Hans Witteborg

Der Einfall

 
 
 
Nur Wenige wissen Bescheid und die hüten sich davor es bekannt zu machen: die Einfälle von Comedians und Kabarettisten entspringen nicht immer ihren eigenen Gehirnwindungen, sie bedienen sich, wie im alten Rom, bestimmter Sklaven, die für sie Gags und Pointen ausarbeiten. Das haben sie sich von den Leuten abgeschaut, die sie sonst immer scharfzüngig geißeln. Diese Zielgruppe ihres Spotts, die Politiker, erkannten schon sehr frühzeitig, dass Leihgehirne durchaus vom Vorteil sind und auch Zeit sparen, die man besser damit verbringt, sich um Aufsichtsratsposten zu bewerben.
Um dem Ganzen einen intellektuellen Anstrich zu geben, nennt man derartige Hirnakrobaten vornehm „Ghost Writer“. Übersetzt heisst das Geist- Schreiber, die kann man jedoch nicht so benennen, weil dann aufkippte, dass von Geist hier keine Rede sein kann. Nur der sture Bayer E. Stoiber verzichtete manchmal auf diese Dienste, er geisterte selbst. Ich erinnere an die „zehn Minuten vom Flughafen zum Bahnhof München“. Besser kann man einfach auf Schreiberlinge im Hintergrund nicht verzichten!
Auch ich schreibe Gags und Pointen für andere. Nicht nur aus Hobby-Erwägung, nein, ich bin Profi, davon kann man leben, wenn man Rentner ist. Ich schreibe natürlich nicht für die guten Kabarettisten, die haben das nicht nötig. Ich schreibe auch nicht für die guten Comedians, die lachen am liebsten über ihre eigenen Gags, nein ich schreibe für alle, die keiner hören will und deshalb auch keine Auftritte haben – ich sagte doch, ich kann gut davon leben, weil ich Rentner bin.
Der Grund, warum öffentlich nichts von mir  zu euch vorgedrungen ist, liegt ganz einfach daran, dass ich meine Einfälle niemanden zuschicke. Trotzdem schreibe ich sie nieder, begutachte sie und finde sie durchweg klasse. Nach dieser Feststellung überlege ich systematisch, wen ich damit wohl beglücken könnte. Komme ich zu dem Ergebnis, dies Machwerk könnte einen von den Verlagen interessieren, die sich um meine Mitarbeit reissen, setze ich ein kurzes, höfliches Schreiben auf, kuvertiere alles fein säuberlich und werfe es hernach in den Papierkorb, bevor dies ein arroganter Lektor für mich tut. Ich war immer schon für entsprechende Arbeitsteilung, schliesslich bin ich gelernter Betriebswirt!
Komme ich zu dem Ergebnis, dass Taugliches für das Medium Fernsehen dabei ist, fange ich an zu sortieren. Die intellektuellen Beiträge kommen in das Fach
für Öffentlich Rechtliche Anstalten, der Schweinkram, den meine Frau nie zu Gesicht bekommt, fällt unter die Kategorie „Private Anstalten“, Lyrisches, was keiner hören will, ordne ich ARTE zu.
Danach stelle ich meinen Aktenvernichter an und jubele jedes Blatt einzeln durch, so vermeide ich, dass Kritiker meine Einfälle zerreissen (tu ich selbst, Stichpunkt Arbeitsteilung) oder meinetwegen ein Kabarettist oder Comedian entlassen wird, wir haben ohnehin schon zu viele Arbeitslose.
Neulich jedoch wurde ich mir selbst untreu. Ich fand einen geistig sehr anspruchsvollen Sketch aber von dermassen gut, dass ich ihn dem Unterhaltungschef der ARD zusandte. Übertitelt war das Ganze  mit DER EINFALL.
Ich bekam Post von der ARD. Ahnungsvoll riss ich den etwas dicklichen Umschlag auf. Sein Inhalt: mein Manuskript, ohne Kommentar jedoch leicht abgewandelt, eher ergänzt mit nur einem Buchstaben, der es in sich hatte
 
                        REINFALL
 
So viel Kreativität konnte ich mir unmöglich gefallen lassen. Ich griff zum Telefon und liess gehörig Dampf ab. Der Unterhaltungschef war die Ruhe selbst.
„Worüber beschweren Sie sich eigentlich…. es gibt nicht eine Pointe, nicht einen Gag in dem Sketch, nichts, worüber man nur andeutungsweise auch nur lächeln könnte“.
Aber das ist doch der Trick, klärte ich ihn auf, die Leute werden brüllen vor Lachen. Nach jedem dritten Satz wird eine Pause eingelegt. Jeder schaut verblüfft seinen Nachbarn an. Der verzieht keine Miene – es gibt ja nichts vorüber man sich amüsieren kann. Aha denkt man, der Nachbar hat etwas nicht verstanden, ich bin da viel schlauer, ich lache los, dann schämt der sich, weil er ein geistiger Tiefflieger ist. Da alle so denken werden, besteht die ganze Sendung fast nur aus Heiterkeit. So unterhält man das Publikum!“
Ich hielt das Schweigen am Ende der Leitung für Zustimmung, dabei hatte der gute Mann doch schon längst aufgelegt.
Dennoch, ich erhielt wenig später den Auftrag, die Wetterkarte mit Gags zu unterlegen. Nicht für Herrn Kachelmann, sondern nur als Kommentar z.B. wie:
der Wind bläst stärker (so`n Ferkel) oder die Temperaturen bewegen sich .
Also Kleinkram, aber ihr werdet es schon gemerkt haben, dass die Wetterkarte immer beliebter wird. Ja, wenn die mich nicht hätten…..

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.11.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Die Gedichte begleiten durch die vier Jahreszeiten und erzählen wie die Natur erwacht, blüht und welkt, wissen von reicher Ernte zu berichten. Der Spätsommer im Park, winterliche Gefilde oder Mailandschaften scheinen auf. Der Autor verwendet meist gereimte Zeilen, zeigt sich als Suchender, der neues Terrain entdecken möchte. Der Band spricht von den Zeiten der Liebe, zeigt enttäuschte Hoffnungen und die Spur der Einsamkeit. Wut und Trauer werden nicht ausgespart. Es dreht sich das Kaleidoskop der Emotionen. Der kritische Blick auf die Gesellschaft und sich selbst kommt zum Zuge. Kassandras Rufe sind zu hören. Zu guter Letzt würzt ein Kapitel Humor und Satire. So nimmt der Autor seine Zettelwirtschaft aufs Korn, ein hoffnungsloser Fall.

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