Katja Wefelmeier

Das gebrochene Herz

Lange hatte sie versucht sich die fehlende Kraft die sie so dringend brauchte einzureden. Sich von den negativen Gedanken, die sie wie ein Geist überfallen und eingenommen hatten zu lösen. Sich von dem was in ihr immer mehr Gestalt annahm abzulenken. Doch der zeitnahe Verlust von zwei geliebten Menschen und deren Bedeutung für sie riss eine zu tiefe Wunde in ihr Herz.
Der seit einem halben Jahr erwartete Tod ihrer Mutter, die sie regelmäßig in dem Altersheim besuchte in das sie ihre Mutter nach einem Schlaganfall vor einem Jahr vom Krankenhaus aus bringen ließ. Das unerwartete Ende ihrer Liebesbeziehung zwei Monate nach dem Tod ihrer Mutter. In der Zeit der Trauer über das eine kam ein anderes hinzu, was ihr wie ein Urteil erschien und ihre Seele aus dem Takt brachte.
Sie fühlte sich leer und ausgebrannt. Ein Häufchen Elend, dessen Versuche vielleicht doch noch wieder auf die Beine zu kommen mehr an einen tapsigen und immer wieder im Eis einbrechenden Bären erinnerten. Je mehr sie versuchte aus jedem Tag etwas gutes für sich zu ziehen, je bewusster wurde ihr das alles nur eine Illusion war. Sie war nicht in der Lage um aus der Dunkelheit um sie herum etwas Licht für ihre Seele zu ziehen. Das einzig gute am Tag war für sie wenn ihre Seele es ihr erlaubte die Wohnung zu verlassen. Frische Luft zu atmen. Die meiste Zeit über aber waren ihre Tränen das einzige was sie neben ihrem Schmerz fühlen und schmecken konnte und der Tag genauso dunkel wie die Nacht es für sie war. Das was ihre Gedanken am Tag in ihr anrichteten, wurde in ihren Nächten von Alpträumen wie mit schwarzer Kreide untermalt. Wie oft träumte sie seitdem ihre Liebste sie verließ inzwischen von dunklen Gängen an dessen Ende ein Licht Frieden versprach und sie es in keiner Nacht erreichen konnte. Von einer Leiter die sie hinauf steigen wollte, nur um resignierend feststellen zu müssen das der Sumpf aus dem sie zu entkommen versuchte sie immer mehr verschlang.
Es war egal was sie versuchte, alles was sie empfinden konnte war Schmerz. Alles was sie sah war Schmerz. Schmerz der sie wie Treibsand langsam und allmählich verschluckte.
In den letzten Wochen erwischte sie sich oft bei dem Gedanken einfach nur das Fenster öffnen und sich aus dem dritten Stock auf die Steinplatten fallen zu lassen. Ein erschreckend und zugleich wunderschöner Gedanke, wenn sie unten auch genauso Halsbrecherisch aufkam wie sie es sich wünschte. Danach zumindest wäre alles vorbei. Die Zeit in diesem Leben beendet. Ihre Seele wäre frei und das was sie hier so sehr vermisste bei ihr oder vergessen. Sie war kein Mensch der große Spuren hinterlassen würde, es würden sich also nur ein oder zwei Freunde an sie hin und wieder erinnern. Vermissen aber würde sie niemand. Wer sollte sie auch vermissen. Die Freunde die bei ihr Beziehungsprobleme abluden. Die die sich nur meldeten wenn ihnen langweilig war oder die die ihr nahe legten sich in die nächste Beziehung zu stürzen. Keiner von ihren Freunden war sich bewusst in welcher Situation sie steckte, oder hatte zugehört als sie sagte sie könne und wolle nicht mehr. Sie war allein und das würde sich nicht mehr ändern. Die Entscheidung wie es weiterging würde eh nur sie treffen können. Entweder sie ignorierte ihre Sehnsucht nach einem endgültigen Ende oder sie ergab sich dem und würde sich von dieser Welt verabschieden.
Wenn sie ehrlich war hatte ihre Seele sich bereits entschieden. Ihr Herz, so groß dessen Sehnsucht einst nach Leben war, war gebrochen und es gab kein Pflaster auf dieser Welt das so groß gewesen wäre um diesen Riss jemals zu schließen. Keine Chance mehr um diese Wunde wie die anderen zuvor durch Zeit und Lebensmut abheilen zu lassen, denn es gab keinen Mut oder Willen zum Leben mehr in ihr. Alles was sie wollte war das es aufhört. Keine Berg und Talfahrten mehr. Kein Hoffen. Keine Liebe. Keine Angst. Keine Trauer und keinen Schmerz mehr.
Mit ruhiger Seele stand sie aus ihrem Bett auf und ging zielstrebig ins Bad. Vorsichtig brach sie aus ihrem Nass Rasierer eine Klinge heraus und stellte das warme Wasser der Dusche an. Sie setzte sich in die Wanne der Dusche, spürte wie das Wasser ihre Haut wärmte und die Klinge zuerst die Schlagader des rechten Arms und dann die des linken aufschnitt. Sie sah wie ihr Blut das Wasser rot färbte. Spürte wie ihr schwindelig wurde und ein letztes Lächeln ihr Gesicht erhellte.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.11.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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