, Ja, du hast ja Recht. Aber hätte ich dir sagen sollen, dass du mit deiner Frisur aussiehst wie Pumukl, die rote Farbe deine Falten erst so richtig zur Geltung bringen. Oder  das du in deinem neuen Kleid einen Hintern hast, wie ein Brauereigaul. Außerdem läufst du auf deinen viel zu hohen Schuhen, wie ein Elefant auf Stelzen. Und wenn wir schon bei der Ehrlichkeit sind, das Rasierwasser, das du mir mitgebracht hast, stinkt nach totem Fisch, und der Schlafanzug mit den Sonnenblumen, den du mir zum Geburtstag geschenkt hast, finde ich scheußlich“. Ella schnappt nach Luft, und rennt heulend ins Schlafzimmer. Versteh ich nicht. Da bin ich wirklich ehrlich, dafür habe ich jetzt eine Heulboje im Schlafzimmer sitzen. Mir ist das Alles zu blöd , ich habe Hunger. Mal sehen, was der Kühlschrank so hergibt. Ja, wenn meine Ella jetzt da wäre, könnte sie mir ein paar leckere Schnittchen schmieren, aber die ist ja damit beschäftigt ihre Tränensäcke zu vergrößern. Wie ich noch so überlege, steht sie plötzlich hinter mir. „Friedensangobot,“ sagt sie, „ich schmiere uns ein paar Schnittchen, du holst  eine Flasche Wein, und machst es dir schon mal auf der Couch bequem“. Erleichterung macht sich bei mir breit, das ist wieder meine Ella. Um ihr eine Freude zu machen, ziehe ich den Schlafanzug mit den Sonnenblumen an, und wenig später füttert Ella mich mit leckeren Schnittchen. Ich muss ihr nur versprechen, in Zukunft immer ehrlich zu sein.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.10.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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