Christa Astl

Kreis des Lebens


 

Sie war als Einzelkind aufgewachsen. Streng behütet, von anderen Kindern abgeschirmt, war sie bereits als Kind sehr einsam gewesen. Um dieser Einsamkeit zu entgehen, wollte sie mehrere Kinder, damit Leben um sie herum sein würde. Dieser Wunsch erfüllte sich nach der Hochzeit. Jahr um Jahr lag ein neues Baby in der Wiege. Sie freute sich darüber, nahm die damit verbundene Arbeit gerne in Kauf, achtete aber nicht, dass ihr Körper bald an der Grenze seiner Belastbarkeit war.
Rückenschmerzen, Schlafstörungen, geschwollene Beine machten sich bemerkbar. Nach zwei Fehlgeburten begann sie darüber nachzudenken. Warum spielte ihr Körper nicht mehr mit? War sie nun als Frau nichts mehr wert? Doch die verbliebenen Kinder, es waren inzwischen sechs, ließen ihr nicht viel Zeit zum Nachdenken.
Sie bemühte sich, in Haushalt und Erziehung noch genauer und vorbildlicher zu sein, auch ungeachtet dessen, dass ihre Arbeit weder geschätzt noch belohnt wurde. Sie war gefordert, von früh bis spät, von den Kindern, vom Mann, der sich am Abend auch noch gerne verwöhnen ließ. Sie hingegen wurde nie verwöhnt. Der Kaffee hatte heiß und frisch zu sein, das Mittagessen pünktlich auf dem Tisch, die Wäsche sauber und im Kasten verräumt, der Kühlschrank gefüllt und die Kiste Bier im Keller.
Am meisten aber litt ihre Seele. Die begann allmählich zu verhungern. Ihr Liebesbrunnen, aus dem sie tagtäglich schöpfte, drohte zu versiegen, Beziehungen trockneten ein und erstarben, nur noch freundliche Höflichkeit verband sie mit anderen Menschen.
Einen Teil ihres Herzens begann sie abzutrennen. Dort kam niemand hin, niemand hatte Einlass, es war ihre ganz geheime, ihre ureigene Welt. Viele Jahre träumte sie davon, diese eigene Welt zu verwirklichen. Und endlich, in reifen Jahren, der Pflichten als Mutter enthoben, begann sie diesen Traum zu realisieren.
Sie hatte ein Grundstück geerbt. Und auf diesem gedachte sie ihr Traumhaus aufzustellen. Keinen großen Palast, nein, ganz schlicht und einfach, aber gemütlich und so, dass Raum und auch Zeit blieb, ihre früheren Hobbys wieder aufzunehmen. Vor allem wollte sie malen, die Farbenpracht ihrer inneren Welt, ihrer Stimmungen und Gefühle in Farben wiedergeben.
Und, was ihr selber seltsam erschien, sie sehnte sich wieder nach der Einsamkeit, der Stille im Haus, die sie als Kind so leer, so beängstigend empfunden hatte.
Der Kreis ihres Lebens hatte sich geschlossen: Fortgezogen in der Jugend und gerne wieder heimgekehrt im Alter.

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Weihnachten, Advent, die Zeit der Stille, der frühen Dunkelheit, wo Menschen gerne beisammen sitzen und sich auch heute noch Zeit nehmen können, sich zu besinnen, zu erinnern. Tirol ist ein Land, in dem die Krippentradition noch hoch gehalten wird. Ich habe meine Krippe selber gebaut und auch die Figuren selber gefertigt. So habe ich mir auch die Geschichten, wie jede wohl zur Krippe gefunden hat, dazu erdacht.

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